lesbischer Radikalfeminismus

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Der Feminismus ist keine einheitliche Bewegung. Es gibt viele verschiedene Strömungen und oft widersprechen sie sich. Eine davon ist der Radikalfeminismus, aber auch da verfolgen nicht alle exakt die gleichen Ziele. Manche sind sehr auf heterosexuelle Frauen bezogen und vergessen, dass lesbische und bisexuelle Frauen existieren, andere sind aber nur für Lesben (zumindest formulieren sie das so) und schließen hetero- und bisexuelle Frauen bewusst aus.

Der Feminismus dieser Lesben einer der Zweiten Welle. Die hauptsächliche Überzeugung dieser Ideologie ist, dass um das Patriarchat zu zerstören, müssen Frauen alle Verbindungen zu Männern abbrechen. Die Begründung ist, dass Männer für alle gesellschaftlichen Probleme verantwortlich seien und dass es in Beziehungen zwischen Männern und Frauen immer ein Machtverhältnis gibt, wobei der Mann immer derjenige mit der Macht ist, weshalb Frauen in solche Beziehungen immer leiden würden. Es gibt nur eine Unterdrückungsachse: Männer sind Unterdrücker, Frauen sind Unterdrückte. Wenn über den Kapitalismus gesprochen wird, wird gesagt, dass auch dafür Männer verantwortlich sind.

Lesbischer Separatismus (eine Strömung des lesbischen Radikalfeminismus) möchte lesbian-only Communitys aufbauen, die ihnen ermöglichen, ein männerfreies Leben zu führen. Dort wären nur dyacis Frauen, die ausschließlich dyacis Frauen daten willkommen — keine Frauen, die Verbindungen zu Männern haben.

Ungefähr um die gleiche Zeit, wo diese Strömungen entstanden sind, tauchte auch das Label „bisexuell" immer mehr auf. Bis dahin stand der Begriff „lesbisch" nämlich für alle Frauen, die mit Frauen schlafen — es war eine Handlung und keine Identität. Durch das neue Label, das auch eine Reaktion auf die Bifeindlichkeit innerhalb der Bewegung war, fiel es lesbischen Radikalfeministinnen leichter, sich von ihnen zu distanzieren.

Einige von ihnen, genauer gesagt sogenannte politische Lesben (manche von ihnen unterstützen den lesbischen Separatismus, andere aber nicht), waren und sind der Ansicht, dass lesbisch zu sein eine Entscheidung ist, die alle Frauen treffen können, aber auch sollten. Entweder datest du Männer und trägst zur Aufrechterhaltung des Patriarchats bei oder du banst sie aus deinem Leben und darfst das Label „lesbisch" für dich beanspruchen. In diesem Sinne heißt „lesbisch" für sie weniger „Frauen lieben" (es gibt auch heterosexuelle politische Lesben), sondern viel mehr „Männer hassen".

Bisexuelle Frauen und SW sehen sie als Verräterinnen, weil sie „mit dem Feind schlafen". Auch möchten sie mit ihnen keine Beziehungen führen, weil sie nicht wollen, dass ihre Traumata ihre jetzige Beziehung beeinflussen. Besonders bei bisexuellen Frauen wollen sie nicht riskieren, für einen Mann verlassen zu werden, was laut ihnen sehr oft passiert. Um das zu beweisen ziehen sie Statistiken heran, dass die meisten bisexuellen Frauen mit Männern zusammen sind.
Trotzdem versuchen sie manchmal bisexuelle Frauen durch das Konzept „compulsory heterosexuality" davon zu überzeugen, dass sie in Wahrheit Lesben wären. „Comphet" klingt auf dem ersten Blick sehr wie „Heteronormativität". Nur dass „comphet" ein monosexistisches Konzept ist, das die Komplexität von Sexualität ignoriert und das nur für lesbische Frauen ist. Es ist also sehr radfem-konnotiert und wurde von einer TERF erfunden, die durch Überprüfen und Ermutigen zum Buch „The Transsexual Empire" beigetragen hat (das bekannteste radikalfeministische Buch über Transgeschlechtlichkeit).

Die Dritte Welle repräsentierte für Radikalfeministinnen, einschließlich politischen Lesben, eine Gefahr: Sie verband dyacis Frauen mit schwulen Männern, bisexuellen, aromantischen, asexuellen, inter und trans Menschen unter einer gemeinsamen Identität: queer.

Im Queerfeminismus ist die Intersektionalität ein sehr wichtiges Konzept. Das gefällt Radikalfeministinnen nicht, weil es bedeutet, dass auch dyacis Frauen, einschließlich Lesben, unterdrücken können, dass marginalisierte Frauen manchmal mit marginalisierten Männern zusammenarbeiten (z. B. Schwarze Frauen mit Schwarzen Männern, um gegen Rassismus vorzugehen) und dass schwule, bisexuelle, aromantische, asexuelle, inter und trans Menschen eingeschlossen werden, obwohl sie sich eben von all diesen Gruppen distanzieren wollten. Also lehnte der Radikalfeminismus die Dritte Welle ab.

• Schwule Männer sind Männer, mit ihnen wollen sie nicht zusammenarbeiten oder Spaces teilen.
• Im Radikalfeminismus gilt das Geschlecht als etwas Binäres und Essentialistisches. Das macht RadFems zu TERFs.
• Sie sehen bisexuelle Frauen als Verräterinnen, die Privilegien genießen, was zur Bifeindlichkeit von RadFems führt.
• SW haben entweder unfreiwillig oder freiwillig Kontakt zu Männern, was in beiden Fällen schlecht ist. Deshalb der Saviorismus, Betroffenen — auch gegen ihren Willen — da rausholen zu wollen. Aber nur bis zu dem Zeitpunkt, an dem diese „Hilfe" explizit abgelehnt wird: Dann sind SW nicht mehr die armen Opfer, sondern tragen zur Aufrechterhaltung des Patriarchat bei, der Frauen und insbesondere Lesben unterdrückt. In anderen Worten sehen sie sich als Opfer selbstbestimmter SW.
• Aro- und Acefeindlichkeit ist oftmals recyclete Bi- und Transfeindlichkeit. „Trans Frauen sind Männer, die in unsere Safe Places und Communitys eindringen" und „bisexuelle Frauen nehmen ihre Ehemänner/Partner/Traumata/Men Residue mit", wird zu „Aro/Ace Menschen sind Cishets, die unsere Safe Places einzudringen — besonders schlimm ist es, wenn es sich um Männer handelt, aber auch aro/ace Frauen sollen sich mit heterosexuellen Frauen zusammenschließen und mit ihnen dafür einsetzen, Nein sagen zu dürfen."
• Bei RadFems findet man auch viel Interfeindlichkeit: Sie versuchen ihre kognitive Dissonanz zwischen „intergeschlechtliche Menschen existieren" und „Geschlecht ist binär" mit „Das ja eine Störung" zu lösen, als würde diese Gruppe dadurch weniger existent sein. Sie stellen „Penis" explizit mit „profitiert vom Patriarchat" gleich. Sie schließen intergeschlechtliche Frauen in ihrer Definition einer Frau aus.
• Auch „queer" hassen sie. Es ist eine relativ große und vor allem vielfältige Gruppe. Das Label ist schwer zu gatekeepen. Damit kann man sich schlechter von anderen abgrenzen, also behaupten sie einfach „queer is a slur". In Wahrheit ist das nichts anderes als eine Silencing-Taktik.

Alle queeren Identitäten, bis auf „lesbisch" (bei dyacis Frauen), gelten als Gefahr für Lesben, weil sie sich im Verhältnis zu all diesen Gruppen immer für die unterdrückte Gruppe halten. Radikalfeministische dyacis Lesben sehen sich selbst nie als privilegierte Gruppe, behaupten daher auch, dass sie die „unterdrückste" Gruppe der Queeren Community wären.

So ist die Transfeindlichkeit, die Bifeindlichkeit, die Aro/Acefeindlichkeit, Queerfeindlichkeit, SW-Feindlichkeit von Feministinnen geschichtlich entstanden. Radikalfeministinnen versuchen seit Jahrzehnten Feminist*innen und Queers zu spalten, rechtfertigen alles davon mit „Männerhass" und empören sich dann, dass ihnen vorgeworfen wird, näher am Rechten als an Linken zu stehen.

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