Antideutsche

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Beim ersten Blick könnte man vermuten, dass es sich bei "Antideutschen" lediglich um eine antinationalistische Bewegung handelt. Ein wesentlicher Aspekt ihrer Standpunkte ist jedoch ihre bedingungslose Solidarität zu Israel.

Ihren Ursprung hat die antideutsche Bewegung in den 1990er Jahren in Folge auf der Wiedervereinigung Deutschlands. Sie lehnten diese ab ("Nie wieder Deutschland!"), weil sie ihrer Ansicht nach den Weg für ein "Viertes Reich" ebnen würde. Die Zerstörung Deutschlands sei notwendig, um den "Sonderweg" zu beenden.

Diese umstrittene Theorie besagt, dass Deutschland einen anderen, von seinen europäischen Nachbarn abweichenden Weg einschlug, der zur Entstehung des Nationalsozialismus führte. Zuerst wurde der Begriff aber von den Nazis verwendet, die damit meinten, dass das deutsche Volk eine besondere Bestimmung hätte.

Antideutsche positionieren sich einerseits tatsächlich gegen Nationalismus, wenn es um den deutschen Staat geht, bekunden andererseits ihre uneingeschränkte Unterstützung für den Zionismus. Es ginge darum, das "jüdische Volk" zu verteidigen. Joachim Bruh, einer der einflussreichsten Autoren der antideutschen Bewegung, sagte 2003 in einem Interview:

"Es kann keine Kritik am Staat Israel geben, die nicht antisemitisch ist."

Antideutsche positionnieren sich ebenfalls pro-amerikanisch, was Kritik am Antiimperialismus mit sich bringt. So entstanden mit der Wiedervereinigung Deutschlands zwei gegnerische Lager: die Antiimperialist*innen und die Antideutschen. Für Letztere ist der Antiimperialismus eine Form von Antisemitismus. Sie bringen die DDR mit Antizionismus in Verbindung.

Die antideutsche Ideologie ist eng mit dem Konzept der "Schuldfrage" verknüpft: Jede deutsche Person ist Teil eines "schuldigen Volkes". Das Buch "Die Schuldfrage" (1946) des philosophen Karl Jaspers thematisiert, wie die Deutschen für das Handeln der Nazis verantwortlich sind. Das Konzept veranlasste die deutsche Linke, sich von der Generation der "Nazieltern" zu distanzieren.

Die Kombination von Schuldfrage und Sonderweg fürte zur Annahme, dass der Holocaust nur in Deutschland passieren hätte können. Antisemitismus wird als Konsequenz der deutschen Geschichte und als Essenz des deutschen Volkes betrachtet.

Nach dem 11. September 2001 verschob sich jedoch der Fokus der Antideutschen weg vom Widerstand gegen den deutschen Staat, weil sie nun den Islamfaschismus als Bedrohung für die Sicherheit Israels sahen. Sie unterstützten den US-amerikanischen Imperialismus und stellten sich während des Irakkrieges auf George Bushs Seite. Die arabischen Länder seien das neue Deutschland.

Für den Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger liegt das Kernproblem in einer "anthropologischen Anomalie" der Deutschen und der Menschen in den arabischen Bevölkerungen. Aus diesem Grund erscheint der Widerstand gegen antimuslimischen Rassismus für Antideutsche wie eine neue Form des Antisemismus. Palästinasolidarische Deutsche würden so eine Allianz zwischen "Nazienkeln" und den "neuen Antisemit*innen" darstellen.

Obwohl Antideutsche sich als Links bezeichnen, stehen sie im Widerspruch mit Linken aus anderen Ländern als Deutschland und Österreich. Ihre Ideologie ist sehr präsent in der deutschen antifaschistischen Szene. Sie sind zwar nur eine der deutschen antifaschistischen Bewegungen, ihr Einfluss überschreitet jedoch bei weitem ihre eigenen Strukturen.

Alle großen deutschen Parteien unterstützen den Staat Israel: die AfD, die FPD, die CDU die SPD, die Grünen und auch Die Linke. Die antideutsche Bewegung unterscheidet sich jedoch von ihnen, die ihre Unterstützung als "Staatsräson" betrachten, weil Antideutsche versuchen, ihre Israelsolidarität als eine antifaschistische und maxistische Position zu erklären. 

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