Bestrafungen, Gefängnisse und die Polizei

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CN: im Text ist mehrmals von Vergewaltigung die Rede

Wie sollten Menschen damit umgehen, wenn andere Grenzen überschreiten und/oder kriminell werden? Die meisten Menschen antworten darauf mit bestrafen und einsperren. Nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch unseren Köpfen gibt es diese vermeintliche Untrennbarkeit von Verbrechen und Bestrafungen und es ist schwer, sich davon zu lösen, diese gedankliche Verbindung zu hinterfragen und zu überwinden, weil es uns in unserer Kultur schon immer als logisch, zusammengehörig und alternatives präsentiert wurde. Strafe von Verbrechen zu trennen heißt Strafe nicht mehr als unausweichliche oder einzig mögliche Konsequenz von Verbrechen zu sehen und diese vorauszusetzen.

In der Realität ist es so, dass es trotz dieser Omnipräsenz viel mehr Bestrafungen als Verbrechen gibt, wobei die Definition Kriminalität nicht objektiv ist und das ist sehr wichtig, das zu verstehen. Es ist nichts „Naturgegebenes", sondern ein soziales Konstrukt, das heißt, dass sich die Definition immer je nach Zeit, Kultur und Machtverhältnissen ändert. Der Begriff der Kriminalität ist einer, der bewusst festgeschrieben und mit Bedeutung gefüllt wurde und der Interessen folgt.

Viel Kriminalität lässt sich mit sofortiger Auswirkung auflösen, indem man ganz einfach... Gesetze ändert.
Es gibt beispielsweise Menschen, die meinen, ein Argument gegen Flüchtlinge sei, dass sie öfter kriminell seien. Dabei haben sie ja mehr Verbote als der Rest der Gesellschaft.

Die Beispiele wären unendlich. Wenn man Drogen entkriminalisieren würde, weil man erkennen würde, dass das Problem als soziale Issue und nicht als strafrechtliche behandeln würde, dann würde Kriminalität auch auf „magische" Weise sinken.

Gesetze sagen nichts über Moral aus und sich richtet sich auch nicht danach, wie ich so oft auf Wattpad in Kommentaren gelesen habe. Gesetze dienen dazu, Privilegien zu schützen. Deshalb ist es beispielsweise illegal, wenn eine Person eine reiche Person aus Not beklauen würde, reiche Menschen aber ihre Arbeiter*innen im gleichen Moment ausbeuten können. Wenn wirklich um Moral und Wohlergehen gehen würde, warum werden dann diejenigen, die Menschen, die im Mittelmeer ertrinken verhaftet und bestraft und warum werden Obdachlose von leeren Häusern mit Gewalt rausgeschmissen? Auch hier sind die Beispiele endlos.

Was ich aber sagen wollte, ist dass Kriminalität oder eher das, was wir in unserem Rechtssystem darunter verstehen, wie gesagt nicht „naturgegeben" ist, sondern es wurde und wird von der herrschenden Klasse geschaffen, um Interessen durchzusetzen.

Kapitalinteressen. Denn bei Diebstahl oder Sachbeschädigung – wenn beispielsweise in einem Laden geklaut wird oder bei Protesten Scheiben eingeschlagen werden – dann werden tatsächlich dafür Menschen eingesperrt. Und ich weiß, dass sich einige denken, „na und?", weil sie es normalisiert haben, weil es ihnen schon immer so beigebracht wurde und sie daher gar nicht von alleine realisieren, wie unverhältnismäßig das ist. Und dann sagen manche noch, „oha, im Gefängnis haben sie sogar einen Fernseher! Das ist dann keine richtige Bestrafung mehr", aber heulen dann rum, dass durch Social Distancing keine Freiheit mehr haben, obwohl sie zu Hause viel mehr als einen Fernsehen haben und sich damit nicht zufrieden geben. Und dann denken sie, die Abgrenzung im Gefängnis sei an sich nicht bereits eine Strafe.
Es wird argumentiert, dass diese Abgrenzung gut sei, um Menschen zu schützen, um für Sicherheit zu sorgen und gefährliche Menschen eben abzusondern. Inwiefern ist jemand, der etwas in einem Laden klaut, gefährlich für andere und inwiefern werden Personen geschützt, wenn man sie einsperrt? Und Menschen, die bei Protesten Scheiben einschlagen, tun das überwiegend genau aus dem Grund, dass sie keine Menschen angreifen und verletzen wollen. Es geht hier nicht darum zu sagen, dass dies und jenes richtig ist, es geht darum, dass Gefängnisstrafen unpassend sind und nicht mit den Argumenten gerechtfertigt werden können, die super oft vorkommen, wie „Gefängnisse sind für Sicherheit da, damit gefährliche Menschen niemanden was antun, damit anderen Menschen geschützt werden". Es werden nicht Menschen geschützt, sondern Kapitel, daher Kapitalinteressen.
Ja, es gibt Mörder*innen und Abuser*innen und Vergewaltiger*innen, aber sie stellen nicht die Mehrheit der Leute dar, die in Gefängnissen sitzen. Und umgekehrt ist es auch so, dass ja bekanntlich nur 1% aller Vergewaltiger bestraft werden. Es ist also egal, wie rum man das dreht, wenn man bei „Gefängnisinsassen" oder auch „Kriminelle" direkt mit „schlechten" oder „gefährlichen Menschen" gleichsetzt, dann ist das nicht richtig. Es gibt auch beispielsweise Mörder*innen, die ihre Abuser*innen getötet haben, die auch da sind und das heißt nicht direkt, dass sie „gefährlich für die Gesellschaft" sind, weil nur weil sie ihre Abuser*innen getötet haben, heißt es nicht, dass sie auch irgendwelche anderen Menschen umbringen würden, sie wollten sich verteidigen. 

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