Sollte man die Polizei rufen?

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CN: Es geht in diesem Text — logischerweise — um Polizeigewalt und zwar auch detaillierter. Auch ist immer mal wieder von Vergewaltigung die Rede.

In den letzten Wochen ist sehr vieles passiert. Zugegebenermaßen habe ich mich selbst für jemanden gehalten, der nicht viel davon mitverfolgt und daher mitbekommen hat, was damit zusammenhängt, dass da wo ich mich seit Monaten befinde kein Netz ist, aber dann kam ich auf Wattpad und habe bemerkt, es gibt Leute mit weniger Ahnung von all dem, worüber gesprochen wird, als ich und sie haben anscheinend, laut eigener Aussage, grundlegende Sachen gar nicht erst mitbekommen und rätseln rum. Es ist aber natürlich nicht einfach nur Wattpad, ich würde mal sagen enorm viele Menschen, die nicht so viel im Internet rumhängen, haben auch keine Ahnung, wer George Floyd, Breonna Taylor, Elijah McClain,... sind.

Bei manchen habe ich das Gefühl, für sie wäre Polizeigewalt etwas Neues, als ob Antirassist*innen und andere Aktivist*innen nicht tagtäglich darüber berichten würden, weil jeden einzelnen Tag überall auf der Welt etwas passiert, jeden einzelnen Tag gibt es neue Videos, die auf Soziale Netzwerken viral gehen, wo Polizist*innen in Gruppen auf einzelne und unbewaffnete Menschen losgehen, Minderjährige eingeschlossen, mit Schlagstöcken schlagen, treten, misogyn, queerfeindlich, rassistisch oder in irgendeiner anderen Weise beleidigen, foltern, ohne logischen Grund erschießen, die Pfefferspray und Tränengas einsetzen (was KEINE harmlosen Waffen sind, das muss extra betont werden), die sexuell übergriffig werden, die Haustiere erschießen, weil sie während der Untersuchungen nicht still bleiben oder weil man einen Obdachlosen verhaftet und den Hund nicht mitnehmen will, behinderten Menschen die Rollstühle und Prothesen wegnehmen, auf sie einschlagen, obwohl sie eigentlich wehrlos sind, etc.

Abgesehen von diesen Videos gibt es jeden einzelnen Tag neue Berichte von Menschen, die meinen von der Polizei grundlos verhaftet worden zu sein, von insbesondere nicht-weißen Menschen, die grundlos zu Hause besucht wurden und dort von mehreren Polizist*innen geschlagen wurden, Schwangere, alte Menschen und Kinder eingeschlossen, die ins Krankenhaus mussten, die Augen, Hände und Beine verloren haben, die von Polizisten vergewaltigt wurden (und zwar kommen diese Berichte sehr oft auch von Männern), die berichten schon als Kind belästigt und mit rassistischen Slurs angesprochen worden zu sein, Frauen die schon als kleine Mädchen von männlichen Polizisten gecatcalled wurden, die als sie sich in einer psychischen Krise befunden haben und Außenstehende die Polizei gerufen haben, weil sie dachten man sollte das so machen, eigentlich nur verhaftet wurden, statt tatsächlich Hilfe zu bekommen, Leute, die nicht nur gezwungen wurden, ihr Kopftuch auszuziehen, sondern auch ganz, damit man schaut, ob unter der Kleidung denn keine Waffen zu finden sind, und vieles mehr.

Es gibt ab und zu mal auch Berichte von Ex-Polizist*innen, die erklären, wieso sie diesen Berufswunsch aufgegeben haben; Gründe, die regelmäßig vorkommen, sind: „Ich habe den Rassismus nicht mehr ausgehalten", „Man bekommt dort Rassismus aktiv beigebracht", „Ich fand es schon immer sinnlos, Menschen in Situationen zu verhaften, wo es eigentlich gar nicht notwendig war", etc.

Es gibt auch Ex-Polizist*innen, die ganz einfach gefeuert wurden, weil sie Vorgesetzte nicht decken wollten, weil sie ihr Verhalten kritisiert haben, weil sie Polizeigewalt versucht haben zu verhindern, usw. 

Auch gibt es immer mal wieder Artikel darüber, wie Chats aus WhatsApp-Gruppen, E-Mails, geschlossene Facebook-Gruppen von Polizist*innen, wo sie sich darüber unterhalten, wie sehr sie queere Menschen, migrantische Jugendliche und nicht-weiße Menschen im Allgemeinen, Demonstratinnen auf feministische Demos, usw. verachten, und wie sie sie am besten vergewaltigen und/oder auslöschen.

Wie gesagt, täglich passiert es und es ist kein Thema, das ganz plötzlich da ist. Wenn man bisher nichts von Polizeigewalt mitbekommen hat, dann liegt — zwar nicht nur, aber zum größten Teil — daran, dass man sich nicht für das Thema interessiert und da ist man ganz einfach selbst Teil des Problems.

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