Kurze Kritik am Skeptizismus

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Als ich damals angefangen habe, mich mit Skeptizismus auseinanderzusetzen, fand ich diese Methode genial und so ist es eigentlich immer noch. Allerdings gibt es Grenzen. Ich habe mich natürlich schon immer gefragt, ob man auch dem Skeptizismus gegenüber skeptisch sein sollte und nach all den Internet-Begegnungen mit anderen Skeptiker'innen sage ich: Ja, definitiv.

Meines Erachtens ist das erste Problem schon, dass Skeptizismus zu einer extrem formalistischen Denkweise führt. Zum Beispiel: „Man sollte rein sachlich diskutieren und sich nicht aufregen", „Rede nicht lauter, argumentiere nur besser", etc. Das führt wiederum dazu, dass Machtverhältnisse ignoriert werden und es verhindert, dass gesehen wird, dass es für Menschen in privilegierten Positionen einfacher ist, sich nicht aufzuregen.

Es gibt auch die Aspekte „Meinungsfreiheit für alle", „es ist egal, wer was sagt, weil nur der Inhalt zählt" oder die „Aufforderung zur Diskussion", die oft als Vorwand von denjenigen verwendet werden, die sich wünschen, dass nach ihren Kriterien debattiert wird: Wann sie wollen, mit wem sie wollen, wie lange sie wollen, etc.

Skeptizismus tritt an mehreren Stellen mit dem Feminismus in Konflikt. Man muss aber auch dazu sagen, dass es auf jeden Fall eine männerdominierte Disziplin ist und Frauenperspektiven somit fehlen.

Viele Internet-Skeptiker'innen machen gegenüber Feminist'innen das, was sie unter sich als „Aufforderung zur Pädagogik" bezeichnen: Niemand hat die Pflicht, die emotionale Arbeit zu leisten, die eigene Unterdrückung oder die eigenen Traumata mit einem Lächeln oder überhaupt zu erklären — vorallem unbezahlt.

Aber sogar die Art und Weise, wie diese Listen an kognitiven Verzerrungen verwendet werden, die ich an sich eigentlich ganz nützlich finde, stellen für mich ein Problem dar: Sie werden lediglich als Fehler aufgezeigt, die es zu beheben gilt oder als Vorwand genommen, sich dem Gegenüber überlegen zu fühlen, ohne sich für seine soziale Wirklichkeit zu interessieren.

Zum Beispiel wird sich innerhalb dieser Community regelmäßig über Menschen lustig gemacht, die sich homöopathisch behandeln lassen. Dabei wird nicht ansatzweise berücksichtigt, was diese Menschen dazu bringt, daran zu glauben.

Das Gesundheitssystem diskriminiert Menschen. Folglich suchen sich Menschen Alternativen. Es ist cissexistisch, frauenfeindlich, ableistisch, rassistisch und mehr. Das ist das und nicht Homöopathie, was dazu führt, dass ihm nicht mehr vertraut wird.

Der letzte Punkt in diesem Text könnte auch an einige Anarchist'innen gerichtet werden, wobei es da im Gegensatz zum Skeptizismus innerhalb der Bewegung Kritik gibt.
Und zwar geht es um den Antitheismus.

Das Problem für mich ist nicht, dass sie Religionen schlecht finden und nicht das Kritisieren der Religionen an sich — auf keinen Fall, weil da gehe ich auch mit. Was mich stört, ist dass ignoriert wird, dass Menschen aufgrund ihrer (manchmal nur vermeintlichen) Religionszugehörigkeit unterdrückt und umgebracht werden.
Somit hat es nicht die gleiche Auswirkung, je nachdem, was der soziale und politische Kontext ist, ob regelmäßig das Christentum, der Islam, das Judentum oder der Buddhismus kritisiert wird.

„Islamkritiker'in" steht manchmal in ihren Beschreibungen und sie denken, man könne ihnen nichts, da sie nur was gegen die Ideologie und nicht die Menschen haben. Aber sie ernähren rechte Ideologien und die Machtverhältnisse werden nie beachtet. Religionskritik sollte nicht als Machtinstrument verwendet werden, um Herrschaftsverhältnisse zu rechtfertigen, wenn doch der Hauptpunkt der Religionskritik doch ist, dass sie als Machtinstrument verwendet wird, um Herrschaftsverhältnisse zu rechtfertigen.

Außerdem scheinen sie die Heiligen Schriften wie Fundamentalist'innen zu lesen, das heißt ohne Ahnung über die Geschichte der Texte oder der religiösen Hermeneutik.

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