· Kapitel 02 ·

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  Ich schlug meine Augen auf und schrie. Habe ich das etwa nur geträumt? Verwirrt schaute ich meine Umgebung an. Was war hier los? Um mir herum liefen Rettungssanitäter und Blaulichter blendeten meine Augen.

  Da stand unser Auto. Mitten auf der Straße stand unser Auto. Das Auto stand auf dem Kopf. Und da war noch ein anderes Auto, ein LKW um genau zu sein, der schräg dort stand.

  Wir wollten doch zum Flughafen fahren, warum steh ich dann hier draußen? Neben mir liefen Rettungsleute zu einer Person, die auf dem Boden lag. Hoben sie in einen schwarzen Beutel, in denen sie in den Filmen immer die Leichen verstauten. Außerdem stand da noch ein Mann in einem schwarzen Anzug und machte Notizen.

  Warte.

  Was?

  Erschrocken lief ich zu der Menge hin, doch ich spürte den Boden nicht unter mir. Ich bewegte mich aber trotzdem. Komisch.

  Den Menschen störte es nicht, dass ich zu ihnen kam und hielten mich nicht auf. Bevor sie den Reißverschluss des schwarzen Beutels zugemacht hatten, erkannte ich die Person in den Beutel. Ihr ganzes Gesicht war voller Blut, nur vereinzelt sah man noch ihren eigentlichen Hautton an ein paar Stellen durchblicken.

  Es war meine Mum.

  Ich brach zusammen. Das war einfach zu viel. Was ist hier nur los?

  Heulend schaute ich mich wieder um und versuchte aufzustehen, um zu unserem Auto zu kommen, doch etwas anderes erregte meine Aufmerksamkeit: Menschen. Menschen die mit ihrer Kamera dort standen und Fotos machten. Sie machten Fotos von unserem Auto, dass auf dem Kopf stand, mitten auf der Autobahn. Was ist mit denen nur falsch?

  Die Wut trieb mir wieder etwas Kraft in den Körper und ich konnte aufstehen. Das ist doch das Allerletzte!

  »Habt ihr nichts Besseres zu tun?!« schrie ich und rannte auf sie zu und sie schauten geschockt in meine Richtung. »Ja, ich rede mit euch ihr Vollpfosten! Hier kämpfen welche um ihr Leben und ihr fotografiert das?! Wo ist euer Gehirn?! Wahrscheinlich habt ihr gar keins! Ihr Arschlöcher!« schrie ich wütend und jetzt kamen auf Polizisten, die die Personen wegschickten. Na geht doch. »Das hättet ihr auch schon früher machen können!« motzte ich sie an. Sie schauten aber nur traurig in meine Richtung.

  Nein, sie schauten durch mich hindurch.

  Langsam drehte ich mich um, um zu sehen, was denn so Wichtiges hinter mir war, dass sie mich ignorierten. Doch was ich sah, lies mein Herz nur noch schneller schlagen.

  Da lag ich.

  Aber ich bin doch hier? Was mache ich dann da drüben?

  »Ich kann einen Puls spüren!« schrie auf einmal eine der Rettungssanitäter neben mir und 5 weitere rannten zu ihm. Und auch ich lief zu mir. Das hört sich ja bescheuert an.

  Der eine Sanitäter holte eine Schere und schnitt damit mein T-Shirt auf, um die Klebeelektroden des Defibrillator an mir zu befestigen. Zum Glück habe ich nicht einen hässlichen BH angezogen. Warte, was denke ich da? Ist doch egal, was ich anhabe, so lange ich lebe! Während sie mir gerade versuchten das Leben zu retten, betrachtete ich mich genauer.

  Meine braunen Haare waren fast rot und mein Kopf war voller Blut, genauso wie meine Klamotten. Zumindest die, die ich noch an hatte. Mein einer Arm war komisch verdreht, wahrscheinlich hatte ich ihn ausgekugelt. Außerdem sahen mehrere Rippen gebrochen aus. Nicht das ich wüsste, wie gebrochene Rippen aussahen, aber mein Körper sah definitiv nicht gesund aus.

  Auf einmal stand der gutaussehende Mann im Anzug neben mir und schrieb wieder etwas in seinen Notizblock. »Riley Cordes, gestorben um 11:0...« murmelte er vor sich her. Bitte was?

  »Ich bin nicht tot!« beschwerte ich mich bei ihm. »Das können sie doch nicht schreiben!« motzte ich weiter und riss ihm sein Notizblock aus der Hand. Er hatte es noch nicht ganz fertig geschrieben, doch wie es aussah, stand auf jeder Seite, der Name einer Person, sein Alter und die Todeszeit. Wütend riss ich den Zettel mit meinem Namen heraus und las den Nächsten der dastand.

  Janus Cordes.

  Mein Bruder ist tot?

  Entsetzt lies ich das Notizbuch fallen und starrte den Mann in schwarz an, der mich genervt musterte. Ich rannte zum Auto und da lag er noch. Es sah wirklich nicht mehr lebendig aus. Ein paar Sanitäter gaben sich Mühe hin herauszuholen, doch sie ließen sich Zeit. Sie wussten, dass es schon gestorben war.

  Auch an der Fahrerseite holten sie einen Mann heraus, der auch nicht mehr lebendig aussah. Eine riesige Scherbe ragte aus seinem Hals. Seine Luft Ader war zertrennt worden.

  Mein Vater ist tot.

  Alle sind tot.

  »So schnell kann eine ganze Familie sterben, was? Dabei hätte das Mädchen und die Mutter sicher überlebt, wenn die Autofahrer nicht mal wieder zu blöd dafür wären eine Rettungsgasse zu bilden« schnaubte der eine Rettungssanitäter zu seiner Kollegin, die traurig nickte.

  Warum passiert das hier? Warum kann ich nicht aufwachen? Wir wollen doch nur in den Urlaub! Wir verpassen noch unseren Flug! Was ist hier los?!

  »Hey, bist du Riley?« sprach mich einer von der Seite an und ich drehte mich zu der Person. Es war den Mann im Anzug.

  »Ja, aber wer sind Sie?« fragte ich ihn mit brüchiger Stimme. Wieder musterte er mich so komisch. »Ich hasse Leute wie dich, du machst meine Arbeit nur schwieriger. Ich bin der Tot, so nennt ihr mich doch, oder? Oder Schnitter, Sensenmann, Grim Reaper, wie du willst, ist mir egal« antwortete er auf meine Frage.

  »Okay, ähm, Reaper. Ich habe gerade keine große Lust mit dir zu sprechen. Meine Familie ist nämlich tot, falls es dir noch nicht aufgefallen ist« zischte ich ihn an, woraufhin er nur die Augen verdrehte. »Lass es mich kurz machen, Riley Cordes, ich habe noch besseres zu tun. Willst du sterben?« fragte er mich ohne zu zögern und zückte seinen Stift, während er mich erwartungsvoll anschaute.

  »Nein! Natürlich nicht!« reagierte ich, wie wohl jeder Mensch reagieren würde.

  »Oder doch?« fragte ich dann doch etwas skeptisch. »Das weiß ich doch nicht, das ist deine Entscheidung« murmelte er und schrieb etwas auf. »Aber ich weiß es nicht« gab ich offen zu und lief wieder zurück zu mir. Also das Ich, das auf dem Boden um sein Leben kämpfte.

  »Okay, hör zu, ich kann nicht ewig hier herumstehen. Ich gebe dir einen Monat, dann komm ich wieder und entweder willst du sterben oder nicht, deine Entscheidung« schrieb er weiter irgendwas auf seine Zettel und nickte mir zu, bis ihn auf einmal eine schwarze Säule einhüllt und ihn mit sich nahm.

  Das ist doch alles viel zu unreal! Ich habe gerade mit den Tod gesprochen! Der viel zu gut aussah! Das muss ein Traum sein.

  »Ich habe den Puls! Sie ist stabil. Zumindest für eine Weile« rief plötzlich der Rettungssanitäter vor mir und ich zuckt erschrocken zusammen.

  Ich war ganz sicher nicht stabil. Ich war ein wandelndes Wrack.

Call of HellWhere stories live. Discover now