· Kapitel 11 ·

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  »Was ist hier los?« verwirrt schaute mich die Oberschwester an. »Frau Cordes! Sie sind wach? Was machen sie denn schon auf den Beinen? Sie sollten noch gar nicht in der Lage sein hier herumzulaufen! Sie waren einen Monat im Koma, was ist denn nur mit den Patienten hier los? Erst spaziert Finn hier einfach herum, als wäre er nicht 2 Wochen hier im Krankenhaus gelegen und jetzt Sie! Das geht doch nicht mit rechten Dingen hier zu. Ab ins Bett mit dir« reagierte die Oberschwester, die gerade hereinkam, mal wieder total über, doch das ignorierte ich herzlich.

  Seufzend wendete ich mich wieder Mario zu, der mich mit großen Augen anstarrte. »Ich hoffe Sie treffen die richtige Entscheidung« lächelte ich ihn zu.

  »Sie lagen tatsächlich im Koma? Und meine Maria...« perplex schaute er wieder zu der schlafenden Maria und redete weiter, was ich aber kaum mitbekam, da ich merkte wie mir schlechter wurde und die Sicht immer trüber. Nicht gut.

  »Riley! Du bist wach! Und unterwegs? Was machst du hier? Du musst in dein Bett!« stand plötzlich Alex und Mia in der Eingangstüre.

  »Ah, Alex, gut, dass du da bist. Ich zahle die Krankenhausrechnung von Maria, kannst du die Papiere herrichten?« fragte ich ihn, der mich anschaute, als wäre ich total durchgeknallt. »Ja, natürlich, wenn du das willst, abe- Riley!« hörte ich ihn noch meinen Namen rufen, bevor mir vollkommen schwarz wurde und ich auf irgendetwas fiel. Irgendetwas hartem. Wahrscheinlich auf den Boden.

  Ich fühle mich komisch. Nicht komisch in dem Sinne, dass ich gleich sterben würde, eher komisch im Sinne, dass ich zwischen zwei Welten steckte. Der reellen Welt und der Seelenwelt. Immer wieder hörte ich Mia und Alex reden, dann aber erkannte ich die Stimme von Marie, die versuchte mir etwas zu sagen. Aber immerhin konnte ich den Tod nicht hören, was bedeutete, dass er möglicherweise gar nicht mitbekommen hat, dass ich den Vertrag gebrochen habe. Eher unwahrscheinlich, aber möglich.

  Immerhin erkannte ich nun, was Maria mir versucht zu sagen. Sie bedankt sich bei mir. Immer und immer wieder. Und sie sagt, dass ich gefälligst aufwachen soll, weil Mia und Alex sich Sorgen machten und weil Mileys Familie mit mir reden wollten, aber die Schwester lässt sie nicht zu mir.

  Was Mia und Alex redeten, verstand ich nicht. Ich versuchte es wirklich, doch ich schaffte es nicht und wollte aber nicht aufgeben. Ich hatte das Gefühl, dass, wenn ich jetzt versage, ich nie wieder aufwachen würde. Dass ich sterben würde.

  Aber warum will ich Leben?

  Ich habe Sinas Worte an Miley ausgerichtet. Ich habe ihr alles gesagt, was Sina ihr sagen wollte und sogar noch ein paar Dinge hinzugedichtet. Ich habe mit Mario gesprochen und bin mir sicher, dass er sich dafür entschieden hatte, die Maschinen abzustellen. Sonst hätte sich Maria nicht bei mir bedankt.

  Daher habe ich doch alles erreicht, was ich auch erreichen wollte. Warum also will ich leben? Als ich vorhin aufwachte, hat es mich innerlich zerrissen, dass ich meine Eltern und meinen Bruder nicht mehr bei mir haben werde. Wieso sollte ich mir diese Schmerzen nochmal antun. Da, wo ich jetzt bin, da ist es schön. Ich fühle keine Schmerzen und ich könnte zu meiner Familie. Was will man mehr? Für mich gibt es keinen Grund aufzuwachen.

  »Riley!« erschrocken schaute ich auf. Ich war wieder eine Seele.

  »Was machst du hier?! Ich sagte doch, dass du aufwachen sollst!« schimpfte Maria mit mir. »Ich sehe aber keinen Sinn dahinter. Meine Eltern sind tot, meine Mutter schmort sogar in der Hölle! Ich habe keine Lust mit den Gedanken weiterzuleben! Ich habe kein Interesse daran, überhaupt zu leben!« verteidigte ich mich.

  Und dann schlug sie mir ins Gesicht.

  »Wa-Wofür war das denn!« »Riley! Mach die Augen auf! Was kommt nach dem Tod? Weißt du das? Nein! Du kommst in den Himmel oder in die Hölle, oder vielleicht kommst du ja nirgendswo hin. Vielleicht wirst du ja wiedergeboren. Schließ ab mit dem was war, sei glücklich über das, was kommt! Das Leben ist schön, ich konnte es selbst erfahren. Von einfach war nie die Rede! Du musst da durch, aber du hast die Wahl, ob du es lächelnd oder jammernd machst. Habe keine Angst etwas Neues anzufangen! Neue Erfahrungen zu machen – ohne deiner Familie. Denk daran, Amateure haben die Arche gebaut und Profis die Titanic! Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzten. Es ist schwer nach vorne zu schauen, wenn alles was dir wichtig war hinter dir liegt, aber verlass dich auf dein Herz. Es schlug schon bevor du denken konntest. Es gibt so viele Menschen, die nicht entscheiden konnten. Die sterben mussten, ohne, dass sie sich von jemanden verabschieden konnten. Sie hatten nie ihren ersten Kuss, waren vielleicht nicht mal so alt, dass sie in die Schule konnten! Denk doch mal an Sina! Sie wollte, dass du bei ihrer Schwester bleibst, dass du ihr hilfst. Sie konnte nicht entscheiden! Sie konnte nicht leben, hatte nicht einmal eine Kindheit.«

Call of HellWhere stories live. Discover now