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Kapitel 21

„Wie bitte?", schrie ich empört auf und trat ein Schritt nach hinten. Nael rollte genervt die Augen und atmete laut aus. „Eine scheiß Übergabe. Tu nicht so, als hätte ich einen Mord verlangt" Dieser emotionslose und kalte Blick von Nael machte mich bloß wütender.

Kombiniert mit seinen Aussagen entfachte das ein brodelndes Feuer in mir aus. „Soweit kommt's sicher noch", antwortete ich energisch und warf meine Arme verzweifelt und aufgebracht hoch.

Nael schloss die Augen und schien sich zu kontrollieren. "Ich verliere noch die Nerven" Wurde ich ihm zu anstrengend? Ich könnte mir vorstellen, dass ich zu einer seiner größten Herausforderungen wurde, doch ich hatte mir das nicht ausgesucht.

Er war es, der mich mitgenommen hatte. „Du und deine frechen Sprüche. Du hast gar keine Wahl, Milana. Wenn du dabei nicht sterben möchtest, hörst du mir jetzt zu."

Okay, Milana. Er hat recht, denn du hast keine Wahl. Das ist wohl oder übel dein Schicksal und so lange du dich widerstrebst, wird es nicht einfacher. Wer weiß, vielleicht findest du einen Weg sein Vertrauen zu gewinnen und dann zu fliehen? Mit dieser Art wird er dich definitiv nicht lange am Leben lassen, so viel ist klar.

Ich wurde mittlerweile so verrückt, dass ich mit mir selbst Gespräche führte, da ich sonst niemanden hatte, mit dem ich diese Dinge besprechen konnte. Auch wenn Cassandra meine Freundschaft nicht verdient hatte, fehlte sie mir in diesem Moment unendlich.

„Ich höre dir zu", sprach ich dann zitternd, trotzdem mit einer Unsicherheit in der Stimme. „Der Mann, der die Ware abholen wird, wird mit Sicherheit sehr angsteinflößend aussehen. Solange du nicht, wie sonst immer, frech wirst, wird er dir nichts tun. Er hat ein Tattoo am Hals. Sobald du es siehst, streckst du deine Hand raus" Soweit hatte ich alles verstanden. „Das Geld legt er auf deiner Hand ab. Du übergibst die Tasche und drehst dich nicht als Erstes um"

Ich zog die Augenbrauen verwirrt zusammen. „Wieso nicht?", musste ich neugierig fragen. Wenn ich das schon tue, dann doch mit etwas Ahnung. „Stell nicht so viele Fragen" Die Wut stand ihm ins Gesicht geschrieben.

„Wann soll das alles passieren?", war gleich darauf meine nächste Frage.

„In drei Tagen"

Ich wünschte, ich würde ihn hässlich, ekelhaft und anwidernd finden. Doch allein die Art, wie stolz, mutig und tapfer er sich bewegt und redet, lässt den Hass in mir nicht zu.

Ich verabscheue seinen Charakter und die Art, wie er mit mir umgeht. Doch, wieso hier in der Halle die Männer Angst und gleichzeitig Respekt und die Frauen Anziehung ihm gegenüber empfinden, kann ich nachvollziehen.

Leider. Und so sollte es nicht sein. Der Mann ist ein krimineller, herzloser und dazu noch eiskalter Bandit, der sich das Recht nimmt, zu entscheiden, ob und wann ein Menschen sterben und leben sollten.

Ich frage mich bloß, wieso er mich noch nicht umgebracht hatte.

Innerhalb dieser zwei Tage war viel passiert. Nael hatte mich in einem getönten Van in eine kleine Wohnung gebracht, was mich wunderte, denn er konnte sich definitiv viel mehr leisten.

Ich stellte ihm viele Fragen, doch bekam nur auf die wenigsten eine kurze Antwort.

Daraufhin verlies er die Wohnung und vergaß leider nicht die Tür verdammte drei Male abzuschließen. Langsam hatte ich gedacht, diese Phase hatten wir hinter uns gebracht.

Diese Phase, wo er dachte, dass ich immer noch abhauen wollte und ich mich so verhielt, als würde ich gerade das niemals tun würde, doch im Endeffekt werde ich es tun, sobald er mir vertraut. Scheinbar werde ich hier noch etwas länger drinnen bleiben, als gedacht.

Und so peinlich und ärgerlich es ist, fange ich an mich bei Nael wohl und sicher zu fühlen. Was mit Sicherheit daran liegt, dass der Rest, z.b. Bronco, mir nur Schlechtes wollte.

Und Nael? Ach, das war eine Sache, die man eben nicht erklären kann.

So saß ich also den ganzen Tag auf der Couch und schaute spanisches Fernsehen. Irgendwann bekam ich Kopfschmerzen von einer dramatischen Serie, bei der nur noch grässlichst geweint wurde.

Ich bereute es geschaut zu haben, in dem Moment als eine Welle der Trauer meinen Körper durchzuckte und ich an meine Familie erinnerte. Ich fing unwillkürlich an zu Zittern und scheute mich nicht davor den Tränen freien Lauf zu lassen, denn in dieser Wohnung war sonst niemand.

Mein Kopf dröhnte und mein Hals schmerzte, denn ich schmeckte einen bitteren Geschmack im Mund, der wie Säure meinen Hals zum Brennen brachte. Ich versuchte zu schlucken, doch das aufkommende Schluchzen hielt mich davon ab. Ich schrie mir die Seele aus dem Leib und krallte mich an der Couch fest. So etwas hatte niemand verdient.

Was sie wohl ohne mich machen? Vermissen sie mich, so sehr, wie ich sie vermisse? Hatte ich das alles vielleicht doch verdient? Aber wieso? Durch meinen Anfall schien ich scheinbar nicht gehört zu haben, wie jemand die Tür öffnete. Den Kopf hatte ich auf meine Hände abgelegt, die ich auf meinem Schoß abgestützt hatte.

Immer noch weinte ich und langsam lies mich der bittere Geschmack in meinem Mund würgen. Doch dann nahm ich eine Gestalt aus dem Augenwinkel wahr und hoffte, dass es Nael war. Mein dummes Ich wollte den Mann in meiner Nähe haben, der doch für all mein Leid zuständig war. Ich hasste mich selbst dafür.

Für dieses Verlangen und diese Naivität, zu glauben, dass er doch wohlmöglich ein guter Mensch ist. Wieso glaube ich das? Weil er mir bis jetzt noch nie weh getan hatte, vielleicht? Dieser Mann hatte ein Herz, da war ich mir sicher. Ich wünschte nur, er würde mir endlich erlauben, es zu sehen.

Ich hob vorsichtig den Blick. Da geschah es, mal wieder. Naels dunklen Augen blickten zu mir und ich versuchte zu verstehen, wie er sich gerade fühlte, in diesem Moment.

Hatte er Mitleid? Wie an dem Abend, als wir Hand in Hand aus der Halle rausgerannt sind und er mit einem Blick über die Schulter mir so viel versucht hat zu sagen. In seinem Blick konnte ich so viel ablesen, dass es fast schon weh wat. Unter anderem, dass es ihm leid tut.

Oder hatte ich mir das vielleicht nur eingebildet, weil ich es mir so erhoffte?

GANGSTER OF THE STREETSWhere stories live. Discover now