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Kapitel 25

Benebelt und nicht bei klarem Verstand lief ich die Straße neben einer Hauptstraße entlang.

Ich kannte die Stadt, in der die Wohnung war, die ich verlassen hatte und wusste deshalb den Weg nach Hause. Es war nicht weit weg. Hatte Nael möglicherweise geplant mich gehen zu lassen?

Die Übergabe, die auf diesen Tag verlegt wurde, mussten sie jetzt wohl alleine überstehen. Endlich konnte ich flüchten und trotzdem dachte ich, wie ein Teil der Halle, an ihre kriminellen Machenschaften? Das war doch kompletter Bullshit.

Ob er sich jetzt einen neuen Joker für die Akte suchen würde? Wird er mich schnell vergessen und einen guten Ersatz finden?

Zu viele Fragen, die es nicht mehr wert waren beantwortet zu werden, schwirrten in meinem Kopf. Das Kapitel mit Nael war in dem Moment beendet, als er mich aufforderte, zu gehen.

Es hatte sich nicht angefühlt, als hätte er mich gefangen gehalten oder dazu genötigt, da zu bleiben. Nicht mehr. Das Adrenalin und die Aufregung, die ich spürte, da ich solch eine Kette von Morden und kriminellen Taten noch nie so nah miterlebt hatte, lies mich nur wenige Sekunden an eine Flucht denken.

Da war ich. Vor meinem Zuhause. Es sah genau so aus, wie vor der Zeit mit Nael. Wie lange war ich weg? Ich hatte mein komplettes Zeitgefühl verloren. Mein Handy, meine Uhr und mein Computer, das alles, hatte ich in meinem Zimmer gelassen. Das lag daran, dass ich an diesem besagten Abend nicht damit gerechnet hatte, weg zu bleiben.

War die Stadt ärmer geworden? Hatte der Bäcker wieder genug Kundschaft, so dass er nebenbei nicht noch auf dem Bau arbeiten musste?

Hatte die Bank die Stadt und die Menschen, die nach Krediten verlangten, um sich die Dinge von weiter weg leisten zu können, weil unsere Stadt nichts mehr zu bieten hatte, dank Naels organisierten Räuben, wieder unter Kontrolle?

Ich klopfte. Niemand öffnete die Tür. Also lief ich um unser Haus herum zur Veranda.

Da traf es mich. Meine Mutter saß zusammengekauert auf dem beigen Stuhl. In der linken Hand hielt sie ein Taschentuch fest, während ihre rechte Hand zitternd in einem Fotoalbum blätterte und sanft über einzelne Bilder strich. Ein Blick auf das Fotoalbum reichte, um zu wissen wessen Bilder sich meine Mutter anschaute.

Mama.", flüsterte ich. Erst schaute sie vom Fotoalbum auf, doch nicht zu mir, sondern gerade aus. Als könnte sie nicht fassen, wessen Stimme sie hörte. War es denn so unrealistisch, dass ich zurückkehrte? Hatte sie die Hoffnung schon aufgegeben?

Ich trat ein Schritt auf sie zu. Mit einem Aufschrei stand sie auf und hielt sich die Hand zitternd vor den Mund. „Milana.", flüsterte sie, genauso leise wie ich, bevor sie auf mich zulief.

Ihre Umarmung brachte mich zum bitterlichen Weinen, bis ich keine Luft mehr zu Atmen bekam. Meine Mutter. Die Frau, die mich immer geliebt und geschützt hatte.

Sie nahm mein Gesicht in die Hand und schaute es sich an. Ja, ich bin es. „Du bist zurück." Ich nickte. „Wo warst du?"

Wo warst du, Milana? Antworte deiner Mutter. Oder decke den Kriminellen.

Verflucht seist du Nael.

Es waren zwei Wochen vergangen, seit ich wieder daheim war. Meinen Eltern, so wie der Polizei und jeder anderen Person, die mich nach dem gefragt hat, was passiert ist, log ich eine Geschichte vor.

Angeblich hätte mich der Kriminelle, dessen Name ich natürlich nicht kannte, in einem Wagen außerhalb der Stadt festgehalten. Als sie mich fragten, wie ich überlebt hatte, musste ich fast lachen. Das fragte ich mich nämlich auch. Doch ich antwortete, dass ich trotzdem ab und an, etwas zum Essen bekam, was wiederum der Wahrheit entsprach.

In den Momenten, wo Nael für kurze Zeit weg war, legte mir Muran, der Junge, der Nael zu dem unheimlichen und angsteinflössenden Mann rief, ein Teller mit verschiedenen Gerichten hin. Es reichte aus, um nicht vor Hunger zu sterben. Mich fragte ja niemand, nach meinem Geschmack, also aß ich das, was mir vor die Nase gelegt wurde. Jetzt, wo ich so drüber nachdachte, kam ich mir vor, wie ein Hund.

Ich ging wie üblich wieder zur Universität, doch bemerkte manchmal, wie ich statt dem Thema zu folgen, an das dachte, was Nael mir über die Leute in der Stadt erzählt hatte. Dass er Informationen über sie hatte, die sie versuchten zu verstecken. Aber dann erinnerte ich mich daran, dass Kriminelle, wie er, alles sagen würden, um ihre Opfer auf ihre Seite zu ziehen. Doch so läuft das nicht bei mir.

In der Uni war ich alleine unterwegs, hatte mich von jedem distanziert. Meine ehemalige beste Freundin traute sich seit der Ansage nicht einmal mehr mir ins Gesicht zu schauen, geschweige den zu fragen, wo ich denn die letzte Zeit war.  Wir haben zwar keinen Kontakt mehr, doch man kann sich doch mal erkunden, oder? Wobei es ja auch gute Seiten hat, denn so musste ich nicht noch einmal die billige Lüge erzählen.

Das einzig Komische, an der ganzen Sache ist, dass seit ich wieder daheim war, kein einziges Mal mehr, Nael zugeschlagen hatte. Die Stadt wurde endlich wieder lebendiger. Zum Glück mussten wir nicht mehr auf jeden Cent achten und uns drei Mal überlegen, ob wir uns es nun leisten konnten oder nicht. Aber so einfach konnte das einfach nicht sein.

Niemals gab Nael einfach so auf, denn ich weiß, dass er noch brutaler werden kann und die Stadt komplett in den Ruin treiben könnte, wenn er wollen würde.

GANGSTER OF THE STREETSWhere stories live. Discover now