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Kapitel 23

Mit einem einzigen Schritt zurück entfernte er sich und verursachte damit eine unangenehme kalte Gänsehaut. Sind wir wieder Fremde? Verschließt er sich nun wieder?

„Du wirst hier sicher sein.", sprach er und blickte sich in dem schlicht eingerichteten Raum um. Scheinbar sollte das ein Wohnzimmer sein.

Leicht nickte ich den Kopf. Zu benebelt war ich von der Situation, die mein Inneres und mein Empfinden verwirrt hatte.

„Wirst du gehen?", fragte ich und suchte seinen Blick. Er nickte mit dem Kopf, was die Frage bejahte. Enttäuscht ließ ich meine Schultern leicht hängen. Alleine sein gehörte nicht zu meinen Lieblingsaktivitäten, doch so lange man bei Nael ist, wurde nicht sonderlich auf die Bedürfnisse geachtet.

Doch er blickte mich eine Weile zu lang mit diesen braunen angsteinflößenden, gleichzeitig warmen Augen an und brachte mich zum reden.

„Bleib' doch noch ein wenig.", schlug ich vor und wollte mich im selben Moment blutig schlagen, auf Grund meiner Naivität. Wie konnte ich sowas vorschlagen? Wo blieb mein Stolz von früher? Was hatte er nur für ein schwaches Schaf aus mir gemacht?

Verdammte Scheiße, früher hätte ich sie ausgelacht, wenn sie meinten, ich sei naiv, denn ich war nicht die Frau, die an das Gute im Menschen glaubte und vor allem dran hoffte.

Was war nur aus mir geworden? Ich erschoss einen Menschen, ohne mit der Wimper zu zucken und gleichzeitig hasste ich den Menschen, für den ich es tat, dessen Nähe ich hinzufügend genoss. Wie absurd das doch war.

Ohne Zweifel daran, dass Nael mich entnervt anblicken und dann ohne eine Antwort davon gehen würde, drehte ich mich hoffnungslos zurück zur Couch und lies mich auf ihr nieder.

Doch offenbar schien sich Nael genau diesen Tag ausgedacht zu haben, mich zu beeindrucken, denn wenige Sekunden später, spürte ich ihn neben mir. Unsere Beine berührten sich nur ganz leicht, doch trotzdem spürte ich das schnelle Schlagen meines Herzens. Als ich meinen Kopf zu ihm drehte, erhaschte ich seinen Blick.

„Du bleibst?", fragte ich mit, meiner Meinung nach zu viel, Hoffnung in der Stimme.

Zweifelsohne konnte ich das leichte Zucken an seinem Mundwinkel wahrnehmen. Scheinbar hatte Nael heute einen guten Tag.

Mach dir nicht so viel Kopf um die unwichtigen Dinge in deinem Leben, sagte meine Mutter einst mal zu mir. Denn ich kämpfte dagegen an eins der Mädchen zu sein, die ohne Zweifel und Widerstand, alles so akzeptierten, wie es war.

Doch als ich mich auf den Boden setzte, weil die Couchlehne ungemütlich wurde, wenige Sekunden später, Nael dicht neben mir spürte und wir gemeinsam die lächerlich dramatische Serie ansahen, unsere Hände so nah beieinander waren, so dass man die Spannung möglichst schnell greifen und fest halten wollte, genau in diesem Moment, da sollte mir bewusst werden, dass ich einigermaßen den Moment so hingenommen hatte, wie er schien. Und zugegebenermaßen fühlte ich mich gut.

„Du denkst zu viel nach."

In den Büchern, in denen ich las, meist schnulzige Liebesromane, fragte der Mann, an was die Frau dachte. Nicht, dass sie zu viel dachte. Doch Nael war offenbar fraglos keins der üblichen Standardmänner, die wir in gewisser Weise in jedem Liebesroman beschrieben bekamen.

Relativ entspannt zuckte ich mit den Schultern. „Nachzudenken schadet nicht.", antwortete ich und lächelte leicht. So konnte ich mein Gehirn auf trab halten und musste mir gleichzeitig nicht diese öde Drama Folge anschauen.

„Unsinnige Gedanken schon." Keinesfalls sagte Nael das ohne Absicht. Das tat dieser viel zu intelligente Mann ohnehin nie. Alles, was er von sich gab, war bedacht, denn seine Aussagen hatten immer ein Ziel. Woher will er denn wissen, an was ich denke? Letztendlich wurde es mir mit einem Mal klar. „Denkst du, ich denke an meine Flucht?"
Er lachte kurz auf und ein arroganter Ausdruck nahm sein Gesicht ein. „Ich lag also richtig mit meiner Annahme.", antwortete er. Ich haute ihm gegen den Oberarm. „Selbst nach dem, was vorhin passiert ist,-„

Unhöflich wie Nael nun mal war, unterbrach er mich. „Was ist denn vorhin passiert?" Mit aller Deutlichkeit wollte er mich provozieren und es funktionierte hervorragend! Streng blickte ich ihn an. „Lass das.", murmelte ich, denn plötzlich schämte ich mich, für die Nähe von vorhin. Nichtsdestotrotz schien es Nael nicht davon abzuhalten mir mit seinem markanten Gesicht näher zu kommen, ehe ich regelrecht anfangen musste zu lächeln und ab diesem Moment, hatte er das Necken gewonnen.

Überraschenderweise wendete er sich wieder ab und blickte konzentriert zum veralteten Fernseher, dessen Baujahr sicherlich noch vor dem 2. Weltkrieg war, doch wenigstens konnte ich das leichte Schmunzeln erkennen. Wieder einmal wusste ich nicht, wie lange dieser Zustand von Nael anhalten würde und wieder einmal fraß mich die Angst innerlich auf, nicht zu wissen, wann er wieder seine Schattenseiten aufzeigen würde.

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