~ Kp. 5~

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Ich blieb mitten im Raum stehen und wartete bis er die ersten Kleider, die er bereits auf meinem Bett, das mittlerweile gemacht und mit einer weiteren Decke und noch mehr Polstern versehen worden war, ausgebreitet hatte, in die Hand nahm und mir beim Anziehen half.

Nachdem ich mich in die Schichten gezwängt hatte, betrachtete ich, mit Marc neben mir, erneut mein Spiegelbild. Diesmal jedoch in einem bis zum Boden reichenden Spiegel.

Nun waren meine Haare frisiert und lagen perfekt auf meinem Kopf, meine Füße bedeckten typische schwarze Schuhe mit kleinem Absatz, welche in die weißen Strümpfe und die beige bis zu den Knien gehende Samthose übergingen.  Dann kam eine cremefarbene Veste und darüber ein feigenfarbener Herrenrock, in den beigefarbene Blumen an den Ärmelenden gestickt waren. Der Dreiteiler war sehr enganliegend und betonte meine etwas schmälere Gestalt. Perfekt, um zu zeigen, dass ich noch mehr die Gestalt eines Jungen hatte, als die eines gestanden Mannes, der dem Bild eines Königs nahekam.

„Müssen Sie wirklich diese Kette tragen, Sir?", fragte mich Marc der missbilligend auf den kleinen Hügel, der sich in der Mitte meiner beiden Schlüsselbeine befand und durch einen kleinen deltoidförmigen unbearbeiteten blauen Stein an einer einfachen Lederschnur gebildet wurde, blickte. Meine Hand fuhr sachte über den kleinen Hügel, während ich antwortete: „Natürlich, Marc. Du weißt, dass ich diese kette nie ablege."

Marc grummelte zustimmend und bedacht mich dann durch den Spiegel mit einem sanften Blick. „Das einzige Erbstück eurer Mutter, hab ich recht?"

Seine Stimme war leiser und angenehm und ich brachte nur ein Nicken zustande. Ich sprach nicht gern über meine Mutter und doch würde ich nie irgendwohin gehen ohne diese Kette. Sie gab mir einen gewissen Halt, eine Sache in meinem Leben, die blieb, wie sie war und die mir niemand wegnehmen sollte. Es war meine Kette und deshalb trug ich sie auch mit Stolz, egal, wie sehr es vielleicht mein Outfit zerstörte. Es war ein Relikt aus einem Leben, an das ich mich nur mehr wage und verschwommen erinnern konnte. Von dem nur einzelne Momente, ganz bestimmte Gefühle oder Gerüche zurückgeblieben waren.

„Sie sehen gut aus, eure Majestät.", ertönte die Stimme von Puffi, einer weiteren Bediensteten, die allerdings einen höheren Rang hatte als Marc. Sie war diejenige, die alles organisierte. Von Bällen über Komitees zu dem täglichen Essen. Alles lief über sie und dadurch war sie auch immer in einem gewissen gestressten Zustand.

Erneut verzog ich mein Gesicht bei „eure Majestät" und dem offensichtlich erlogenen Kompliment. Es war nicht, dass Puffi eine Lügnerin war, bei weitem nicht. Sie war ebenfalls ein sehr netter Mensch, jedoch so nett, dass sie nun mal, um mir Mut zu machen eine Lüge über mein Aussehen erfand, denn ich wusste, dass ich erbärmlich aussah.

Die dattelähnliche Farbe stand mir nicht und der Schnitt betonte nur meine schmalen Schultern und meine Schwäche. Des weiteren hatte ich immer noch Augenringe unter meinen Augen, von meinem gestrigen Suchtripp nach Dream, welchen ich heute noch fortsetzen musste.

Ich schenkte ihr ein halbherziges Lächeln und folgte ihr nach einer Aufforderung aus meinem Zimmer in den langen Gang. Marc war in meinem Zimmer geblieben, wahrscheinlich um mein Badewasser abzulassen und mein Nachthemd zu wechseln, weshalb ich und Puffi nun in Schweigen durch die Gänge marschierten, an den vertrauten Gemälden und Türen vorbei, in den großen Saal. Dort angekommen zog sie sich ohne ein weiteres Wort zurück, während ich auf den großen Tisch zusteuerte, an dem mein Onkel und seine zwei engsten Berater saßen.

Ich mochte beide nicht.

Alle drei waren in ein Gespräch vertieft und blickten gemeinsam auf eine vor ihnen ausgebreitete Karte, weshalb ich mich räusperte, um meine Anwesenheit anzukündigen. Der erste Blick, den ich erwiderte, war der immer noch leicht feurige meines Onkels, doch auch nachdem ich mich daran verbrannt hatte, blickte ich nicht weg. Es war erneut ein stiller Machtkampf, doch mein Onkel unterbrach ihn in dem er anfing zu reden: „George. Schön, dass du nun hier bist." Seine Stimme war getränkt in Freude, doch seine Augen sprachen immer noch eine andere Sprache.

Die Träne der Königin// DNFWhere stories live. Discover now