~Kp 16~

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"Dort drüben!", hörte ich hinter mir, durch das heftige Pochen meines Herzens gedämpft. Mein Atem raste fast genauso schnell, wie sich meine Gedanken überschlugen. Ich musste sie irgendwie abhängen. Verdammt, wieso konnte nichts wie geplant ablaufen. Wieso musste immer alles schief gehen?

"Der Prinz ist hier vorbei!", erneut die Rufe der mich suchenden Wachen. Sie hatten meine Abwesenheit früher als gedacht bemerkt und nun lieferte ich mir eine gehetzte Verfolgungsjagd mit ihnen. Wo verdammt noch mal war Dream?

Die schwere Träne der Königin auf meiner Brust erschwerte mein Atmen nur noch mehr. Schweiß klebte meine kurzen braunen Haare an meine Stirn und meine Füße taten in den mit Absätzen versehenen Schuhen schmerzhaft weh. Die Sonne war schon hinter den Bäumen verschwunden und ich wünschte mir nichts mehr, als ebenfalls so wie sie vom Erdboden zu verschwinden.

Ich hörte schnelle Schritte irgendwo hinter mir, Klirren von schweren Metallrüstungen und vereinzeltes Brüllen von Wachen. Ich wich in meinem hektischen Laufen einem mit der Dunkelheit verschwommenem Baum aus und musste über Wurzeln springen. Plötzlich knallte ich mit einem dumpfen "Hmpf" gegen etwas. Kein Baum, dafür war es zu warm. Ich öffnete meine vom Schock geschlossenen Augen und blickte in die weiß strahlende Maske Dreams. Endlich war er auch einmal aufgekreuzt. Bevor ich jedoch schon zu einer Beschwerde ansetzen konnte, presste er eine seiner behandschuhten Hände auf meine Lippen und brachte mich so zum Schweigen. Ich konnte nichts tun, als ihn böse anfunkeln, was ich natürlich auch tat. Er hatte sich nicht an unsere Vereinbarung gehalten.

Dreams Aufmerksamkeit lag jedoch nicht auf mir oder meinen tötenden Blicken, sondern war auf die mich verfolgenden Wachen gerichtet, die wahrscheinlich nur wenige Meter neben uns durch den Wald strichen. Wir hörten gespannt auf jegliches Geräusch und ich hielt verzweifelt den Atem an. Wenn sie uns jetzt erwischen würden, dann würden sie auch Dream schnappen und das alles wäre meine Schuld. Doch wieso würde ich mich schuldig fühlen, wenn er gefangen genommen wurde? Das war doch, was er verdient hat. Er hat viele Verbrechen begangen, also wieso sollte er nicht eingesperrt werden? Warum kümmerte mich das?

"Ich habe den Sichtkontakt verloren!", rief gerade einer und ein Stein fiel mir vom Herzen. Sie hatten mich verloren, heißt wir waren in Sicherheit, doch Dream ließ mich noch immer nicht los. Das Adrenalin durch meine Adern pumpend hielt ich jedoch still und wartete, bis er endlich seine Hand von meinem Mund nahm.

Es vergingen noch einige Minuten, bis wir eine Wache schreien hörten: "Er ist nicht hier! Geht zurück! Er muss irgendwo abgebogen sein!". Nun endlich nahm Dream seine Hand weg und ich sog schnell viel warme Abendluft durch meine Nase in meine Lunge. Ein schelmisches Grinsen schlich sich auf Dreams Lippen, welche nicht von der Maske bedeckt wurden.

"Ich habe noch nie eine so miserable Flucht gesehen, Prinz George" Seine Stimme war nicht mehr als ein Hauchen, jedoch vernahm ich jedes einzelne Wort und auch die überzogene Betonung auf meinen Namen klar und deutlich wahr. Dass ich von seiner Aussage beleidigt war, wäre wohl die Untertreibung des Jahrhunderts gewesen. Trotzig verschränkte ich meine Arme vor meiner Brust und antwortete: "Ich lauf nun mal nicht jeden Tag vor mindestens tausend Wachen weg."

"Tausend? Das waren wenns gut geht gerade mal 10"

"Was auch immer. Lauf du erst einmal in diesen Schuhen." Er grinste immer noch. Ich wusste, dass meine Flucht wahrscheinlich miserabel war, bedachte man, dass ich noch nicht mal irgendwelche Sachen dabeihatte, jedoch war dies das erste Mal, dass ich wirklich vor etwas weggelaufen bin.

Dreams Aufmerksamkeit legte sich wieder komplett auf mich und erneut spürte ich, wie sich sein Blick in meine Haut zu brennen schien. Irgendetwas war mit diesem Mann wirklich nicht okay.

"Komm mit.", flüsterte er plötzlich, sein Grinsen verschwunden, und steuerte nach links, genau in die entgegengesetzte Richtung, in die ich geplant hatte zu gehen, weshalb ich ihm auch nicht folgte. "Zu der eingerissenen Mauer geht es aber nach rechts.", flüsterte ich zurück und in meiner Stimme schwang Misstrauen mit, was ihn dazu veranlasste, sich erneut umzudrehen. "Wir gehen nicht zu dieser Stelle. Dort würden sie dich am ehesten erwarten, deshalb gehen wir in die andere Richtung"

Ich starrte ihn an. Wieso machte es Sinn was er sagte? Wieso hatte ich nicht selbst daran gedacht? Natürlich würden sie mich bei der einfachsten Stelle erwarten, an der man aus dem Schlossgarten kommt. "Glaub mir, dort stehen mindestens tausend Wachen und warten auf dich."

Er grinste erneut und verarschte mich indem er probierte meinen Akzent nachzuahmen. Ich verdrehte die Augen, musste ihm allerdings zustimmen und setzte meinen Weg in seine Richtung, weg von der eingerissenen Mauer, fort. Er ging ebenfalls los und so schlichen wir nebeneinander, wohl bedacht darauf keine Geräusche zu machen, über den bemoosten Waldboden. Es war eine drückende Stille. Mein ganzer Körper war angespannt, aus Angst, dass gleich wieder eine Wache hinter einem Baum hervorspringen würde und ich wieder zurück in den großen Saal müsse. Selbst die Vögel schwiegen, als wir Baum um Baum passierten, mein Blick stehts abwechselnd auf den Boden und Dreams Rücken gerichtet. Ich konnte nicht einschätzen, wie lang wir schon gebraucht hatten, doch der Mond war schon weit am bewölkten Himmel hinaufgestiegen, als wir an der Schlossmauer ankamen. Sie war mindestens 3 Meter hoch und ragte wie ein Riese unpassierbar in den Himmel, doch Dream blieb entschlossen vor ihr stehen und drehte sich blitzschnell zu mir um. Seine komplett weiße Maske führte einen Wettkampf mit seinen offensichtlich an seinem Gürtel platzierten Messern, wer in dem Mondlicht heller scheinen konnte. Erneut dieser brennende Blick seinerseits.

"Kannst du klettern, Prinz?", fragte er plötzlich wieder in normaler Lautstärke und erneut war seine Stimme kräftiger als ich erwartet hätte. Sein lässiges "du" traf mich völlig unvorbereitet, doch ich erwiderte nichts, obwohl es sich doch etwas komisch anfühlte. Er hielt wahrscheinlich nichts von Titeln, was mir nur Recht sein konnte.

"Klettern? Über diese Mauer?", ich lachte auf, "Das kannst nicht einmal du." Es war zwar nicht wirklich meine Art, jedoch hatte ich das Bedürfnis Dream in allem was er sagte zu widersprechen. "Dann schau mir gut zu."

Bevor ich auch nur mit der Wimper zucken konnte, hatte er sich schon auf einen anliegenden Baum geschwungen und kletterte, wie ein Eichhörnchen, dessen Stamm hinauf. Als er auf der Höhe der Mauer war, blickte er hinunter und fragte: "Angst, Prinzessin?"

Wie konnte jemand in solch einer Höhe nur so ruhig und gelassen sein?

"Hey! Ich bin keine Prinzessin!", erwiderte ich trotzig meine Ehre verteidigend. Was fiel diesem Idioten eigentlich ein? Er hatte mich in dieser nun wirklich kurzen Zeit zweimal beleidigt und des Öfteren aufgezogen. Wenn das so weiter ging, dann konnte meine Flucht mit ihm ja spaßig werden.

"Dann komm. Klettere zu mir." Ich verdrehte erneut meine Augen. Nichts würde mich auf diesen Baum bringen. Nichts und niemand und vor allem nicht ein unhöflicher Verbrecher. "Ich habe doch schon gesagt, dass diese Schuhe Foltermittel sind! Es ist unmöglich in denen zu klettern."

"Dann zieh sie aus" Seine Stimme hatte nun einen etwas mehr genervten Ton angenommen, doch verstand er wohl nicht, dass ich nicht einfach in Socken einen Baum hinaufklettern konnte.

"Nein. Ich mach das nicht. Gibt es keinen anderen Weg?"

"König werden und heiraten.", erwiderte er kalt und bei seinen Worten zuckte ich zusammen. "Den Weg gibt es. Also reiß dich zusammen, Prinzessin, und fang endlich an zu klettern" Er wandte seinen Blick von mir ab und fing an auf dem Ast Richtung Mauer zu gehen. Bei ihm sah dies so einfach und gelassen aus, als würde er nur über eine Brücke stolzieren, doch bei dem Gedanken, dass ich selbst auf diesem Ast balancieren müsste, zog sich mein Magen augenblicklich zusammen. Ich seufzte. Egal, wie sehr ich mich sträubte davor, diesen Baum zu erklimmen, so hatte Dream doch wieder Recht. Die einzige Möglichkeit  hier wegzukommen führte über dieses Ungetüm an Steinen. Mir blieb wohl nichts anderes übrig.

Ich kann irgendwie keine natürlichen Dialoge schreiben, oder kommt das nur mit so vor? Ahhh ich weiß nicht xD
~S.~

Die Träne der Königin// DNFWhere stories live. Discover now