Rom

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„Alea." Jemand rüttelte sanft an ihr. „Alea, wir sind da."

Sie öffnete die Augen und gähnte ausgiebig. „Schon? Wir sind doch gerade erst losgefahren." Lennox grinste.

„Du kannst auch gern einfach hier liegen bleiben und wieder zurück nach Venedig schwarzfahren. Die anderen sind nur leider schon draußen und ich wüsste nicht, ob ich große Lust dazu hätte, einfach sitzen zu bleiben und irgendwann vom Zugführer rausgeschmissen zu werden." Erst jetzt fiel Alea auf, dass es weitaus lauter war als während der Fahrt (was wohl daran lag, dass sie die ganze Zeit nur geschlafen hatte). Und auf dem Bahnhof in Rom war eindeutig mehr los als bei ihrer Abfahrt in Venedig. „Jetzt komm schon", drängte Lennox, als er sah, wie jemand schon nach den Karten für den Rückweg fragte. Das ließ Alea sich schließlich aufrichten und Lennox aus dem Zug folgen. Und als sie dann die Treppe nach oben stieg, war ihre ganze Müdigkeit mit einem Mal verflogen. Vor ihr ragte das Kolosseum von Rom in die Höhe. Alea hätte in allen anderen Zeiten wohl den Anblick des gewaltigen Bauwerks genossen, aber nun konnte sie es nur mit einem in Verbindung bringen: Doktor Orion. Ihre Knie wurden weich.

Lennox schien wie immer ihre Gedanken erraten zu haben. Er nahm ihre Hand und drückte sie. „Wir werden morgen ein für allemal Orion besiegen. Alea, hier, genau hier, wird sich das Schicksal uns zuwenden. Hier wird entschieden, wie das nächste Kapitel dieser Geschichte aussehen wird." Er sah sie eindringlich an. „Und es wird gut aussehen. Wir schaffen das, okay?" Alea schluckte den großen Kloß in ihrem Hals hinunter. Dann nickte sie. Sie durfte nicht den Geist aufgeben, nicht vor dem Konzert am Abend, noch davor, dass sie Orion schnappen würden. Sie musste stark bleiben. Schließlich war sie die Elvarion.

„Wo sind eigentlich die anderen?", fragte sie dann.

„Sammy musste aufs Klo." Als hätte er darauf gewartet, nun zu erscheinen, kam der restliche Teil der Alpha Cru um die Ecke stolziert. Ben, der sich neben Alea stellte, folgte ihrem Blick auf das Kolosseum. „Hier ist es also."

„Nicht ganz", sagte Alea. „In der Silberfadenvision war die Perspektive anders. Dort hat man gut einen kaputten Teil gesehen, und der ist auf der anderen Seite." Sie lief ein paar Schritte, um hinter das Bauwerk zu schauen. Und da war er. Der Kiosk.

„Ich frag mich, warum Orion eigentlich hier nach Rom kommen will", sagte Tess. „Was hat er hier, das er woanders nicht hat?" Alea runzelte die Stirn, ihren Blick immer noch auf den Kiosk gerichtet. Vielleicht wollte er das Konzert sehen und würde deshalb hier her kommen. Aber das würde keinen Sinn ergeben. Denn erstens: wieso hätte er, nachdem er das Konzert gesehen hat, die Zeitung lesen sollen? Und zweitens: wenn er die Alpha Cru auf der Bühne sähe, dann wäre er ganz sicher nicht überrascht gewesen am Tisch – oder es wäre nie zu der Begegnung gekommen.

„Urlaub?", ging Sammy auf Tess' Frage ein. „Bösewichte brauchen halt auch bisschen Entspannung vom Stress."

„Oder er will etwas besorgen, das es nur hier gibt", sagte Ben.

„Vielleicht möchte er auch irgendjemanden treffen?", war Lennox' Meinung.

„Was auch immer es ist; wir müssen die Chance nutzen", warf Alea ein.

„... und uns wegen der Lieder fürs Konzert absprechen", erinnerte Tess sie. „Außerdem brauchen wir noch die Instrumente von der Crucis."

Alle waren einverstanden, sie zu holen, deshalb warteten sie beim Zirkus Maximus darauf, dass ein Auto anhielt, um sie die paar Kilometer zum Meer zu fahren. Ben wollte nicht wegen der kurzen Fahrt noch mehr Geld ausgeben, doch dass jemand anhielt, bei sechs Kindern, die mitfahren wollten, war unwahrscheinlich. Schon schnell beschlossen sie, dass Kämpf weiter vorgeführt werden würde, außerdem die englische Version von Meeresleuchten, die sie Sea Lights nannten. Alea fand, dass das Lied, das sie zusammen mit Lennox geschrieben hatte, ganz gut war, fast schon Bühnenreif. Allerdings konnte sie diese Version nicht gut wie die deutsche. Alea hatte noch nie ein Händchen für Englisch gehabt, und sie war sich sicher, dass sich das auf das Lied auswirken würde. Aber dann schlug Ben vor, dass auch die anderen mitsingen könnten, und die Anspannung wegen des Songs ließ ein wenig nach.

Mein Alea Aquarius 8Where stories live. Discover now