Superstar der Meerwelt

147 9 1
                                    

Alea ließ ihre Beine im Wasser baumeln und konzentrierte sich mit geschlossenen Augen auf ihr Herz. Sie hatte in ihrem Eifer ganz vergessen, Mio zu antworten, und das wollte sie jetzt unbedingt nachholen.

Im nächsten Augenblick erschien ihr Gesicht in dem Oval auf der Wasseroberfläche. „Unah, Mio", begrüßte sie ihn auf Hajara, aber ihre Stimme klang fröhlicher, als sie sich fühlte. „Es ist super, dass das mit den Wandererbotschaften auch bei dir funktioniert. Woher wusstest du, wie man sie verschicken kann? Hat dir das Artama erklärt?" Mio war eines der Meerkinder, die die Reise nach Schottland auf sich genommen hatten und somit viel mehr über ihre Herkunft erfahren konnten. „Das mit Orion ist in der Tat schlecht", sprach Alea weiter. „Aber du solltest dich auf jeden Fall mal bei deinen Pflegeeltern melden. Sie machen sich bestimmt schreckliche Sorgen, sie sollten immerhin wissen, dass es dir gut geht und du wohlauf bist. Wir sind ganz in der Nähe von Spanien – irgendwann in der nächsten Woche können wir schon da sein und Notfalls ist auf unserem Schiff noch Platz, sodass du vielleicht mit uns kommen kannst." Sie stockte kurz, fing sich aber schnell wieder. „Falls du Orion noch einmal sehen solltest, dann informiere uns sofort, okay? Halt uns auf dem Laufenden, bis wir da sind. Von den anderen Meerkindern hat noch niemand von so etwas berichtet, aber das kann sich jeden Moment ändern." Alea lächelte schwach. „Viel Glück, Mio."

Du kannst es gebrauchen, schloss sie in Gedanken, aber da zog sich die Botschaft auch schon zusammen und flitzte davon.

Alea seufzte und blickte der Botschaft noch einen kurzen Moment lang hinterher, dann kletterte sie die Außenleiter wieder hoch und ging unter Deck, um noch ein paar Kekse zu backen. In letzter Zeit hatte sie ihre Aufgabe an Bord ziemlich vernachlässigt und Sammy hatte daher schon lauthals Beschwerden eingereicht. Allerdings war auch viel passiert und Alea hatte an andere Dinge gedacht als an sein Projekt Wampe.

***

Am nächsten Tag kam schon Mios Antwort.

„Hallo Alea", sagte er und lächelte ins Bild. „In der Tat habe ich von Artama erfahren, dass man bei den Fähigkeiten der unterschiedlichen Meermenschenstämme vor allem auf sein Herz achten soll. Aber bei einer Strandparty von ein paar reichen Leuten, die laute Musik gespielt haben, erschienen zwei Nixen an der Wasseroberfläche!" Alea staunte, wusste aber auch, dass Nixen, nachdem die Meermenschen unter Wasser ausgestorben waren, von den Landgängern Musik „klauten". Aber dass Mio auch von diesen Magischen erfahren hat, wie man Wandererbotschaften verschickte, ganz wie Alea, war schon ein seltsamer Zufall. „O Mann, ich wundere mich jetzt, warum ich nicht in Ohnmacht gefallen bin!", sagte Mio. „Sie konnten mir aber erklären, wie man eine Nachricht erschaffen kann. Nun, an meinen ersten Versuchen erkennt man ja, dass ich noch ein bisschen Übung brauche!

Jedenfalls habe ich noch nichts Neues von Orion erfahren. Meine Pflegeeltern habe ich schon versichert, dass alles gut sei. Tja, leider konnte ich ihnen nicht mehr erklären, warum ich weggelaufen bin, weil dann die Frau, die mir ihr Handy geliehen hat, es zufälligerweise wieder brauchte. Aber im Nachhinein finde ich das auch gar nicht mehr so schade." Mio grinste. „Na ja. Ihr könnt wirklich schon in ein paar Tagen hier sein? Das wäre klasse! Auch, da ihr noch Platz auf eurem Schiff habt. Finden das denn Lennox und die anderen aus eurer Crew okay, wenn ich mich euch anschließe? Ich würde mich total freuen. Hoffe, dass alles klappt." Er winkte in das Bild und schloss mit den Worten: „Adiós, bis möglichst bald!"

Dann zog sich die Botschaft wieder zusammen und wurde Eins mit dem Wasser. Alea antwortete ihm, dass er jeder Zeit willkommen an Bord sei und beschloss, dass es kein Geheimnis sein sollte, dass Lennox nun für Orion arbeitete und nicht mehr hier war. Anschließend schickte sie noch eine Nachricht an Nelani, in der sie ihre Mutter fragte, wann sie ungefähr kommen würde und dass die Alpha Cru womöglich ihre Hilfe brauchte bei der Ausführung eines Planes, in dessen Details Alea lieber noch nicht ging. Wenn Nelani da war, würde sie ihr alles in aller Ausführlichkeit erzählen, und dann konnte sie eigentlich immer noch entscheiden, ob sie mitmachen wollte. Denn als das Thema mit Lennox wieder aufkam, wurde die kleine Sparflamme in Alea wieder entfacht, die eigentlich für Lennox' und Theas – vielleicht auch Siskas – Befreiung brannte.

Darum beschloss Alea kurzerhand, im Meer nach einer Finde-Finja zu rufen, die sie nach ihrem Aufenthalt fragen würde. Sie ging unter Deck und zog sich ihren schwarzen Flex an, eine Art magischer Badeanzug, der sich perfekt an ihrem Körper anpasste und bei Bedarf kälter oder wärmer wurde, damit die Wassertemperatur angenehm zum Schwimmen war.

Gerade wollte sie über die Reling springen, als Alea Bens Stimme hörte. „Du willst doch nicht ernsthaft ins Meer?", rief er ihr vom Deckshäuschen aus zu. „In dieser Gegend werden dir vielleicht Wale begegnen!"

Ich kann auf mich selbst aufpassen!, dachte Alea, wusste aber, dass dies nicht immer der Fall war. „Ich rufe nur nach einer Finja", murmelte sie trotzig. „Sie kann mir vielleicht sagen, wo ich Lennox finden kann."

„Und dann schwimmst du kurz mal so um die halbe Weltkugel?"

Das sah Alea in einem Gewissen Grad ähnlich, aber dieses Mal hatte sie nichts dergleichen vor. „Ich möchte ihr gar nicht folgen. Nur wissen, wo er gerade ist. Geht auch ganz schnell. Dann komme ich wieder."

Ben seufzte und sah wohl ein, dass man den Gedanken nicht aus Aleas Kopf schlagen konnte. „Fünf Minuten!", sagte er. „Nicht länger. Dann bist du wieder hier, verstanden?"

Er erhielt keine Antwort mehr, weil Alea sogleich ins Wasser gesprungen war. Sobald sie sich vollständig zu einem Meermädchen verwandelt hatte, rief sie sich den Spruch ins Gedächtnis, mit dem Finjas oft gerufen wurden. „Finde-Finja, komm herbei, hilf mir schnell mit Zauberei!" Alea wartete eine Weile lang. Als sie schon ein zweites Mal rufen wollte, klingelte plötzlich eine hohe Stimme neben ihr: „Ich bin gekommen."

„Super, danke", sagte Alea erleichtert. „Ich bin Alea Aquarius, wie heißt du?"

Die Magische dachte nicht daran, nun ihren Namen zu nennen. Verdutzt glotzte sie Alea an, als ob sie eine Außerirdische aus einer anderen Welt wäre, die sie gerade zu einem heißen Tee einlud...

Dann hauchte sie ehrfürchtig: „Die Elvarion der letzten Generation?"

Alea nickte. „Ja, und ich brauche deine Hilfe." Die Finja, deren Namen sie wohl nie erfahren würde, glotzte immer noch. Deshalb versuchte es Alea weiter. „Vielleicht weißt du schon, dass ich einen Krieger an meiner Seite habe, Lennox Scorpio, einen Oblivion. Gerade ist er allerdings nicht mehr da und ich weiß nicht, wo er sich gerade befindet. Darum möchte ich dich bitten, seinen Aufenthaltsort ausfindig zu machen. Wäre das möglich, ohne dass ich dir folge?"

Noch immer ruhten alle ihre Augen auf Alea, die sich wie ein Superstar der Meerwelt fühlte.

„Hallo? Wäre das möglich?"

„Äh, was?", klingelte die Finja und erwachte aus ihrer Starre. Also wiederholte Alea ihre Bitte.

„Hm, ja, also, klar! Äh, Moment, hmm..."

„Solltest du jetzt nicht in der Übermittlungsstarre sein?", fragte Alea, die nicht unhöflich sein wollte, aber langsam die Geduld verlor.

„Oh, natürlich!" Die Finja machte ein Geräusch, das wohl ein Räuspern sein sollte und begann nun zu brüten, wobei immer noch mehrere Dutzend Augen auf sie glotzten.

Sie brütete ziemlich lange und Alea war sich sicher, dass sie schon locker zehn Minuten unter Wasser war. Sie schickte eine stumme Entschuldigung an Ben, der sich wahrscheinlich gerade die Haare raufte und hoffentlich nicht in voller Tauchermontur ins Meer sprang. Dann war die Finja endlich fertig.

„Nein, ich konnte ihn nicht finden... hmm, scheint nicht im Wasser zu sein."

„Kennst du vielleicht andere Magische an Land, die ihn ausfindig machen könnten?", probierte es Alea weiter und versuchte, nicht allzu sehr ihre Enttäuschung zu zeigen.

Ohne zu bemerken, dass ihr gerade eine Frage gestellt wurde, klingelte die Finja: „Kann ich mal schauen! Weiß nicht. Ähm, warte... ANDERE Magische? Aber, aber... ähm... klar doch. Äh... hab ein paar Kumpels an Land... ganz sicher... klar, ich komm' total gut mit den Genossen an Land aus... kein Problem! Hähä..."

O Mann!, dachte Alea im Stillen. Wenn das mal gut geht... „Das wäre schön, danke", sagte sie trotzdem. Die Finja starrte noch ein bisschen, dann murmelte sie etwas wie „Bin bald wieder da" und zischte davon.

Zurück hinterließ sie eine graue Spur, die Alea als Wanderin sehen konnte. Normalerweise hätte sie sich gefreut, dass es schon so gut mit dem Fährtenlesen klappte, aber dieses Mal erinnerte es sie nur daran, dass Lennox in unerreichbarer Ferne lag.


Mein Alea Aquarius 8Where stories live. Discover now