Schlechte Nachrichten

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Mio schaute sich in der Botschaft verwirrt um. „Ähm, hallo. Kannst du mich sehen?" Dann schien er sich selbst auch im Oval erkannt zu haben. „Ah, okay. Ja, doch, ich glaub, man sieht mich, oder? Ich hoffe, du -" Weiter kam er nicht, denn genau in diesem Augenblick zog sich die Nachricht zusammen und verblasste. Alea zog die Brauen zusammen. Mio hatte es tatsächlich geschafft, eine Botschaft zu kreieren, aber wie sie am Anfang konnte er noch nicht bestimmen, wann sie fertig war. Deshalb auch die ganzen anderen Nachrichten! Einerseits freute sich Alea, dass dieses Meerkind anscheinend auch ohne in Berührung mit Wasser zu kommen einen Teil seiner Magie einsetzen konnte, aber sie war einerseits verwundert darüber, dass er wusste, wie man Nachrichten verschickte und anderseits musste es wohl etwas wichtiges sein, wenn er gleich so viele von ihnen schickte. Also dirigierte sie das nächste flimmernde Oval zu sich, dass sich sogleich öffnete. Jetzt war Mios Gesicht schon deutlicher zu erkennen.

„Hallo noch mal", sagte er. „Ich hoffe, dass du Alea bist, denn es wäre ungeschickt, wenn das hier bei jemand anderem ankommt. Oder kommt diese Nachricht überhaupt an? Na ja, ich hoffe schon. Alea – ich muss dir und Lennox etwas sagen, und... Halt – halt, warte, nein!"

Schon zog sich auch die Botschaft zusammen und wurde Eins mit dem Meer. Alea rief die nächste zu sich und wurde immer verwirrter.

„Alea, Lennox!" Mios Stimme klang alamiert. „Doktor Orion – er war hier!"

„Was!?", entfuhr es Alea und sie merkte, wie sich die Alpha Cru von hinten näherte.

Mio sprach schon weiter. „Ich hatte gestern einen Arzttermin, aber unser Hausarzt war anscheinend krank und deshalb hatte ein anderer ihn vertreten. Es war Orion!"

Die nächste Botschaft fuhr an genau der Stelle fort: „Meine Pflegeeltern haben sich natürlich überhaupt nichts dabei gedacht, aber ich hab ihn ja schon in Brügge gesehen. Ich sollte eine Impfung bekommen. Keine Ahnung, woher Orion das wusste. Jedenfalls wirkte er total freundlich und nett, er war kein Spanier und sprach Englisch mit uns. Er hatte schon die Spritze in der Hand. Ich wusste – Orion hatte etwas ganz anderes vor, als mich zu impfen. Meine Pflegeeltern haben überhaupt nicht verstanden, warum ich mich so aufgetan ab, aber ich musste -"

„- sofort weg von dort!", erzählte er in der nächsten Nachricht. „Orion hat mich ganz seltsam angesehen und ich glaub, er hat gewusst, warum ich gehen wollte. Ich habe keine Ahnung, was er vorhatte, aber mein Pflegevater hatte darauf bestanden, dass ich mich impfen lassen soll. Dann bin ich rausgerannt." Diese Botschaft war ziemlich kurz, sodass Mio in der nächsten weitererzählen musste: „Draußen warteten ein paar sehr düstere Typen. Ich glaub, die haben auch zu Orion gehört und als sie mich rennen gesehen haben, sind sie mir hinterher gelaufen. Voll gruselig! Aber sie sind mir nicht den ganzen Weg gefolgt. Orion hat sie wahrscheinlich zurückgerufen. Er muss wissen, dass ich eines der Meerkinder bin, die ihn kennen und mit euch in Kontakt sind.

Also bin ich nicht nach Hause gelaufen, weil ich befürchte, dass Orion weiß, wo ich wohne, und meine Pflegeeltern wissen auch nicht, wo ich bin. Kurz: Ich bin abgehauen und werde vermutlich von ein paar Gangstern verfolgt."

In der letzten Nachricht schloss er: „Ich habe keine Unterkunft und nichts, wovon ich mich ernähren könnte, und zu viel Angst, nach Hause zu gehen, weil ein paar von Orions Leuten bestimmt auf mich warten. Vielleicht kann ich euch treffen? Ich wohne in Spanien, in Barcelona, und befinde mich gerade im Parc del Poblenou. Das liegt in der Nähe des Meeres. Könnt ihr mir irgendwie antworten? Per Mail geht gerade schlecht. Mit einer Wandererbotschaft? Orions Leute können mich jederzeit finden, aber möglicherweise sehen sie bald von mir ab. Ich hab keine Ahnung, was der Doktor vorhabt, aber könnt ihr die anderen Meerkinder vielleicht warnen? Ich glaub, ich bin nicht der einzige, bei dem Orion ‚vorbeischaut'." Mio biss sich nervös auf die Unterlippe. „Okay. Ich hoffe, dass wir uns irgendwann noch einmal sehen. Bis dahin... alles Gute." Er lächelte schwach, dann zog sich auch die letzte Botschaft zusammen und verblasste.

Alea starrte ins Wasser und versuchte zu verdauen, was sie gerade erfahren hatte. Warum hatte Orion höchstpersönlich Mio getroffen? Sie war sich sicher, dass er nicht der einzige war, mit dem der Doktor etwas vorhatte. Und sie ahnte, dass, was immer er auch plante, so schrecklich war, dass sie sofort die anderen Meerkinder benachrichtigen musste.

In Windeseile kletterte sie die Außenleiter hoch und stürmte an den anderen der Cru vorbei, die gerade fragen wollten, was passiert war. Sie klopfte einmal gegen den Laptop, damit er hochfuhr und wartete ungeduldig, bis sich die Mails öffneten. Mit den zwei Passwörtern, die Lennox ihnen verraten hatte, kam sie zum Postfach. Sie hatte vierzehn neue Mails, aber die konnten warten. Alea nahm ihre Stimme auf, als sie Orion beschrieb und die Meerkinder drängte, sie auf jeden Fall zu benachrichtigen, wenn sie den Doktor sahen und sich auf keinen Fall auf die Sachen einlassen sollten, die Orion ihnen vorflunkerte. Es würde zu lange dauern, alle Mails auf unterschiedliche Sprachen zu übersetzen, deshalb benachrichtigte sie die Kinder auf Hajara, was sie alle verstehen konnten.

Als das erledigt war, lehnte sie sich erschöpft auf ihrem Stuhl zurück und atmete tief ein uns aus. Sie mussten Orion unter allen Umständen einen Strich durch die Rechnung machen, was auch immer er vorhatte.

Sie las noch die anderen Mails, allerdings beschrieb kein anderes Meerkind ein solches Vorkommnis, sodass Alea danach den Laptop hinunterfuhr und zu den anderen an Deck ging.

Sammy empfing sie mit verschränkten Armen. „Erklär uns jetzt bitte mal, warum du so entgeistert aufs Wasser gestarrt hast und danach einfach nach unten abgebraust bist. Was hat Nelani denn gesagt? Du hast doch eine Nachricht von ihr erhalten, oder?"

Alea setzte sich und verneinte. Dann erzählte sie ihnen von Orions Auftauchen bei Mio und davon, dass es so schien, als ob er auch bei vielen anderen Meerkindern erscheinen würde – oder bereits erschienen war. Aber keines der Kinder hatte von einem solchen Ereignis berichtet.

„Barcelona?", wiederholte Ben, als Alea fertig war. „Barcelona ist gar nicht so weit entfernt von hier. Spanien liegt im Westen neben Frankreich. Falls wir Glück haben, könnten wir in ein paar Tagen dort sein."


Mein Alea Aquarius 8Where stories live. Discover now