Kapitel 96: Umgang mit der Trauer

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• Lucia •

Die ersten Tanzpaare belegen das Feld und was mache ich?

Ich stehe weiterhin am Rand. Zufällig schmiegt sich Vater auch immer noch an mich, als wäre ich weg, wenn er das nicht tut. Zugegeben lehne ich mich verdächtig wohl an ihm an.

„Mir ist nicht nach einem Tanz, Vater", beichte ich ihm dann leise.

Von dem energiefressenden Baby in meinem Bauch mal abgesehen. Es ist einfach noch zu früh hierfür.

„Mir auch nicht, Kleines", erwidert er verloren.

Toll, jetzt stehen wir beide am Rand und haben keinen Schimmer, was wir tun sollen. Tanzen scheidet jedenfalls aus und mit seiner Anwesenheit behelligt uns auch sonst niemand.

Großvater und Großmutter sind auch schon wie vom Erdboden verschluckt, die wird man nicht mehr wiedersehen. Ich verstehe die so sehr, aber in einem sind Vater und ich uns einig: Auf ewig im Gemach versauern hilft uns nicht weiter und Mutter hätte das nicht gewollt.

„Lucia, Kleines? Hörst du mir zu?", hakt Vater nach und löst seine Arme von meiner Taille, um meine Schultern zu rütteln.

„Reicht es, wenn das Baby zuhört?", frage ich mit einem leichten Schmunzeln nach.

„Was glaubst du denn?", erfragt er in wahrem Lehrmeister Ton.

Natürlich kenne ich die Antwort.

„Ja?", haue ich frech raus.

Nein!", betont er nun sehr streng.

Grinsend drehe ich mich ihm ganz zu und setze dann einen niedlichen „seine kleine Lucia" Blick auf, weshalb Vater direkt erweicht. Liebevoll streicht er nun durch meine perfekt sitzende Frisur und schaut dann in meine Augen, es schenkt ihm stets Trost. Immerhin sind meine Augen auch die von Mutter und Großmutter.

„Gehen wir im botanischen Garten spazieren?", schlage ich dann vor.

„Sonan!", ruft Vater dann durch die Menge.

Und im nächsten Augenblick steht der Hauptmann in seinem schwarzen Stahl mit seinen kürzlich frisierten braunrötlichen Haaren direkt neben uns.

„Meine Tochter wünscht einen Spaziergang im Schlossgarten. Du sicherst die Leibwache", befiehlt Vater ihm, woraufhin Sonan kurz nickt.

Dann hebt Vater mich in seine Arme und schaut mit leichtem Schmunzeln auf meine Kugel. Unser Weg führt uns bereits durch die Terrassentür und wir gelangen an der Treppe hinunter zum Garten an.

„Ein echt schweres und großes Baby hast du da im Bauch, du warst mal schön leicht und kompakt", stichelt Vater nun leicht belustigt drauf los.

„Sonan, hau ihn bitte!", bringe ich hervor und rolle theatralisch mit den Augen.

„Verzeih, Lucia, aber ich mag meine Arbeitsstelle behalten", meint Sonan eiskalt.

Er muss seine enorme Belustigung zurückhalten und grinst mich auch noch voller Provokation an.

„Planänderung, Vater, bitte hau Sonan", bringe ich dann hervor.

„Au!", ruft Sonan, jedoch nicht wegen Vater.

Der schaut nämlich zusammen mit mir staunend in Sonans Richtung, der sich fluchend seinen gepanzerten Oberarm hält. Ein kräftiger Hieb und Sonan wird da garantiert einen blauen Fleck haben.

Selbst die stählerne Rüstung verhindert das bei dem Angreifer nicht.

„Wenn du meine Gemahlin erneut so frech behandelst, ist mein nächstes Ziel deine Nase", droht Val ihm völlig gelassen, aber mit frostiger Grundstimmung.

Kronprinz Silas IIWhere stories live. Discover now