Kapitel 11

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Ich wählte die Nummer meines Onkels.
,,Lion Ollivs, wie kann ich ihnen helfen?"
,,Hallo, ich bin's.",sagte ich.
,,Reece! Ist etwas passiert? Geht es dir gut?"
Er schien ziemlich besorgt.
,,Nein, es ist nichts passiert,",antwortete ich zögernd, ,,mir geht's gut."
,,Wieso rufst du an?",fragte er nun.
,,Ehm, ich dachte, um mit jemanden zu sprechen. Ich fühl mich allein hier. Oder störe ich dich?"
Am anderen Ende konnte man ein langes seufzen hören.
,,Du kannst kommen.",sagte er knapp.
,,Nein, eigentlich wollte ich nur telefonieren. Oder geht das nicht? Weil wenn-"
,,Doch, doch. Das geht auch.",sagte Lion schnell.
,,Eigentlich rufe ich an, weil ich eine Frage hab'."
Ich machte Pause,weil ich erwartete, dass er etwas sagte wie Schieß los, das traf aber nicht ein.
Also fuhr ich fort:,,Wie kann man verhindern, dass ein Mensch an einem Kurzschluss stirbt?"
,,Man muss versuchen, sich normal zu verhalten.",antwortete mein Onkel.
,,Ja, aber wie normal?",fragte ich.
,,Reece, was ist los?"
Er hatte mich schnell durchschaut.
,,Der Nachbarsjunge, Gave Avver, hängt wie eine Klette an mir.",sagte ich seufzend.
,,Eigentlich ist das Prinzip ganz einfach", erklärte mein Onkel. ,,Wenn sie fragen stellen, erwarten sie meistens eine bejahte Antwort. Alles was sie machen hat meistens einen Grund, und wenn dieser Junge bei dir angeklingelt, dann solltest du ihm auch die Tür öffnen, und dich nicht im Haus verstecken, beispielsweise. Verstehst du?"
Hatte er wieder meine Gedanken gelesen?
,,Ja. Ich muss jetzt auflegen, okay?",sagte ich schnell. Ich wusste genau, dass ich ihn störte. Deshalb wollte ich auch nicht länger mit ihm sprechen.
,,Na Gut. Dann bis morgen.",sagte er. Musste er mich an die Beerdigung erinnern?
,,Tschüss.",sagte ich und legte auf.
Ich war total in der Klemme. Wie fair war das denn, das ich alles bejahen musste, was Gave sagte? Und dazu musste ich mich schon zusammenreißen um ihm keine zu Klatschen.
Ich ging zum Kühlschrank und öffnete ihn. Ich hatte Hunger, aber im Kühlschrank war nur ein Ei, fünf Scheiben Salami und Senf. Ich musste einkaufen gehen.
Schnell nahm ich das Geld meiner Eltern aus dem Schrank und lief zum Laden.
Er war sofort um die Ecke, und dort war es nicht billig. Ja, die Preise waren immer hoch, aber das lag wahrscheinlich daran, dass die mit den Chips die Ware auch bezahlten, oder so zu sagen bezahlen mussten. Und trotzdem durfte der Staat nicht übertreiben, da es sonst Obdachlose gab, aber bevor das passierte, starb man wohl eher an einen Kurzschluss.

Die meisten sagen, dass der Gehalt der Verkäufer ums Doppelte gestiegen ist, obwohl 90% des Geldes an den Staat gingen. Und das, seit dem die Zeitwende New World mit der Inpalatation der Chips begonnen hat.
Ich ging hinein. Schnell nahm ich mir Brötchen, Schinken, Apfelsaft, Joghurt und Käse. Ich tat es auf die Schiebebänder, ließ die Scheine einziehen und erhielt eine Zahl ausgedruckt: 851.
Ich ging bis zu dem Mann, der vor mir stand und gerade dabei war, seine Einkäufe abzuholen.
Die Frau, die da saß packte alles in die Tüten und mich schnippisch an. Sie konnte doch froh sein, sie verdiente auch viel dafür. Endlich bekam der Mann seine Einkäufe in einer Bio-Tüte, genau wie ich sie bekam. Auf jeder Tüte stand wieder eine Zahl, auf meiner 851.
Die Frau legte mir noch den Rest des Geldes in die Hand.
Ich nahm die Tüte und ging ohne mich zu bedanken. Das konnte sie vergessen, mit so einem Blick.
Ich war schnell wieder zu Hause und legte die Einkäufe in den Kühlschrank. Dabei fielen mir die Kontaktlinsen auf. Ich hatte Angst, dass es wehtun würde, wenn ich sie benutzte. Also legte ich sie wieder weg.
Morgen war die Beerdigung, dass wusste ich.
Und dann fing auch die Schule an. Plötzlich fiel mir etwas ein.
Schnell wählte ich die Nummer meines Onkels.
,,Lion Ollivs, wie kann ich-"
,,Ich bin's.",sagte ich schnell und legte den Hörer an mein anderes Ohr.
,,Was ist los?",fragte er. Wieso war er immer besorgt, wenn ich anrief? Nichts würde jemals so werden wie es früher war.
,,Ich hab eine Frage."
,,Ja?"
,,Du Bezahlst doch das Geld, oder?"
,,Welches Geld?",fragte mein Onkel. Er war verblüfft, das konnte man hören.
,,Das Erziehungsgeld. Für den Staat. Bezahlst du es?",fragte ich. Er würde das doch machen, oder?
Es kam keine Antwort.
,,Hallo?",fragte ich in den Hörer.
,,Ja, ja, ich bezahl es."
Es hörte sich an, als würde er es lästig finden, mich zu bezahlen. Es tat weh.
Ich dachte ich konnte auf ihn zählen, aber er hat ja auch zugestimmt.
,,Morgen vor der Beerdigung hole ich dich ab."
,,Wann?",fragte ich.
,,30:09 Uhr. Um 10 beginnt die Beerdigung.
,,Okay. Na dann,Tschüss.",sagte ich.
,,Ja, Tschüss."
Ich sank in mich zusammen. Ich habe es mir doch nicht eingebildet, dass er es lästig fand, oder? Aber wer findet es schon gut, Geld zu bezahlen. Vielleicht lag es einfach daran, das der Betrag sehr hoch liegt.
Ich seufzte und ging die Treppen hoch zu meinen Kleiderschrank. Ich nahm mir ein schwarzes Kleid, dass bis über den Knien ging und dazu ein schwarzes Jäckchen mit weißen Knöpfen und schwarzen Lackschuhen. Und eine schwarze Strumpfhose, schließlich würde es sicher nicht warm werden.
Ich legte alles auf meinen Schreibtischstuhl. Es tat weh, die Sachen für die Beerdigung meiner Eltern auszusuchen. Aber trotzdem wollte ich hübsch aussehen, wenn sie mich das letzte Mal sehen würden. Auch wenn ihre Augen für immer geschlossen blieben...

Ich merkte wie Tränen sich in meinen Augen bildeten.
Schnell ging ich ins Badezimmer und wusch mir mein Gesicht. Ich durfte nicht weinen! Mir lag sehr viel daran, ich hatte es doch versprochen. Wie würde ich das morgen bloss schaffen...

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