Kapitel 40

1.6K 134 0
                                    

Ich hielt die Luft an. Scheiße. Scheiße, scheiße, scheiße. Das war's, endgültig. Wir waren am Arsch.
Ich wusste, dass ich Dean unbedingt aus der Patsche helfen musste. Das war ich ihm schuldig. Nur hatte ich keine Ahnung, wie.
Dean spannte sich an, das sah ich sofort. Dann runzelte er die Stirn und fuhr sich nervös durch die Haare.
In der Tür stand irgendjemand, den ich nicht kannte, jemand aus der NC, selbstverständlich. Der Mann sah uns überrascht an, bis Dean endlich etwas sagte.
,,Nichts. Wir machen nichts."
Wir wussten beide, dass es uns nicht weiterhalf. Ich konnte nur zu Gott beten, dass Dean etwas ähnliches wie einen Geistesblitz bekam. Und dass er nicht gefeuert wurde. Meinetwegen. Ich begann wirklich, mich zu hassen. Wieso musste immer ich am falschen Ort zur falschen Zeit sein?!
Dean ging und sagte etwas zu dem Mann, doch ich konnte sie nicht mehr hören. Die Tür wurde geschlossen. Abgeschlossen.
Was sollte ich jetzt tun? Ich fragte mich, ob Dean wiederkommen würde.
Langsam richtete ich mich auf und sah mich um. Der Boden war aus grauem Holz, an der Wand hingen so viele Spinde, dass ich sie nicht mehr durchzählen konnte. Die meisten davon waren abgeschlossen, aber ich hatte sowieso nicht vor, sie durchzusuchen. Ich würde hier einfach stehen bleiben.
Ich setzte mich auf den Boden an die Wand. Es war noch langweiliger als sonst, jetzt, da ich mit niemanden reden konnte. 
Ich malte mir aus, wie jemand anderes hier reinkam und mich fragte, was ich hier tat. Natürlich war das dumm, da ich eingeschlossen war. Aber irgendeine innere Stimme pflichtete mir bei, dass wenn Dean ein Schlüssel hätte, jeder einen hätte. Manchmal wünschte ich, ich hätte keine solche innere Stimme. Schließlich sah ich mich nach einem Versteck um. Da es in diesem Raum nichts anderes außer den Spinden gab, war dementsprechend auch kein Versteck zu finden. Wieder hockte ich mich hin und versuchte, an etwas anderes zu denken. Was machte Gave gerade? Immer redete ich mir ein, es sei nicht der richtige Zeitpunkt, an ihn zu denken. Aber jetzt sollte ich endlich an ihn denken. Wenn nicht jetzt, wann dann? Falls Bell recht hatte, was ich aber bezweifelte, wäre er so jemand, wie Dean. Oder Alex. Die beiden trennte vieles, doch sie waren fast gleich. Das einzige, was Dean anders wirken ließ, war, dass er nicht nach diesem strengem System leben wollte. So wie ich. Und wenn Bell recht hatte, dann besaß Gave keinen Chip mehr. Das wollte ich doch die ganze Zeit. Aber er würde sich nicht an mich erinnern, und sie würden ihn völlig falsch erziehen. Ich verbannte diesen Gedanken aus meinem Schädel, da ich Bell sowieso nicht zustimmte. Obwohl sie selten so etwas logisches von sich gab.
Ich meine, mein Onkel musste es besser wissen. Er kannte die Wirkung der Chips so gut, wie die Leute aus der NC. Ich vertraute ihm, er hatte mir alles erklärt. Und es tat verdammt hart weh, an ihn zu denken. Wäre ich damals nicht so sturr gewesen, dann wäre es nicht passiert.
Ich wollte mich kneifen, weil ich selbst merkte, dass ich falsch dachte. Es ist in der Schule passiert, bei meinem Onkel wäre ich ganz sicher nicht privat unterrichtet worden. Es lief alles auf das selbe hinaus. Es gab nur einen vernünftigen Grund, weshalb ich jetzt hier war.
Es hatte mit dem Tod meines Vaters zu tun. Ich wäre eigentlich umgekippt, wie meine Mom. Daran hatten sie es gemerkt. Das ergab Sinn.
Je mehr ich nachdachte, desto mehr fiel mir auf, was ich eigentlich getan hatte. Ich hatte Bell gesagt, dass ich keinen Chip besaß. Wüssten das die Leute aus der NC, hätten sie mir längst einen in meinen Nacken gepflanzt. Wütend über mich selbst dachte ich auch darüber nach, aus welchen Idioten die NC bestand. Jeder Trottel musste doch wissen, dass es so viel Zufall nicht geben konnte. Es war doch klar, dass mein Vater mich davor schützen wollte.
Die Klinke der Tür bewegte sich einmal hoch und runter. Dann nochmal. Mein Herz schlug automatisch schneller und ich nahm ein leises rauschen in meinen Ohren wahr. Womit hatte ich das verdient? Wieso passierten immer mir solche Dinge? Ich schaute mich im Raum um. Für einen kurzen Moment hatte ich überlegt, mich in einen Spind zu quetschen. Aber obwohl ich auf die Knochen abgemagert war - ich würde da niemals reinpassen. Nach kurzem überlegen rannte ich in den Winkel hinter der Tür. Jedes Kleinkind wusste, dass es kein schlimmeres Versteck gab. Die Tür wurde aufgeschlossen und geöffnet. Ich hielt sofort die Luft an und betete, dass die Person die Tür nicht zu weit öffnete. Wenigstens einmal hatte der liebe Gott mein Gebet erhört. Doch als nächstes würde ich mir wünschen, im Erdboden zu versinken oder unsichtbar zu werden. Leider wusste ich gut, dass Gott da nicht mehr mitmachte.
Ein Junge trat langsam in den Raum, von hinten zum verwechseln ähnlich mit Dean. Aber ich war mir nicht sicher, deshalb bewegte ich mich nicht. Der Mann ging langsam im Raum herum, dann drehte er sich um und schaute mich an.
Es war Dean. Ich wollte gerade auf ihn zugehen, doch er starrte mich an. Er schüttelte sogar leicht den Kopf. Was meinte er damit?
Ich blieb also an der Wand stehen und sah ihn fragend und verwirrt an.
,,Ich sag doch, dass hier niemand ist.",sagte Dean laut. Wenn meine Vermutungen stimmten, dann stand vor der Tür noch jemand. Und da ich ein richtiger Pechvogel war, tippte ich auf mehr als fünf. Wenn jemand so viel Pech hatte, dann nur ich.
,,Aber Priston hat gesagt, dass er diese Reece mit dir gesehen hat."
Ich kannte die Stimme nicht. Und ich verfluchte Priston.
Dean lachte verächtlich.
,,Du glaubst doch nicht wirklich, ich würde meinen Job aufs Spiel setzen?! Und wenn, was soll ich hier gemacht haben?",verteidigte Dean sich.
,,Er würde nicht nur seinen Job aufs Spiel setzen! Priston hat schon öfters Müll erzählt.",stellte jemand anderes fest.
,,Stimmt. Komm, Bruder."
Dean ging los, blieb aber stehen.
,,Ich muss noch das Wasser auffüllen.",erklärte er und wies auf den Raum neben ihm. Zu den Zellen.
,,Geht klar. Bis später.",verabschiedeten sie sich.
,,Bis später."
Dean wartete kurz und ich hörte, wie die Schritte verhallten.
,,Reece!",zischte er. Ich schaute hinter der geöffneten Tür hervor. Dann lief ich auf ihn zu.
,,Wow.",sagte er, bevor ich was sagen konnte.
,,Was?"
,,Dass du dich nicht bewegt hast."
,,Achso ja. Du hattest viel Ärger, oder?",fragte ich besorgt. Er runzelte die Stirn.
,,Erzähl' ich dir ein anderes Mal.",erwiederte er.
Dann schloss er die Tür auf.
,,Die haben nicht gemerkt, dass du nicht hier bist."
Ich musste grinsen. Die Meisten aus der NC waren wirklich Trottel.
,,Na dann, gute Nacht.",grinste Dean.
,,Gute Nacht."

CODE - Ungewisse Zukunft Where stories live. Discover now