Kapitel 47

1.3K 118 3
                                    

,,Weißt du was?!",schrie ich ihm hinter her. Ich wollte jetzt sagen, dass ich ihn hasse, dass ich wütend auf ihn bin. Aber mir fiel etwas anders ein. Ich stand hier. Allein.
,,Ich kann auch selbst flüchten.",murmelte ich. Dean hatte es nicht gehört, ich rannte ihm hinterher. Als ich neben ihm war, griff ich in seine Hosentasche. Meine Finger tasteten nach einem Stick, doch wer mich kennt, weiß, dass ich nie so viel Glück habe. Dean griff nach meinen Händen und ich zog sie aus der Hosentasche heraus. Er hielt mich an den Handschellen fest, ich habe versucht, wegzurennen. Dean schaute mich an, dann sagte er:,,Was sollte das?"
Ich presste die Lippen aufeinander.
,,Bitte, du kannst mich nicht im Stich lassen.",hauchte ich. Dann schaute ich ihm bettelnd in die Augen.
,,Doch, kann ich.",sagte er ruhig. Ich wollte ihn zu Brei schlagen. Ich wusste, dass dieser Gedanke aggressiv wirkte, aber das dachte doch jeder Mensch wenigstens ein Mal im Leben. Oder nicht?
,,Aber ich mach es nicht.",fuhr er fort. Ich sah ihn aus einer Mischung aus Freude, Erleichterung und Verwirrung an. Meinte er es ernst, meinte er das, was ich meinte?
Mach dir keine Hoffnungen kommentierte meine innere Stimme. Wie schade, dass ich eine hatte. Sie hätte ich am liebsten auch zu Brei geprügelt.
,,Was?",war das einzigste, was ich sagen konnte. Nicht sinnvoll, aber es war nicht meine Schuld, dass Dean in Rätseln sprach.
,,Wir hauen jetzt ab.",meinte er.
,,Jetzt. Jetzt?! Und was sollte das gerade eben?!",brüllte ich ihn an. Das Fass war übergelaufen. Immer mehr hatte ich das Gefühl, er würde mich verarschen.
,,Gerade eben hatte ich keine Lust mehr auf diese Aktion."
Ich ließ ihn nicht zu Ende sprechen.
,,Keine Lust?! Du meinst, aus heiterem Himmel überlegst du's dir anders?!",schrie ich weiter.
,,Meine Güte! Denk doch Mal nach! Ich habe hier ein gutes Leben, ich kriege alles, was ich brauche! Wenn ich weglaufe, muss ich arbeiten und sie werden mich suchen um mich zu ermorden! Ist dir das eigentlich bewusst?!",brüllte Dean jetzt mich an. Er hatte Recht. So was von Recht.
Ich stand den Tränen nahe.
,,Und das machen sie mein ganzes Leben. Bitte lass mich nicht im Stich.",murmelte ich leise. Für einen kurzen Moment sah sein Blick so aus, als würde er mich umarmen wollen. Doch dann wandte er sich ab.
,,Mach ich nicht. Steig ein.",sagte er und reichte mir den Stick. Als ich losging drehte ich mich nochmal um.
,,Danke."
Er lief mir dicht hinterher. Ich schloss den schwarzen Wagen mit dem Stick auf und setzte mich auf den Beifahrersitz. Als Dean einstieg, reichte ich ihm den Stick. Er legte ihn zur Seite, dann entfernte er meine Handschellen. Und er ließ sich Zeit. Mir kam es vor, als würde Er es mit Absicht langsam machen. Als sie endlich ab waren, warf er sie nach hinten.
Brummend ertönte der Motor. Ohne zu diktieren fuhr er einfach los. Am riesigen Stacheldrahttor hielt Dean an und stieg aus. Was machte er?
Für einen kurzen Moment wollte ich einfach durch den Zaun hindurchfahren. Doch Dean ließ sein Auge abscannen, darauf hin öffnete sich das Tor quietschend.
Schnell eilte er zurück, stieg ein und fuhr los. Das Tor schloss sich von allein.
Ich wusste noch, dass es so ein Tor gab, als wir hier ankamen. Aber es war anders. Der Weg, den wir gelaufen waren, war völlig überwuchert. Ein Wagen hätte niemals durchgepasst. Doch diese Straße an der wir herausfuhren war sandig und steinig, und breit genug für einen Geländewagen. Ich machte mir keine weiteren Gedanken mehr.
Mein Herz pochte. Ich könnte Luftsprünge machen. Und endlich würde ich Gave wieder sehen. Und meinen Onkel. Ich konnte es kaum erwarten. Lächelnd betrachtete ich die Landschaft. Es sah aus wie in einer Savanne.
Nach einer Weile änderte sich die Gegend schlagartig. Die Straße war jetzt aus Beton und hinten konnte man Hochhäuser erkennen. Ich schaute mich um, erst in die eine Richtung dann nochmal in die andere. Und dann blieb mein Blick auf Dean haften. Seine Augen waren auf die Straße gerichtet. Er kaute etwas, wahrscheinlich Kaugummi. Erst jetzt fiel mir auf, dass er hohe Wangenknochen und-
,,Hab ich was im Gesicht?",unterbrach Dean meine Gedanken, ohne mich anzuschauen. Automatisch musste ich grinsen.
,,Nein."
Dean sagte nichts mehr. Ich drehte mich in die andere Richtung zum Fenster.
Nach einer Weile räusperte er sich.
,,Wir sind gleich da.",meinte er. Mein Herz begann zu rasen. In meinem Kopf wiederholte sich das Wort Gave zigtausend mal. Gave. Endlich.
Dean fuhr eine Kurve, dann waren wir am Parkplatz der NC angekommen. Er parkte den Wagen, dann schaltete er den Motor aus.
,,Du wartest hier und-"
Ich schüttelte den Kopf.
,,Ich warte nirgendwo.",sagte ich entschlossen. Dean sah mich mit gerunzelter Stirn an.
,,Du wartest hier und ich hole Gave.",wiederholte er. Ich ließ nach, da es sowieso nichts bringen würde.
,,Na Gut, aber beeil dich.",sagte ich zu ihm. Er sah mich überrascht an, dann grinste er.
,,Bis gleich."
Er schlug die Fahrertür zu und verschwand im Gebäude.
In der Zeit flehte ich Gott an, dass wir es schaffen würden. Ich konnte nicht ein totaler Pechvogel sein. Und wenn doch, hätte ich Dean mit reingezogen, und das wäre unfair.
Lange wartete ich, ich ließ leise die Musik laufen, und schwebte mit meinen Gedanken schon ganz wo anders. Bis es an der Scheibe klopfte. Dean. Es musste Dean sein.
Ich drehte mich um, aber es war nicht Dean. Ich fuhr mit zitternden Händen die Scheibe hinunter.
,,Was machst du hier?" Der Mann sah mich prüfend an.
Ich biss mich auf die Zunge. Ja, was genau machte ich hier? Doch mit einem Blick in den Rückspiegel kehrte mein Mut zurück.
,,Ich bin die Freundin von Dean.",log ich entschlossen.
,,Er ist im anderem Gebäude."
,,Er hat einen Auftrag vom Präsidenten.",zischte ich giftig zurück. Der Mann sah mich an. Ich musste noch eine Lüge bringen.
,,Ich arbeite im kleinen Gebäude.",fügte ich hinzu. Jetzt sah er mich noch skeptischer an, als davor. Wie hohl musste man eigentlich sein?! In der NC arbeiteten ohnehin nur Männer.

CODE - Ungewisse Zukunft Where stories live. Discover now