Kapitel 41

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,,Du gehst wirklich, oder?",fragte Bell. Ich sah sie nicht an, sondern nickte langsam. Sie schnaufte.
,,Eigentlich dachte ich, dass es geplatzt ist.",murmelte sie, obwohl sie gereizt war, klang es freundlich.
,,Auf Dean kann man sich echt verlassen.",meinte ich.
,,Ich weiß noch, als er mich direkt nach meiner Ankunft auf eines dieser Vorstellungsgespräche gebracht hatte.",erzählte sie nach einer Weile. Ich sah sie an. ,,Dich auch?"
,,Klar. Ich hatte ein blaues Kleid an. Er hatte Wein darüber geschüttet, um mich schneller rauszubringen."
Ich staunte. Er versuchte, dass jedes Mädchen das Gespräch schneller verließ. Und ich dachte, ich wäre ein Einzelfall.
,,Aber er wollte mir am ersten Tag nicht hier raushelfen.",murmelte sie sogar ein wenig traurig.
,,Ich wollte hier bleiben, als er mir das angeboten hat.",murmelte ich wütend auf mich selbst. Bell lachte. Ich fand das okay, es war nun mal zum lachen dumm.
,,Sobald wir hier raus sind, helfen wir euch.",versuchte ich das Thema zu wechseln und sie zu trösten.
Bell schüttelte entschlossen den Kopf.
,,Sie werden versuchen, es zu verhindern. Oder sie killen uns direkt alle nacheinander."
So krank es sich auch anhörte - Bell hatte Recht. Die Leute aus der NC, ebenso der Präsident der vereinigten Staaten, würden nicht einfach darauf warten, bis wir die anderen holten. Das war offensichtlich. Aber irgendwie werden wir es schon schaffen.
Das Gute gewinnt immer, hatte meine Mom jedes Mal gesagt. Ich konnte nur hoffen, dass sie Recht hatte.
,,Wieso gehst du nicht mehr auf diese Gespräche mit dem Präsidenten?",fragte ich und zog meine Beine an meinen Körper.
,,Irgendwann hört es auf. Ich meine - sieh mich doch an. Ich bin hässlich, mich braucht niemand mehr. Alle interessieren sich für dich.",erklärte sie.
Ich wollte gerade erwiedern, dass sie hübsch sei, doch dann ließ ich es.
,,Bei mir hört es sicher auch bald auf.",meinte ich. Ich wusste nicht, ob ich sie damit tröstete.
,,Ich hasse diese Gespräche jedenfalls.",sagte ich. Ich hasste sie wirklich. Ich konnte es nicht ertragen, die Blicke vom Präsidenten auf mir zu spühren. Ich hasste es mit ihm zu sprechen. Und ich hasste ihn.
,,Wirklich?",wunderte sich Bell.
,,Gefällt dir das etwa?",fragte ich. Worin konnte man daran gefallen finden?
,,Ja, doch schon."
Ich schaute sie an.
,,Was ist denn daran toll?"
Bell seufzte.
,,Ich weiß, dass es sich komisch anhört, aber ich fühle mich... berühmt. Alle schauen dich an, wenn du die Treppen runterkommst.",schwärmte Bell. Das hatte ich wirklich kein einziges Mal gespürt. Ich fand es schrecklich, von allen angegafft zu werden. Ich wollte mich auch nicht in viel zu enge Kleider zwingen und Make-Up tragen, nur um hübsch auszusehen. Mir war relativ egal, wie ich aussah.
,,Wieso machen sie denn diese Gespräche?",fragte ich Bell, in der Hoffnung, sie würde es wissen. Schließlich war sie schon länger hier.
,,Ich vermute, sie stellen uns den berühmten Personen vor. Ich glaube, wir sind etwas besonderes ohne die Chips.",meinte Bell.
,,Aber wir sind ein Fehler. Sie versuchen uns doch aus dem System zu entfernen.",wiedersprach ich ruhig. Bell zuckte mit den Schultern.
,,Frag doch Dean."
,,Er sagt immer, er würde es mir später sagen. Wahrscheinlich, wenn wir hier raus sind.",erklärte ich.
,,Wie lange denn noch?",fragte Bell und rieb sich die Augen.
,,Ich bin mir nicht sicher, vielleicht sechs Tage oder so.",sagte ich.
Bell nickte und schaute weg. Niemand von uns beiden wusste, worüber wir jetzt reden sollten. Bell war eigentlich ganz okay. Ich weiß, dass wir uns am Anfang nicht mochten, aber jetzt konnte man gut mit ihr reden. Sie war besser, als alle Anderen hier. Ich wollte es nicht zugeben, aber vielleicht werde ich sie vermissen.
,,Ich werde versuchen, Dean zu überreden, dich auch mitzunehmen."
Es ist mir rausgerutscht, ich hatte nicht darüber nachgedacht. Jetzt machte ich Bell Hoffnungen. Ich hätte mir für meine Dummheit am Liebsten selbst eine geschmiert. Bell schaute mich an.
,,Würdest du?"
Ich nahm tief Luft.
,,Ja, aber ich kann dir nicht versichern, dass es klappt.",sagte ich nervös. Bell hatte anscheinend nur mein Ja gehört, da sie sich jetzt schon anfing bei mir zu bedanken. Sie kreischte wie ein kleines Kind, und ich wusste nicht, ob ich das richtige getan hatte. Dean hatte schon bei Gave gezweifelt. Er konnte mich auch einfach sitzen lassen. Klar würde ich dann versuchen, ihm das Leben zur Hölle zu machen, aber wie könnte ich das anstellen? Ich war in einer Zelle, ich konnte nichts tun. Dean war wirklich die einzigste Hoffnung, die ich hatte. Ich könnte ihm niemals genug danken.
,,Was ist los, Reece?"
Bell weckte mich aus meinen Gedanken, ich schüttelte kurz den Kopf um diese endgültig loszuwerden.
,,Was?"
,,Du bist so still. Ist was?"
Ich beschloss, ihr nicht zu sagen, worüber ich gerade gedacht hatte.
,,Ich bin nur müde.",log ich. Bell lächelte. Sie schien glücklich zu sein.
Eigentlich hätte ich nicht von ihr erwartet, sich völlig auf mich zu verlassen. Sich Hoffnungen zu machen. Mir war bewusst, dass ich das selbe machte. Aber ich hatte eine größere Chance als Bell. Dean sah es einfach nicht ähnlich, mich links liegen zu lassen. Ich vertraute ihm. Sogar Gave hatte eine größere Chance, oder wenigstens gleichgroß, da er noch im anderem Gebäude saß. Ich würde Gave sowieso bevorzugen, das war ich ihm schuldig. Im schlimmsten Fall würde ich Bell für Gave sitzen lassen. Hätte ich nichts gesagt, dann müsste ich sie nicht enttäuschen. Ich biss mir auf die Unterlippe. Verkackt, Reece. Verkackt, kommentierte meine innere Stimme.

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