║Achtundvierzig Tage danach║

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Es ist nicht trocken geblieben.

Als wir am nächsten Morgen beim Frühstück sitzen prasselt der Regen von draußen gegen die Fensterscheiben. Das Wasser auf den Straßen spritzt mit jedem Auto, das vorbeifährt, in einem Schwall auf die Gehwege und alle paar Minuten läuft ein Passant mit eingezogenem Kopf und hochgeschlagenem Mantelkragen vorbei.

„Was machen wir heute?", frage ich an Max gerichtet, als ich meinen Blick endlich von den herunterlaufenden Tropfen auf den Fensterscheiben der Lobby losreißen kann.

Max wirft wie ich zuvor einen zweifelnden Blick nach draußen.

„Also, so schön London auch sein mag, bei so einem Wetter geh' ich nicht freiwillig vor die Tür, wenn ich nicht muss. Willst du denn jetzt nach draußen?" Max deutet mit seinem Blick wieder zu den regennassen Fensterscheiben. „Wenn du willst, komm ich natürlich mit", fügt er allerdings noch schnell hinzu, ehe er mich wieder ansieht.

Abwinkend schüttle ich den Kopf. Auch ich bin nicht gerade begeistert von der Idee patschnass durch die Straßen zu schlurfen.

„Lass uns entspannen, wir haben schließlich Urlaub. Und irgendwo habe ich gelesen, dass das Hotel einen super ausgerüsteten Spa Bereich haben soll", ergänze ich. Max ist, wie nicht anders zu erwarten war, einverstanden und gemeinsam machen wir uns wenig auf die Suche nach dem Wellness-Bereich.

Das Spa-Abteil ist bei weitem nicht so gut ausgerüstet, wie ich es aufgrund der Bilder mir ausgemalt habe, aber dennoch besser, als es bei einem so günstigen Hotel wie diesem zu erwarten wäre. Mit kleinem Pool inklusive integriertem Whirlpool, einer Sauna und einem kleinem Fitnessraum bietet dieses Hotel zumindest mehr, als ich es für üblich halte.

Nach einer Dreiviertelstunde Laufband und Crosstrainer im Fitnessraum siedeln wir in den Pool um und statten anschließend der Sauna einen Besuch ab. Zwei Stunden später sitzen wir frisch geduscht und rundum erholt wieder in unserem Hotelzimmer und besprechen, was wir mit dem angebrochenen Tag weiter anfangen wollen. Da es zwar aufgehört hat, zu regnen, die Sonne sich aber weiterhin weigert, sich zu zeigen, schlägt Max einen Besuch im Museum vor. Da ich nichts Besseres vorzuschlagen habe, stimme ich ohne Gegenvorschlag zu.

Aus einem Museum werden schließlich zwei. Nicht ganz ohne meinen Widerwillen. Zuerst besuchen wir die National Gallery am Trafalgar Square. Ich verstehe zwar nicht, was so toll daran sein soll, stundenlang durch endlose Gänge und Räume zu latschen und sich irgendwelche Bilder aus dem vorletzten Jahrhundert anzugucken, aber da Max darauf beharrt hat, dass die National Gallery eins der Museen ist, in dem man unbedingt mal gewesen sein muss, kann ich ihm diesen Wunsch schlecht abschlagen. Auch wenn ich davon überzeugt bin, dass London weitaus spannendere Museen zu bieten hat, als dieses Kunstmuseum. Ich versuche daher meine Erleichterung so gut ich es kann zu verbergen, als ich anderthalb Stunden und etliche „Kunstwerke" später endlich ins Freie stolpere. Max bricht in Lachen aus, als er meinen verzogenen Gesichtsausdruck sieht. Mein Pokerface scheint nicht besonders überzeugend zu sein. Ich kann nicht anders, als in sein Lachen einzustimmen. Bestimmt halten uns die anderen Leute hier schon für verrückt.

„Komm schon, Max, du musst zugeben, dass diese alten Schinken nicht gerade das Spektakulärste waren, was du in deinem Leben gesehen hast. Du kannst doch unmöglich sooo fasziniert von ein paar nichtssagenden Bildern sein."

Ich rufe mir in Erinnerung, wie Max minutenlang stirnrunzelnd vor den langweiligsten Bildern stehengeblieben ist. Ich wette, das hat er nur getan, um mich zu ärgern.

„Das sind keine nichtssagenden Bilder, das sind Kunstwerke!"

Die Art wie Max das Wort „Kunstwerk" betont und dabei seine Augen in Falten legt, zeigt, dass er es mit seinem Tadel nicht besonders ernst meint. Ich verdrehe die Augen und ziehe dann mit Max im Schlepptau zum nächsten Starbucks Shop. Nach dem langweiligen Rumgeeier im Museum brauche ich dringend einen Kaffee um wieder richtig wach zu werden. Und außerdem ist das Frühstück schon gefühlte Ewigkeiten her.

Die Sekunde, in der die Welt stillstandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt