Lektion 21: Was raus muss, muss raus!

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Liena stiefelte wütend davon. Vom Eingang, an dem sie jetzt standen, wusste Liena den Weg zu dem Raum, in dem Raphel lag.

"Dann wünsche ich eine gute Nacht, Miss Kernstein.", rief Barnes noch, aber Liena ignorierte ihn. Er wirkte vielleicht nett und höflich, aber in Wirklichkeit war er nur ein gut trainierter Hund ihres Vaters, der alle Befehle widerstandslos befolgte.
Sie würde sich hier nicht bevormunden lassen und schon zweimal nicht von ihrem Vater. Der konnte ihr gestohlen bleiben.

Sie schlich sich in den großen Raum, der viel mehr ein Saal war, da sie Angst hatte, rausgeschmissen zu werden. Sie musste hinter ein paar Vorhänge spicken, bis sie Raphel fand.

Sofort zog es ihr das Herz zusammen, als sie ihn sah. Schlagartig wurde ihr bewusst, wie wenige Gedanken sie heute über ihn hatte, dabei lag er hier bewusstlos. Und immer noch mit dem Risiko ein Zomb zu werden, sollte die Infektion weiter als nur seinen Arm gekommen sein. Sie zog sorgfältig den Vorhang zu. Sie kuschelte sich vorsichtig zu ihm ins Bett, auf die Seite seines gesunden Arms natürlich. Trotz der Bewusstlosigkeit war er warm und seine Wärme zu spüren, tat Liena gut. Was für ein verrückter Tag war das nur gewesen?

War sie vor zwei Tagen erst noch am Grand Canyon gewesen? Dann bei den Barbaren. Das Gespräch mit Medusa. Dann der Zomb-Angriff in Burnington. Raphels Verletzung. Die nicht enden wollende Fahrt nach Solaris, dann Raphs Operation und die unfassbar lange Wartezeit. Ihr Wiedersehen mit ihrem Vater, die Entdeckung, dass ihre Mutter anscheinend noch lebte, sie aber nicht mehr erkannte. Und sie hatte Josh gefunden, der hier im Camp Solaris lag. Aber im Koma. Sie hätte gleichzeitig nicht glücklicher und trauriger sein können.

Sie spürte, wie ihre Kehle plötzlich eng wurde. Bekam keine Luft mehr. Tränen krochen ihr in die Augen. Ein beklemmendes Gefühl machte sich in ihr breit. Fühlte sich so eine Panikattacke an? Sie schluchzte leise auf.

Sie wusste gar nicht, was sie tun sollte. So viele Fragen hatte sie, die beantwortet werden wollten. Ihr Kopf schien zu platzen und gleichzeitig nach Informationen zu lechzen. Sie wollte alles wissen, und doch war es zu viel. Es überwältigte sie alles. Die letzten zwei Tage war zu viel passiert. Seit 48 Stunden hatte sie nicht geschlafen und es eigentlich gar nicht bemerkt, weil ihr Körper mit Adrenalin und den verschiedensten Gefühlen durchflutet wurde. Sie hatte Hunger und auch ihr tat der ganze Körper weh. Vom Kämpfen, von verkrampften Schultern und Erschöpfung.

Ein weiteres Gespräch mit ihrem Vater hätte sie jetzt nicht mehr überstanden.

Ihr Körper zitterte und sie fror. Sie hatte noch nie eine Panikattacke gehabt. War das normal? Oder wurde sie krank? Das würde noch fehlen. Sie kuschelte sich noch ein wenig näher an Raph, sie musste seine Nähe spüren. Auch wenn er sie jetzt nicht im Arm halten konnte, war er doch der einzige, der ihr Halt gab. Sie hatte seinen Geruch in der Nase, den sie trotz dem Geruch von Blut, Schweiß und Dreck, genau riechen konnte. Es beruhigte sie langsam. Ihre Atmung verlangsamte sich und ihre Kehle war nicht mehr so eng. Die Augen wurden ihr schwer von den Tränen. Ihr Schlafmangel überrollte sie. Liena wehrte sich nicht und fiel in einen tiefen Schlaf.

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"Was tun Sie denn da?", wurde sie von einer schrillen Stimme geweckt. Dann wurde sie auch schon grob aus dem Bett gezogen. Noch im Halbschlaf rieb sie sich die Augen und sah einen Mann mit Glatze und weißem Kittel. Der Arzt. Dr. Becker oder so.

"Auch einen schönen guten Morgen.", grummelte Liena.

"Das Risiko einer Infektion Cain ist noch immer hoch und eine Verwandlung möglich. Und Sie legen sich zu ihm ins Bett! Er hat sowieso schon Fieber und ihre zusätzliche Körperwärme hätte ihn überhitzen lassen können. Machen Sie, dass Sie hier rauskommen!" Der Arzt war sauer. Aber so früh am Morgen ließ Liena sich nicht gerne anschreien.

Signs of CainWo Geschichten leben. Entdecke jetzt