Lektion 26: Flüchte, wenn du kannst!

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"LIENA!!!", schrie Raphel. Nur knapp entkam er den herunterfallenden Klumpen aus Steinen und Erde. Es war so staubig, dass Raphel nichts mehr sehen und atmen konnte. Er konnte Liena nicht mehr sehen.

Noch einmal schrie er ihren Namen. Was hatte sie nur getan? Warum? Warum hatte sie in die Decke des Tunnels geschossen und sich die Fluchtmöglichkeit verwehrt? Er konnte sie nicht zurücklassen.

Jemand berührte ihn an der Schulter. Er schaute auf in das traurige Gesicht von Cia.

"Raph, komm jetzt. Wir müssen los."

"Nein! Wir können sie dich nicht zurücklassen! Warum hat sie das getan?!" Er klang richtig verzweifelt und ein bisschen wunderte er sich selber, dass seine Gefühle so überhandnahmen. Aber sie hatte "ich liebe dich" gesagt.

"Ich weiß es nicht. Aber wir müssen jetzt hier raus, bevor der Rest des Tunnels auch noch einstürzt!"

"Aber-"

"Raph bitte! Ihr Plan war es, dich und Josh in Sicherheit zu bringen und das hat sie geschafft. Aber nur wenn wir jetzt demnächst aus dem Tunnel rauskommen!"

Raphel biss die Zähne zusammen. Das war nicht der Plan gewesen. Warum musste Liena nur immer so sturköpfig sein. Es wäre alles in Ordnung gewesen, wenn sie nach sich in die Decke gefeuert hätte. Dann stände sie jetzt mit ihm auf der richtigen Seite.
Raph fiel ein kleiner Stein auf den Kopf. Cia hatte ja Recht. Sie mussten hier raus. Wenn sie hier verschüttet wurden, war alles umsonst. Mühsam drückte er sich an der Wand hoch und versuchte zu stehen.

Er fühlte sich so erschöpft wie noch nie. Und er hatte schon viel aushalten müssen bei der Army und während der Apokalypse.

Seine Finger der linken Hand kribbelten unangenehm, als wären sie taub. Geistesabwesend fasste er ins Leere, als er mit der anderen Hand sie massieren wollte. Verwirrt sah er hinunter. Scheiße, jetzt bildete er sich auch noch ein, dass seine nicht vorhandene Hand wehtat.

Langsam schleppte er sich vorwärts. Mit Liena vorhin war das wesentlich einfacher gewesen. Aber Cia musste Josh unterstützen. Er war genauso wackelig auf den Beinen wie Raphel. Josh war schließlich seit langem nicht mehr gelaufen. Mit Hilfe der Wand, an der er sich abstützte, kam er dann einigermaßen voran.

Sie schienen ewig zu laufen. Der Tunnel nahm und nahm kein Ende. Irgendwann ging das Licht des Tunnels plötzlich aus. Es wurde stockdunkel und der Nachhall im Tunnel klang unangenehm laut.

Raphel hörte Cia fluchen. Sehen konnte er sie allerdings nicht. Es dauerte eine ganze Weile, bis sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Sie kamen zunehmend langsamer voran.

Jeder Muskel in Raphel schrie danach, sich auszuruhen. Er schwitzte und gleichzeitig war ihm so kalt. Der Tunnel war unangenehm kalt. Wenn er die Augen nach oben verdrehte, spürte er einen stechenden Schmerz, der nur auf Fieber schließen ließ.
Er wollte sich einfach hinlegen und schlafen. Am liebsten die nächsten zwei Tage nicht mehr aufwachen. Aber er wusste, dass er jetzt durchhalten musste.

Auf einmal war Cia an seiner Seite. Sie schlüpfte unter seine Schulter und stützte ihn.

"Josh kann auch ein paar Meter alleine gehen. Du schnaufst gewaltig und hast auch ein wenig Hilfe nötig.", erklärte Cia auf seine stumme Frage.

Raphel hatte nicht die Kraft zu antworten. Er war ihr einfach nur dankbar, jemanden zu haben, auf den er sich etwas abstützen konnte.

Der blöde Tunnel zog sich. Raphel war sich sicher, dass sie aus Solaris draußen waren. Außerhalb der Mauern. Das musste doch auch bedeuten, dass sie das Ende bald erreichten.

Signs of CainOpowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz