Kapitel 2

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Die Kinder waren schon in der 'Schule'. Obwohl man das wohl nicht so bezeichnen konnte, denn sie wurden Zuhause unterrichtet. Ich machte mich nun daran in der Küche ein wenig für Ordnung zu sorgen. Gabriel hatte mich darum gebeten, denn heute Abend wollte er mit uns allen - auch Coras und meiner Familie - zusammen essen und das kam selten bis nie vor.

Menschen aßen nicht mit Engeln am Tisch. Das war ein Fakt. Ausnahmen bedeuteten, dass etwas Großes bevorstand und leider wussten Cora und ich auch schon, was es sein wird. Wir waren nun Alt genug, um weggegeben zu werden. 

Das bedeutete, dass wir zu einem der anderen Erzengel kommen würden. So ist es bei allen Dienern der Erzengel. Weshalb wurde uns nie erklärt und es war uns verboten nachzufragen. Meine Mutter hatte ursprünglich bei Michael gelebt und gedient. Zusammen mit Coras Mutter kam sie dann hier her.

Cora und ich würden auch zusammen gehen und zusammen bleiben. Das hatte Gabriel uns versichert und er hielt sein Wort immer, solange er es halten konnte. Und da er ein mächtige Erzengel war konnten wir uns sicher sein, dass es so werden würde.

Cora reinigte die Zimmer der Kinder, während Gabriels Frau bei meinen und Coras Geschwistern war. Es war eine wunderbare und wunderschöne Engelsfrau. Gabriel hatte guten Geschmack und damit meinte ich nicht nur äußerlich. Auch im Inneren war sie wunderschön. Im Gegensatz zu vielen anderen Engeln verachtete sie die Menschen nicht, sie respektierte sie. Genauso wie Gabriel.

Nachdem ich mit der Küche fertig war schnappte ich mir den Staubsauger, um damit ein wenig durch das riesige Wohnzimmer zu gehen. Der weiße Teppich dort hatte das dringend nötig. Da nebenbei der Fernseher lief erfuhr ich auch etwas über die Welt der Engel. Die Welt, die uns eigentlich verboten war. Wahrscheinlich wusste Gabriel, dass wir solche Momente ausnutzten, doch er sagte nichts dazu. Einmal hatte er Cora erwischt und sie dennoch nie darauf angesprochen. 

Als auch das Wohnzimmer wieder halbwegs passabel aussah stellte ich den Staubsauger wieder an seinen alten Platz und machte mich auf den Weg in die Küche, wo ich Cora schon kochend vorfand. Vielleicht hätte ich die Küche erst später sauber machen sollen, ich Doofie. 

Ich gesellte mich zu ihr und half wo ich konnte. Jedoch war ich nicht allzu begabt, was das Kochen anging. Sie hingegen schon, weshalb ich ihr die meiste Arbeit überließ. Mir fiel wieder ein, dass sie ja vorhin über den Rat der Engel reden wollte. Hier konnte sie es jetzt.


"Was wolltest du eigentlich vorhin mit dem 'Rat der Engel'?", fragte ich. Zwar nicht sonderlich leise, doch auch nicht sonderlich laut. Es war ein gutes Mittelmaß zwischen Beidem. Jedenfalls meiner Meinung nach. Sofort hörte sie auf zu kochen und drehte sich aufgeregt zu mir. Oh klasse, dachte ich.

"Auf Raphaels Kontinent dürfen alle Engel nurnoch eine bestimmte Anzahl von Sklaven und Dienern besitzen. Ist das nicht großartig?", sagte sie und schien sich total zu freuen. Ich hingegen fragte mich vielmehr, woher sie das überhaupt wusste, doch nachfragen würde ich dennoch nicht. Sie hatte ihre Quellen. Das hatte sie schon immer.

Ich zuckte mit den Schultern und rührte kurz einmal mit dem Löffel im Topf, damit nichts anbrannte. Was interessierte mich das? Dieses Gesetz gab es überall schon, nur bei ihm noch nicht. Und jetzt eben schon, wow. 

"Man City", sagte sie und stubste mich an, als sollte ich mich freuen. Doch ich tat es nicht, denn wie gesagt, es interessierte mich nicht sonderlich. Aber ich war froh, dass sie es sich endlich angewöhnt hatte, mich bei meinem Spitznamen zu nennen. City war mir lieber - sogar viel lieber - als Citiana. Welche Mutter tut einem das bitte an?

"Endlich gibt es Hoffnung auf Besserung für die Menschen in Europa", fuhr sie fort. Okay gut, das hatte etwas Positives. Sie waren genau wie wir und dennoch ging es ihnen deutlich schlechter als uns. 

"Raphael soll das jedoch nicht sonderlich gefallen haben." Dann begann sie sich langsam wieder dem Essen zu widmen. Ich setzte mich auf die Theke, wie ich es immer tat, wenn sie kochte.

"Wen wundert das? Mr. Ich-Darf-Alles wurde mal zurechtgewiesen und es passt ihm nicht. Er wird es überleben", entgegnete ich. Und das würde er auch, denn er würde versuchen dieser Regelung zu umgehen. Wie er es immer tat, wenn ihm etwas nicht gefiel. Er war wie ein kleines Kind, das alles tat, um zu bekommen was es wollte. Nur bekamen Kinder meist nicht das, was sie wollen. Raphael jedoch schon.

Er beginnt dann Menschen zu drohen und die anderen Erzengel geben kleinbei, weil sie keinen großen Aufstand riskieren wollen. Sie waren froh genug, die Erde endlich 'erobert' zu haben. Diesen Status gaben sie nur ungern wieder her. 

* * *
Am Abend machte ich mich fertig für das Abendessen, welches meine Mutter kochte. Okay, mit fertigmachen meinte ich, dass ich meinen Zopf erneuere. Nachmittag hatten Cora und ich auf Gabriels Kinder aufgepasst und dann hatten wir eine Stunde frei. In der habe ich gelesen und etwas gegessen. 

Nun machte ich mir langsam auf den Weg ins Esszimmer, wo Gabriel und seine Familie schon platz genommen hatte. Auch Cora und ihre Famile saß schon. Meine Geschwister setzten sich gerade und meine Mutter brachte das Essen ins Esszimmer. Schnell ging ich in die Küche, um ihr zu helfen. 

Ich nahm eine Sache und brachte sie zum Tisch, wo ich sie schließlich abstellte. Dann setzte auch ich mich und wir warteten nur noch auf meine Mutter. Als auch sie platz nahm begann sich jeder etwas zu Essen zu nehmen. Still wurde dann gegessen.

Am Tisch war es immer ruhig. Zwar saß ich nie mit dran, doch man konnte es hören, denn meist war ich dann bei meiner Mutter in der Küche, um selber etwas zu essen, oder ich wischte Staub. Wenn sie am Tisch reden würden, dann würde ich es hören.

Als alle fertig waren wollte meine Mutter aufstehen, doch Gabriel hielt sie zurück und somit blieb sie sitzen. Er sah uns alle einmal an, bevor er zu sprechen begann.

"Ihr wisst, dass es langsam Zeit ist, um zu gehen", sagte er und sah dabei Cora und mich an. Wir beide nickten und warteten darauf, dass er weitersprach.

"Nun, ich denke die Zeit ist reif. Ich habe eure neue Arbeitsstelle gewählt und ihr wurdet angenommen", fuhr er fort. Langsam aber sicher wurde ich nervös.

Meine Mutter hatte mir gesagt, dass sie innerlich einen Luftsprung gemacht hat, als sie hörte, dass sie zu Gabriel gehen würde. Ich hoffte zusammen mit Cora bei Michael zu landen. Dafür hatte ich sogar schon ein paar Mal gebetet, auch wenn ich an soetwas nicht glaube.

"Ihr zwei werdet zusammen bleiben. Auch das wurde beschlossen", meinte er. Am liebsten hätte ich ihm gesagt, dass er auf den Punkt kommen soll, doch ich verkniff es mir. Soetwas gehörte sich nicht. Dafür könnte ich die Todesstrafe bekommen. Und die wurde nicht gerade angenehm durfgeführt. Man litt und zwar sehr.

"Ich habe lange hin und her überlegt und zwischen zwei der Erzengel geschwankt. Doch schlussendlich wusste ich, dass ich euch nicht zu Michael schicken kann, selbst wenn ich es wollte", sagte er. Scheiße. Kein Michael. Dann lass es bitte Uriel werden, betete ich innerlich. 

Zwar wusste man nicht viel über ihn, aber es war immernoch besser, als bei Raphael oder Raziel zu landen. Kurz sah ich zu Cora. Sie schien ebenso angespannt zu sein wie ich. Wer wäre das an unserer Stelle auch nicht?

"Ihr werdet zu Raphael geschickt. Schon Morgen." Als die Worte seinem Mund entwichen hätte ich am Liebsten laut losgeschrien. Was habe ich in meinem Leben nur falsch gemacht? Womit hatte ich das verdient?

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