Kapitel 40

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Zu meiner Überraschung ging es mir am nächsten Morgen gut. Ich wachte in Raphaels Armen auf und lächelte leicht, denn er schlief noch. Er wirkte so friedlich dabei. Mir gefiel dieser Anblick und ich würde ihn genießen, so lange ich konnte. Doch leider war es mir nicht allzu lang vergönnt, denn auch er wurde langsam wach. 

"Guten Morgen", sagte ich leise. Daran könnte ich mich definitiv gewöhnen. Neben ihm aufzuwachen. Sanft strich ich ihm das Haar aus dem Gesicht und er lächelte mich verschlafen an. Dann sah ich das erste mal auf die Uhr. Halb zehn. So lange habe ich schon ewig nicht geschlafen. 

Langsam richtete ich mich auf und fuhr mir durchs Haar, als die Tür aufging. Es war Raziel, der mich kurz mit großen Augen ansah, bevor er schmunzeln musste. Seufzend setzte auch Raphael sich auf. "Brooke ist hier. Sie sieht nicht gut aus", erklärte er. Nun war ich diejenige mit den großen Augen. 

Schnell stand ich auf. Ich wollte zu ihr. Dabei war mir egal, dass ich nur meine Unterwäsche und Raphaels T-Shirt trug. Schnell lief ich an Raziel vorbei nach unten. Dort saß Brooke. Sie hatte eine Verletzung am Arm, die Cora bereits versorgte. Langsam ging ich zu ihr. "Was ist geschehen?", wollte ich wissen. 

Als sie mich ansah, lief ihr eine Träne über die Wange. "Wir wurden in der Nacht angegriffen. Es dauerte nur ein paar Minuten. Doch im Viertel gab es viele Tote. Nicht einmal den Alarm konnten wir aktivieren." Eine weitere Träne verließ ihr Auge und tropfte zu Boden. "Es...es hat Venus erwischt. Sie ist tot", fuhr sie fort und begann nun etwas zu weinen. 

Kurz sah Cora zu mir, bevor sie Brooke zu trösten begann. Sie hatte eine Freundin verloren. Das musste schmerzhaft sein. Ich konnte mir den Schmerz nicht einmal vorstellen. Auch ich hockte mich dann zu ihr. "Unser Sieg wird die Rache sein", sagte ich. Wir würden siegen. Dann war Venus nicht umsonst gestorben. Obwohl das Unsinn war. 

Jeder Tote in diesem Krieg starb umsonst. Schließlich gab es keinen angemessenen Grund, diesen Krieg zu führen. Kein Grund wäre angemessen genug dafür. Man konnte die Dinge immer anders klären, wenn man nur wollte. Und Gabriel wollte es nicht. 

"Du kannst bei uns bleiben, wenn du willst", sagte ich. Überrascht sah sie mich nun an. Wenn  ihr Viertel angegriffen wurde, war die Chance gering, dass sie noch einen Ort hatte, an den sie hinkonnte. Also warum sollten wir sie dann nicht aufnehmen? "Danke", sagte sie leise und ich nickte nur. 

Dann ließ ich sie mit Cora wieder allein, schließlich musste ich mich anziehen. Oben in Raphaels Zimmer angekommen, lag dieser noch im Bett. Leicht schmunzelnd sah ich ihn an, bevor ich wieder ernst wurde und ihm die Situation erklärte. Auch, dass Brooke hier bleiben würde. Er nickte. Also gab es von seiner Seite keine Einwende. 

"Raziel und ich haben gestern auch darüber gesprochen, wie es nach dem Krieg weiter gehen soll", sagte er nach einer Weile. "Er wird dann erst einmal nach Asien zurückkehren, um dort für Ordnung und Frieden zu sorgen." Ich nickte. Es würde seltsam ohne ihn im Haus sein. Oder ohne Malia. Doch natürlich hatte auch er einen Kontinent, um den er sich irgendwie kümmern musste. Das hatte er die letzten Monate schleifen lassen.

"Bleibt Dave?", wollte ich wissen. Nun grinste Raphael. "Du magst ihn wirklich, huh?", neckte er mich und ich verdrehte die Augen. "Er ist, neben Cora, mein bester Freund hier", antwortete ich ehrlich. Raphael nickte. Dann lächelte er. "Soweit ich weiß, hat er nicht vor so schnell alleine zu wohnen." Diese Antwort beruhigte mich etwas. 

Natürlich würde ich auch gern allein mit Raphael sein. Doch mir gefiel ein volles Haus. Zusammen hatten wir auch spaßige Zeiten erlebt, obwohl sie selten waren. Doch gerade das machte sie besonders. Und Azzurra, die keinerlei weitere Bindung zu uns hatte, würde definitiv das Haus verlassen. Sollte die Beziehung sich verfestigen, würde Cora vielleicht mit ihr gehen. 

Noch eine Weile philosophierten wir über die Zukunft, bis wir beschlossen, Mittag essen zu gehen. Frühstück machte nun keinen Sinn mehr. Denn das Kochen würde auch noch etwas dauern. Also verließ ich das Zimmer, um mich in meinem umzuziehen, bevor ich nach unten ging. In der Küche machte ich mir einen Zopf und dann begann ich. Cora half mir. Brooke deckte den Tisch. 

Doch als wir am Tisch saßen, war ein Platz leer. Es war der von Dave. Wo blieb er? Schlagartig erinnerte ich mich an seine zwei Hustenanfälle gestern. Konnten Engel krank werden, so wie Menschen? Gehört hatte ich noch nicht davon. Gerade als ich fragen wollte, tauchte er jedoch auf. 

Gut sah er jedoch nicht aus. Er war blass. Auch seinen Teller füllte er kaum. "Hast du einen Kater?", neckte Raphael seinen besten Freund. Dave schmunzelte leicht, doch es wirkte nicht echt. "Vermutlich", antwortete er und Raphael lachte leicht. Es fiel mir schwer zu glauben, dass ihm Daves Zustand nicht seltsam vorkam. Noch nie hatte ich einen Engel gesehen, der so aussah. 

Nach dem Essen, als Brooke und ich abwuschen, entschloss ich, mit ihr zu reden. "Können Engel krank werden?", wollte ich leise wissen und sah kurz zu Dave, der noch immer am Tisch saß. Brooke folgte meinem Blick, bevor sie zurück zu den Tellern sah und den Kopf schüttelte. 

"Nein", antwortete sie. "Aber Venus Bruder...ihm ging es vor seinem Tod auch immer schlechter. Keiner konnte sagen, was es war. Doch Venus war fest davon überzeugt, dass es eine neue Erkrankung war, die sich gebildet hat. Irgendeine Weiterentwicklung eines Bakteriums oder so", erklärte sie. 

Venus hatte einen Bruder? "Starb er daran?", wollte ich wissen. Kurz schwieg Brooke und starrte geradeaus, dann nickte sie. "Es dauerte einige Wochen. Aber ja, letztendlich hat es ihn umgebracht." Erneut sah ich zu Dave, der zu husten begann. Es hatte Venus Bruder umgebracht. Doch laut Brooke war sie immer bei ihm, also konnte es nicht ansteckend sein. 

Vielleicht hatte er es ja auch überhaupt nicht und es war tatsächlich nur ein Kater. Doch es war die Hoffnung, die aus mir sprach. Denn das letzte, was wir gebrauchen konnten, war eine seltsame Erkrankung, die Engel schwächte und tötete. Das konnte eine Panik auslösen. 

Ich ging zum Tisch und wollte noch etwas abräumen, als Dave Schwierigkeiten beim Aufstehen hatte. Sofort hielt ich ihn fest. "Ist alles okay?", wollte ich wissen und sah ihn besorgt an. Er schüttelte dann mit dem Kopf. "Mir geht es überhaupt nicht gut, City", antwortete er ehrlich. "Ich muss mich wieder setzen." Ich nickte und half ihm dabei. 

Gleich darauf wollte ich Raphael holen, doch Dave hielt mich fest. "Sag es ihm nicht", bat er mich. Verwirrt sah ich ihn an. Sein bester Freund sollte es wissen. "Raziel weiß es. Das ist genug. Raphael soll sich nicht sorgen", meinte er daraufhin. Er hatte es also bereits jemandem erzählt. Und er wollte nicht, dass Raphael in solchen Zeiten abgelenkt ist. Ich schloss meine Augen. Dann nickte ich. 

"Unter einer Bedingung", sagte ich und sah ihn dann wieder an. "Ruf mich. Egal um welche Uhrzeit. Egal wann. Ich werde kommen", versprach ich ihm. Es war das Versprechen einer Freundin. Und genau die wollte ich für ihn sein, denn all die Zeit war er das auch für mich. Und das, obwohl er von Menschen nicht viel hielt. Er nickte als Antwort darauf. Zwar beruhigte mich das nicht, doch ich beließ es, vorerst, dabei. Doch mir gefiel der Gedanke nicht, es Raphael zu verheimlichen.

A/N: Na, mögt ihr Dave?

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