Kapitel 29

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Der Ballsaal war größer, als ich erwartet hatte. Und voller. So viele Engel. Das erinnerte mich an den Ball bei Raphael. Ich schluckte. Dave schien zu spüren, wie angespannt ich bin und sah zu mir herunter, als ich ihn ansah. 

"Niemand wird hier irgendwas versuchen, City", versuchte er mich zu beruhigen. Gern würde ich das glauben, doch nicht alle Engel waren wie Dave. Und nicht einmal er war vermutlich immer so wie er nun war. "Alle wissen, dass du mit zu Raphael gehörst. Das wagen sie nicht", fuhr er fort, dann grinste er leicht. "Außerdem sind wir hier bei Uriel. Auch menschliche Diplomaten wurden eingeladen." Dann zeigte er auf einige. 

Wir gingen zu einem jünger aussehenden Mann. Er hatte dunkle Haut und sehr kurzes Haar. Offen lächelte er mich an, als er mich sah und schien noch glücklicher darüber, Dave zu sehen. "Dave, lange ist es her", sagte er mit leichtem Akzent und umarmte den Blonden. Dieser erwiderte die Umarmung. Ich hatte eigentlich nicht wirklich erwartet, dass Dave noch einen menschlichen Freund hatte. Doch es ließ ihn noch sympathischer wirken. 

Dann sah der Mann zu mir und reichte mir die Hand, welche ich auch gleich ergriff. "Und du musst Citiana sein. Du glaubst nicht, wie viele Gerüchte es über dich gibt", sagte er und lächelte weiter. Es gab Gerüchte über mich? Kurz sah ich zu Dave, der mit den Schultern zuckte, dann sah ich leicht lächelnd zu dem Mann. "Bitte, nennen Sie mich City." Er nickte und begann dann ein Gespräch mit Dave. 

Schnell fühlte ich mich wie ein drittes Rad am Wagen, denn sie sprachen über ihr letztes Treffen und was seitdem passiert sei. Als ich Raziel erblickte, bahnte ich mich durch die immer größer werdende Menge an Menschen und Engeln. Nebenbei griff ich nach einem Glas Sekt. Bei Raziel blieb ich dann stehen. Er war alleine und schien alles nur zu beobachten. 

"Niemanden zum tanzen oder reden?", wollte ich wissen und nippte an dem Glas. Ich sah zu ihm hinauf und kurz sah er zu mir hinunter, bevor er die Menge erneut beobachtete. "Ich tanze nicht", erwiderte er leicht schmunzelnd. "Um genau zu sein, hasse ich solche Bälle." Das überraschte mich. Ich hatte immer gedacht, alle Engel lieben das. Doch Ausnahmen bestätigen die Regel, oder?

"Wieso?", wollte ich wissen und lehnte mich an die kalte Wand. "Weil ich solch protzige Dinge hasse. Es zeigt doch nur erneut, dass Engel etwas besseres seien", antwortete er und schien auch zu glauben, dass Uriel, trotz seiner Güte, den Lebensstil der Engel gern lebt. Und genauso wirkte dieser Ball auch. 

"Doch alleine der Krieg zeigt, dass wir nicht besser sind." Ich lächelte leicht, weil mir diese Einstellung irgendwie gefiel. Zu wissen, dass ein Erzengel sich nicht für besser hielt. Raziel wurde mir immer sympathischer und langsam war ich mir sicher, dass die Freundschaftssache gut funktionieren konnte.

Wir redeten ein wenig über Belangloses. So beschwerte sich Raziel zum Beispiel, dass einer der geladenen Engel bereits zu tief ins Glas geschaut hatte, während andere sich erst gar nicht blicken ließen, weil Raphael hier war und sie nicht vor Michael und Gabriel aussehen wollten, als würden sie Partei ergreifen, denn das hier würde sich schnell herumsprechen. Auch wenn Uriel offiziell Raphaels Bitte abgelehnt hat. Inoffiziell hatte er es jedoch nicht. 

"Kann ich dich etwas privateres fragen, Raziel?", wollte ich dann wissen. Ich konnte das mit Freya einfach nicht vergessen. Nun sah er zu mir herunter. Sein Blick wirkte ernst. "Ich weiß, dass du gelauscht hast. Dave hat es mir erzählt", sagte er. Dave, dieser Verräter. Das würde er zurückbekommen. Ich seufzte. 

"Erwähne sie bitte nicht vor ihm, in Ordnung?" Ich nickte. Das hatte ich nie vor. Nicht, nachdem ich wusste, was sie getan hatte. "Er hat Angst, neue Bindungen einzugehen, weil er glaubt, es würde wieder geschehen", erklärte er. "Aber ich würde so etwas niemals tun", entgegnete ich und stellte das Sektglas bei einem vorbeikommenden Kellner auf den Teller. 

"Das weiß ich", meinte Raziel und schenkte mir ein Lächeln. "Und Raphael weiß das auch." Ich nickte. "Was weiß ich, Bruder?", ertönte hinter mir eine Stimme. Raphael. Ich drehte mich leicht um. "Dass hier zu wenig getanzt wird", sagte Raziel schmunzelnd und entschuldigte sich dann. Er ließ uns allein. 

Ich musterte Raphael leicht. Er trug einen schwarzen Anzug und ein weißes Hemd mit einer Fliege. Man sah ihn selten in einem solchen Aufzug, doch es stand ihm. Ich räusperte mich leicht und sah ihn dann an. Er lächelte. 

"Du siehst...wunderschön aus", sagte er leicht. Auch er schien sich mein Outfit angesehen zu haben und nun musste auch ich lächeln. Wunderschön. Wer wurde nicht gern so genannt? Und von einem Engel war das definitiv ein Kompliment, was man meist nicht glauben sollte. Doch Raphael log nicht. 

Ich bedankte mich und entgegnete, auch er würde nicht schlecht aussehen, wodurch er nun schmunzeln musste. Kurz sagten wir nichts, dann wurde sein Blick etwas ernster. "Es tut mir leid. Dass ich einfach gegangen bin...das war falsch", entschuldigte er sich und musterte mein Gesicht. "Nein, ich hätte dich nicht einfach küssen dürfen. Das war falsch." Ich biss mir auf die Lippen und sah nach unten. 

Doch mit seinen Fingern hob er mein Gesicht wieder und sah mir in die Augen. Es sah aus, als wollte er etwas sagen, doch er schwieg. Stattdessen spürte ich bald darauf seine Lippen auf meinen. Er küsste mich und ich erwiderte ohne lange darüber nachzudenken. Seine Hände legte Raphael an meine Taille ab und ich konnte spüren, wie er in dem Kuss lächelte. 

Dieser Kuss dauerte nicht so lange wie der am Strand, doch er war genauso wunderschön. Langsam lösten wir uns voneinander und ich sah ihn an. Ängstlich davor, dass er wieder wegrennen würde. Doch stattdessen lächelte er mich weiterhin an, bevor er meine Hand ergriff. 

"Gehen wir tanzen", sagte er und zog mich sanft mit auf die Tanzfläche, die tatsächlich recht leer war. Doch weder ihn noch mich kümmerte es. Und wir tanzten zu einem der langsamen Lieder, die gespielt wurden. Ich genoss jede Sekunde mit Raphael. Wer wusste, wie lange es so schön bleiben würde. 

Als es später wurde, gingen wir zusammen in den Garten. Es hatte sich sehr stark abgekühlt und Raphael hatte mir sein Jackett gegeben, was mich nun etwas wärmte. Doch egal wie kalt es war, lieber bin ich hier draußen als in dem überfüllten Ballsaal. Wir liefen etwas umher und blieben vor einem Teich stehen. 

Eine Weile sagte niemand etwas, dann sah ich zu ihm. Er schien den Teich zu beobachten, wirkte gleichzeitig aber auch in Gedanken. "Worüber denkst du nach?", wollte ich wissen. "Über uns", antwortete er ehrlich und blickte nun zu mir. "Ich glaube...das mit uns ist eine schlechte Idee." Doch das sagte er nur leise. Und er wirkte verunsichert. So kannte ich Raphael überhaupt nicht. Aber ich nahm mir Daves Worte zu Herzen. Ich würde ihn nicht aufgeben. Das konnte ich nicht. Dafür waren meine Gefühle bereits zu stark.


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