Kapitel 14

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Gabriel sagte, die anderen seien geweckt worden und ich solle mich umziehen, um so bald wie möglich abreisebereit zu sein. Seufzend stellte ich die leere Kaffeetasse in die Spüle.

In diesem Moment kam Cora in die Küche und umarmte mich stürmisch. "Du hast nicht gesagt, dass du schon heute gehen wirst", murmelte sie und ihr war anzuhören, dass sie bereits ein paar Tränen verloren hatte. 

Ich erwiderte die Umarmung. Während dieser sah ich zu Raziel, welcher mich leicht entschuldigend ansah. Dann schloss ich die Augen und konnte die Tränen ebenfalls nicht mehr halten. Ich wollte nicht gehen, ich wollte hier bleiben. Und es tat weh, sich verabschieden zu müssen. 

"Citiana, wir müssen langsam los", kam es von Gabriel. Er schien bereits ungeduldig zu sein, obwohl ich mich noch nicht von allen verabschiedet habe. Als ich mich von Cora löste, wischte diese sich die Tränen aus dem Gesicht. 

Skylar war leider nicht hier. Vermutlich sollte sie arbeiten und durfte nicht hier rein. Also ging ich stattdessen näher zu Dave. Ich konnte die Blicke von den anderen auf mir spüren, doch das spielte keine Rolle. Leicht lächelte ich ihn an.

"Vergiss mich nicht", kam es von ihm und er grinste leicht. "Du wirst nie wieder einen so coolen Engel treffen wie mich." Ich verdrehte nun die Augen. Wenn er mich aufmuntern wollte, dann war ihm das gelungen, denn ich lächelte leicht. Doch das wehrte nur kurz. 

Als ob ich ihn vergessen würde. Nicht nur wegen seinen strahlend blauen Augen oder seinem blonden Haar, sondern weil er freundlich zu mir war. Und auch, wenn es nur ein paar mal vorkam, würde ich unsere Einkaufstouren vermissen. 

Ich umarmte ihn und zu meiner Überraschung erwiderte er diese Umarmung. Doch auch er beließ es lieber dabei, dass dies nur kurz anhielt. Dann widmete ich mich noch Raphael. Er wirkte nicht sonderlich glücklich und das zog auch mich weiter runter. 

"Vergiss nicht, was du mir versprochen hast", meinte ich leicht lächelnd. Oder jedenfalls versuchte ich, zu lächeln. "Werde ich nicht, City." Ich wusste nicht, ob ich ihn umarmen sollte oder nicht, denn am Ende des Tages war er nunmal ein Erzengel. Also beließ ich es bei dem Lächeln. 

Doch als ich mich umdrehte, liefen die Tränen erneut. Nie hätte ich gedacht, dass ich etwas so wenig wollen würde. Noch einmal atmete ich tief durch. Mir blieben noch wenige Minuten, da ich mich noch umziehen musste. 

Gerade als ich durch die Tür ging, hielt Raphaels Stimme mich zurück. "Ich will, dass sie bleibt." Ich wusste nicht, zu wem genau er das sagte, oder ob es vielleicht auch nur so daher gesagt wurde. 

Aber Raziel neben mir stellte sich nun aufrecht hin und als ich mich umdrehte, konnte ich sehen, dass Gabriel sich anspannte. Ihm schien das überhaupt nicht zu gefallen. Vielleicht hatte er aber auch darauf gewartet, dass Raphael ihn provozieren würde. 

"Du kennst das Gesetz", meinte Gabriel. Raphael nickte. "Und du weißt auch, dass ich gegen dessen Einführung gestimmt hatte." Das war neu, doch überraschte mich auch nicht wirklich. Raphael wirkte nicht wie jemand, der seine Bediensteten gern wieder zurückgab - und das scheinbar noch völlig umsonst.

Cora kam schnell zu mir und ich konnte beobachten, dass auch Dave nicht mehr so locker wirkte wie noch vor einer Minute. Nun wurde er seinem Job als Wächter gerecht, denn so stand er da; als würde er jederzeit eingreifen, wenn Gabriel etwas wagen würde. 

"Dann weißt du auch um die Konsequenzen. An deiner Stelle wäre ich nicht so mutig. Du weißt, Michael steht mir bei. Vielleicht auch Uriel." Ich begann auf der Unterlippe zu kauen. Es war das erste mal, dass ich eine Auseinandersetzung zwischen Erzengeln hautnah mitbekam. 

Man hörte davon, dass es auf Tagungen des Rates häufig zu verbalen Auseinandersetzungen kam. Doch von so etwas zu hören und es mitzuerleben sind zwei verschiedene Paar Schuhe. 

"An deiner Stelle wäre ich nicht so mutig", äffte Raziel Gabriel neben mir nach, "und würde meinem Bruder drohen. Du weißt, ich stehe ihm bei." Gabriel jedoch schien wenig beeindruckt von den Worten zu sein und schien mich dennoch mitnehmen zu wollen. Egal ob es eine Machtdemonstration oder einfach nur Bloßstellung war, er schien es zu genießen. 

Doch er hatte dabei nicht mit der Sturheit der Brüder gerechnet, denn auf einmal stellte Raziel sich schützend vor mich und verschränkte die Arme. "Du solltest dich abreisebereit machen, Gabriel. Jetzt." 

Im Gegensatz zu gerade, sprach Raziel nun nicht mehr so freundlich. Es war eine Drohung und genau so hörte es sich auch an. Gabriel sah noch einmal zu mir und ich warf einen Blick zu meiner Mutter, die enttäuscht zu sein schien. Kopfschüttelnd folgte sie Gabriel hinaus. Raphael und Raziel begleiteten die zwei. 

Die Wächterin von Gabriel jedoch blieb noch kurz hier. Ihre braunen Haare fielen offen über ihre Schulter und im Gegensatz zu den meisten weiblichen Engeln, trug sie kein Make-up. Sie wirkte freundlich und offen. Ihr Blick fiel auf mich.

"In dem Moment, in dem du gingest, war mir klar, dass du und Dave Freunde werden würden. Ich kenne ihn einfach zu gut", sagte sie und sah dann leicht grinsend zu ihm, während er die Augen verdrehte. Die zwei kannten sich? Und das sogar recht gut wie es schien. 

Die Wächterin sah wieder zu mir. "Ich bin Azzurra", stellte sie sich vor und reichte mir ihre Hand. Leicht lächelnd nahm ich sie. "Du kennst mich vielleicht nicht, aber die meisten Wächter kennen die Diener." Ich nickte, denn mir war schon bekannt, dass dem bei Gabriel so war. 

Sie nahm ihre Hand wieder weg und seufzte dann. "Du kannst dich glücklich schätzen, bei Raphael zu wohnen. Das könnt ihr beide. Gabriels Politik wird immer aggressiver", sagte sie leise, als hätte sie Angst, Gabriel könnte sie hören. Dabei wirkte sie nicht wie jemand, der sich leicht einschüchtern ließ.

"Es ist nicht mehr so ruhig und schön wie es das früher war. Langsam zeigt er seine unschöne Seite." "Wenn er so grausam ist, will ich nicht herausfinden wie er ist, wenn der Krieg beginnt", meinte Dave und seine Worte entsetzten mich. Er ging scheinbar davon aus, jedenfalls hörte es sich so an, als würde dieser sogar recht bald eintreten. 

Azzurra nickte zustimmend. Doch weiter konnten wir uns nicht unterhalten, denn sie schien los zu müssen. Gabriel würde nun gehen. Sie verabschiedete sich von Dave mit einer Umarmung und von Cora und mir mit einem Lächeln, dann ging sie. 

Cora, die die ganze Zeit über keinen Ton gesagt hatte, sah ihr schweigend nach. Dann blickte sie wieder zu uns. Dave lehnte sich gegen die Theke und atmete tief durch. 

"Die nächste Zeit könnte interessant werden", sagte er. Da hatte er Recht. Doch nicht nur das. Die nächste zeit würde gefährlich sein. Ein Funke und die ganze Welt entflammt. 

Dave half uns dann dabei, das Frühstück vorzubereiten. Warum fragten wir nicht. Vielleicht wollte auch er einfach an etwas anderes denken. Doch mir persönlich fiel es schwer. Nur Cora schien ganz woanders zu sein. Aber solange sie so glücklich ist, war das unwichtig. 

Wir räumten alles auf den Tisch. Noch immer hatte sich niemand die Umstände gemacht und sich umgezogen. Alle waren in ihrem Schlagzeug. Selbst Raphael, welcher sich gerade auf seinem Stuhl niederließ und sich dabei durchs Haar fuhr. Er schien frustriert zu sein. 

Das letzte was ich tat, war ihm seinen Teller hinzustellen. Als ich mich umdrehte und gehen wollte, hielt er mich fest. Fragend sah ich ihn an. "Setzt euch zu uns." Ich nickte und lächelte leicht. Dann ging ich in die Küche, um noch zwei weitere Teller zu holen. Cora schien es mitbekommen zu haben, denn sie nahm zwei Gläser raus, die sie ebenfalls auf den Tisch stellte. 

Gemeinsam setzten wir uns. Ich saß zwischen Raphael und Dave. Es herrschte eine seltene Ruhe am Tisch. Selbst Malia schwieg lieber, als wieder irgendein abfälliges Kommentar abzulassen. Doch die Stille war unangenehm. Deshalb sah ich zu Raphael. 

"Ich möchte, dass du weißt, wie dankbar ich dir dafür bin, hierbleiben zu dürfen." Jedes Wort meinte ich ernst. Ich war noch nie jemandem für irgendetwas so dankbar wie ihm für das, was er getan hat. 

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