Kapitel 34

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Sofort sprang ich auf und wollte zur Tür gehen, doch Raphael hielt mich fest und sah mich an. "Im Bunker gehst du zu meinem Raum. Du kannst Cora mitnehmen", sagte er. Das war keine Bitte. Ich nickte. Dann ließ er mich los und ich rannte hinunter in unseren kleinen Raum, wo Cora gerade hektisch das wichtigste zusammen räumte. 

Auch ich schnappte mir das wichtigste und ging dann rasch mit ihr zusammen Richtung Bunker. Den Weg kannten wir ja nun auswendig. Unterwegs erzählte ich ihr, in welchen Raum wir sollen. Sie wirkte glücklich darüber, während wir den Bunker betraten. Vermutlich war alles besser als dieser überfüllte Raum. 

Raziel empfing uns schon, auch wenn er verwundert wirkte. Doch er ließ uns hinein. Azzurra, Dave und Malia würden draußen evakuieren helfen. Und die letzten beiden kamen dann auch hier her. Nur Azzurra sollte aktiv im Kriegsgeschehen eingesetzt werden, erklärte Raziel uns. Sie kannte die Kampftaktik von Gabriels Heer. Unsere Leute brauchten sie. 

Raziel wirkte jedoch betrübt. "Was ist?", wollte ich wissen. Lange sah er mich schweigend an, bevor er seufzte. "Uriels Truppen können nicht viel ausrichten. Und wenn ich mehr Leute schicke, wird Michael seine Armee schicken." Oh, das klang nicht gut. Er drückte 'wir haben ein Problem' recht wage aus. Doch ich verstand, was er meinte. 

Doch eigentlich sollten wir kein Problem haben. Würde Uriel nicht nur ein paar hundert Engel schicken, sondern sein Heer, hätten wir eine Chance. Dann wären wir in der Überzahl und Michael konnte sich, genauso wie Gabriel, nicht mehr auf seine Neutralität verlassen. Dave hatte einmal gesagt, dass sie erst deshalb beschlossen haben müssen, anzugreifen; weil sie wussten, dass Uriel schweigen wird. 

Ich setzte mich zu ihm. "Das sind nur Rückschläge", versuchte ich ihm Mut zu machen. Im Grunde wusste ich nicht viel über Krieg. Nur was ich gelesen und gehört habe. Doch bei einem war ich mir sicher. "Am Ende wird Gerechtigkeit siegen. Das hat sie immer. Nur manchmal dauert es eben ein wenig." Während ich das sagte, versuchte ich, optimistisch zu klingen. Ich glaubte nicht, dass wir zwingend verlieren würden. Doch ich betrachtete es realistisch; die Chance, dass wir gewinnen, liegt bei fifty-fifty.

"Sollte die Stadt besetzt werden, könnten sie euch gefangen nehmen und versklaven, auch wenn ihr Diener seid", sagte er nach einiger Zeit. Ich nickte nur. Daran wollte ich nicht denken. Das Sklavendasein war grausam. Und ich würde Raphael darum beten, Sklaverei komplett abzuschaffen, denn es war abscheulich, Menschen für Geld kaufen zu können.

Die nächsten Minuten schwiegen wir uns an und ich wurde immer nervöser. Wann kamen die anderen denn endlich? War ihnen etwas passiert? Ging es Raphael gut? Als Schritte näher kamen, dachte ich erst, er wäre es. Doch es war nur Freya. Und sie kam hier rein. Raziel sah nicht begeistert aus, blieb aber still. 

Sie wollte etwas sagen, als sie uns sah. Doch dann tauchten Malia und Dave endlich zusammen mit Raphael auf. Erleichtert sprang ich auf, lief zu ihm und umarmte ihn. Es ging ihm gut. Die Evakuierung der Stadt hat geklappt und das Heer kam wohl erst, als er mit Dave und Malia schon in Sicherheit war.

Ohne zu zögern erwiderte er die Umarmung und drückte mich an sich. "Was? Nicht glücklich, dass auch ich noch lebe?", kam es ironisch von Dave. Leicht schmunzelnd löste ich mich und schlug ihm leicht gegen den Arm. Er grinste mich nur an und ging zusammen mit Malia zu Cora und Raziel. 

Cora machte sich vermutlich Sorgen um Azzurra. Hoffentlich ging es ihr gut. Auch wenn ich sie nicht oft sah, war sie eine gute Person. Sie verdiente den Tod nicht. Dafür, dass sie uns half, hätte sie, meiner Meinung nach, gar nicht kämpfen sollen. Doch es wurde jeder Soldat gebraucht. Dave und Malia waren nur hier, weil ihre Aufgabe der Schutz von Raphael und Raziel war. 

Zusammen mit Raphael nahm ich auf seiner Matratze platz. Er und Dave erzählten, was alles in der Stadt los sei. Eine Panik war ausgebrochen, weil nicht so schnell mit einem erneuten Angriff gerechnet wurde. Raziel kündigte währenddessen auch Michaelas Erscheinen an. Sie würde noch heute zu uns stoßen. Weshalb auch immer. Vermutlich wollte er sich, wegen des Krieges, mit ihr beraten, auch wenn er alleine entscheiden konnte. 

"Bin ich die einzige, die sich an den Menschen hier stört? Sie sollen raus", kam es irgendwann von Freya. Ich hasste sie, schwieg jedoch, da ich mich noch daran erinnerte, wie ein verbaler Streit mit Malia einmal endete. Ein Glück, Dave war da gewesen. "Ich würde aufpassen, was du sagst, Freya", sagte Dave und unterhielt sich dann weiter mit Cora. 

"Du musst ja nicht hier sein", meinte Malia dann. Sie saß nur stumm an der Wand gelehnt herum. Dass selbst sie Freya hasste, fand ich interessant, weil sie, was Menschen angeht, ähnliche Meinungen vertraten. Aber nur deshalb musste man sich ja nicht zwingend mögen. Oder?

Freya wollte etwas erwidern. Dieses mal war es Raphael, der sprach. "Nur ein Wort von Citiana und ich schicke dich ebenfalls in den Krieg, Freya", sagte er und klang nun längst nicht mehr so sanft wie vorhin. "Also würde ich lieber nichts sagen, was ihr nicht gefällt." Ich musste nur ein Wort sagen? 

Wir beide wussten, dass ich das niemals wagen würde. Auch, wenn die Liebe vorbei war, er hatte sie einst geliebt. Es würde ihn trotzdem verletzen, wenn sie stirbt. Und das wollte ich nicht. Sie war mir egal, aber Raphael sollte nicht verletzt werden. Geschockt sah sie Raphael nun an. 

"Aber sie ist ein Mensch!", entgegnete sie. "Und meine Beraterin", sagte Raphael, während mir auf einmal kalt wurde. Er schien das zu bemerken und legte eine Decke um mich. Dann folgte sein Arm und er gab mir einen Kuss aufs Haar, weshalb ich automatisch lächeln musste und mich an ihn schmiegte. 

Entsetzt sah Freya ihn an. Scheinbar hatte sie nie mit so etwas gerechnet. Dachte sie wirklich, Raphael würde sie zurücknehmen? Vielleicht hätte er das ja, wenn ich nicht gewesen wäre. Doch nun hatte er mich. Und ich würde ihn niemals hintergehen. Nicht ihn. Niemanden in diesem Raum. Außer Freya vielleicht.

Erneut wollte sie etwas sagen, als plötzlich etwas den Bunker traf und ich zusammenzuckte. Schnell sprang Raziel auf und sah sich die Decke des Bunkers von unten an. "Das klang ganz stark nach einer-" Doch er wurde durch einen erneuten Einschlag unterbrochen. Bomben. Sie warfen Bomben ab. Und der Bunker war nicht Bombensicher. 

Ich dachte, Engel kämpften wenigstens von Mann zu Mann. Doch scheinbar nutzte man die Technik der Menschen, schließlich hatte man ja auch Flugzeuge, mit denen man sie abwerfen konnte. Raphael zog mich hoch und schrie nur ein Wort in den Raum; rennt. Und das tat ich. Hinaus aus den Bunker Richtung Stadtrand. Jedenfalls hoffte ich, dass es das war. 

Wir blieben nicht alle zusammen, da jeder in eine andere Richtung lief. Doch Dave war neben mir. Und Raziel. Ich war die langsamste. Auf einmal begann Raziel, sich zu verlangsamen. Ehe ich mich versah, war er hinter mir. Dann griffen zwei Arme nach mir und ich hob ab. Raziel trug mich, weil wir fliegend schneller waren. Doch mein einziger Gedanke galt Raphael; ging es ihm gut?

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