Kapitel 15

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Ich hatte nicht erwartet, dass er etwas erwidern würde, doch ein kleiner Teil in mir war dennoch enttäuscht, als er nur ein Nicken von sich gab und sich dann wieder dem Essen widmete. Die unangenehme Ruhe war auch nach mehreren Minuten nicht verschwunden. 

Bevor ich zu essen begann, band ich meine Haare zusammen. Weshalb, wusste ich selbst nicht. Vielleicht, weil meine Mutter es immer wollte, als ich ein Kleinkind war, da meine Haare sonst immer im Essen gehangen haben. Es war wohl einfach eine Angewohnheit. 

Nach dem Essen räumten Cora und ich alles ab. Danach widmeten wir uns der Säuberung der Küche und des Esszimmers, wobei ich die Küche säuberte. Es dauerte eine gute halbe Stunde bis alle blitz blank war, dann gingen wir in unser Zimmer. 

Skylar wirkte überrascht, mich zu sehen. Doch dann lächelte sie und umarmte mich. Sie schien glücklich darüber zu sein. Hätte man mir das vor einigen Wochen erzählt, würde ich es kaum glauben, denn damals hatte ich das Gefühl, sie würde mich hassen. Doch scheinbar brachte es am Ende doch etwas, dass wir drei auf so engem Raum zusammen lebten. 

Cora und ich gingen nacheinander unter die Dusche. Und obwohl unser Aussehen während der Arbeit einer Vorschrift folgte, machte ich Cora einen geflochtenen Seitenzopf. Dafür, dass ich so etwas nur selten tat, fand ich, dass es recht gut gelungen war. 

Sie betrachtete sich im Spiegel und nickte. "Besser hätte ich es selbst nicht machen können", sagte sie. "Du kannst auch gar nicht flechten", antwortete ich, um sie zu necken. Das brachte sie zum grinsen und sie musste mir zustimmen, denn sie wusste, ich habe Recht. 

Dann widmeten wir uns unserer Arbeit. Ich saugte im Wohnzimmer und Cora wischte den Flur. Doch für heute stand nicht allzu viel an, weshalb wir recht schnell fertig waren und uns langweilten. Eigentlich müssten wir Raphael jetzt fragen, was noch zu tun war, doch ich hatte herzlich wenig Lust, weiter zu arbeiten. 

Also schnappte ich mir Coras Hand und lief mit ihr in den Garten, der hinter dem Haus war. Heute war wundervolles Wetter. Die Sonne schien und niemand war im Garten. Am liebsten würde ich uns etwas Essen und eine Decke holen, doch das würde uns nur noch mehr Ärger einhandeln. 

"City, Raphael mag mit uns zufrieden sein, aber das wird sich ändern, wenn wir unserer Arbeit nicht nachgehen", gab Cora zu bedenken. Doch das kümmerte mich gerade nicht. Ich war trotz der Gefahr eines drohenden Krieges gerade glücklich. Glücklich, noch immer hier zu sein. 

Von weitem sah ich Dave, der an einem Beet hockte. Ich lief mit leisen Schritten zu ihm und hielt ihm von hinten die Augen zu. "Cora oder Citiana. Einer von beiden", sagte er und ich konnte spüren, dass er grinsen musste. Dann ließ ich los und er drehte sich zu mir um. 

"Es ist traurig, dass du das nicht weißt", meinte ich und verschränkte die Arme. "Hiermit bitte ich vielmals um Entschuldigung. Ab sofort werde ich versuchen, euch zwei anhand der Hände unterscheiden zu können", entgegnete er mit einem ernsten Gesichtsausdruck. Doch dieser hielt nicht lange, denn wir brachen beide in Gelächter aus. 

Das führte dazu, dass wir rumalberten. Und nach kurzem Zögern beteiligte auch Cora sich, indem sie sich den Gartenschlauch schnappte und auf Dave hielt. In dem Moment sollte er froh sein, dass seine Sachen nicht weiß waren. 

Skylar war nun ebenfalls im Garten, doch sie betrieb Gartenarbeit. Jedoch konnte ich merken, dass sie hin und wieder leicht schmunzelnd zu uns sah. Nach einer Weile ließ ich mich neben ihr nieder. 

"Brauchst du Hilfe?", wollte ich wissen, denn ich fühlte mich schlecht mit dem Wissen, dass sie arbeitete während wir uns vergnügten. 

"Du weißt, es wird nicht gern gesehen, dass einer Sklavin geholfen wird", meinte sie und ich nahm das als ein 'ja' auf, weshalb ich begann, ihr beim Blumen einpflanzen zu helfen. Es war entspannend, wie ich zugeben musste. 

"Und du weißt, dass mir das herzlich egal ist", antwortete ich auf ihre Aussage. Nicht nur ihr musste das bewusst sein. Vermutlich wussten es bereits alle, die ebenfalls hier arbeiteten. Doch mir machte das nichts aus. Ganz im Gegenteil, sie können ruhig wissen, dass nicht alle Menschen den Engeln in den Hintern kriechen werden, nur weil sie es sollten. 

Wir arbeiteten jedoch keine zehn Minuten zusammen an dem Blumenbeet, da spürten ich Tropfen auf dem Rücken. Cora und Dave hatten erneut zum Gartenschlauch gegriffen. Skylar sah zu mir und ich schmunzelte sie an. Sie erwiderte das mit einem leichten Lächeln. 

Ihr war anzusehen, dass es ihr nicht gefiel, wenn Cora oder ich unsere Pflichten vernachlässigten. Aber sie musste zugeben, dass man Pausen und Spaß verdient hat. Nur weil wir laut den Engeln weniger Wert waren, mussten wir uns nicht jeden Spaß verderben lassen. Besonders jetzt nicht, wo bald erneut ein Krieg beginnt. 

Während der Gartenarbeit dachte ich darüber nach. Es ist bereits der zweite Krieg, den die Engel führen, auch wenn dieser voranging mit den Erzengeln zutun hat. Sie leben noch nicht allzu lange auf dieser Erde. Wenn man so darüber nachdachte, dann erkennt man, dass Engel im Grunde nicht besser sind als wir Menschen. 

Wie oft haben wir einen Krieg geführt, den man mit einfachen diplomatischen Mitteln hätte verhindern können? Wie viele Unschuldige haben wir über die Jahrhunderte getötet? Und das alles nur, weil wir den einfacheren Weg gehen wollten. Krieg ist einfach. Aber Frieden? Das ist eine Kunst, die die Menschen nie erlernten. 

In diesem Punkt ähnelten Engel uns anscheinend sehr. Auch für sie war Krieg die leichtere Variante. Es ist einfacher, den Großteil der Menschen zu vernichten, anstatt zu verhandeln. All das, was wir jetzt haben, hätte verhindert werden können, wenn sich irgendeiner dagegen gestellt hätte, denn wenn einer den Mund aufmacht, dann trauen sich auch die anderen. 

Aber es wurde geschwiegen. Auf beiden Seiten. Die Menschen waren zu stolz und die Engel ebenso. Und so kam es zum Krieg. Und nun stehen wir erneut an der Schwelle eines Krieges, den Raphael und Gabriel verhindern könnten, wenn sie nur aufeinander zu gehen würden, anstatt sich nieder zu machen. 

Hinter uns ertönten Schritte und ich drehte mich um. Raphael blieb an dem Baum neben dem Beet stehen und lehnte sich dagegen. Ich stand auf, denn ich konnte nicht einschätzen, ob er gleich lächeln oder schreien würde. Erst jetzt fiel mir auf, dass Cora und Dave wieder drinnen waren. Cora arbeitete sogar wieder. 

"Das ist nicht deine Aufgabe, Citiana", sagte Raphael. Doch er klang nicht wütend, es war mehr eine Feststellung. "Ich habe mich schlecht gefühlt, weil wir ein wenig herumgealbert haben, sie aber arbeiten musste", erklärte ich. Erstens hatte lügen keinen Zweck und zweitens sagte mir irgendwas, dass ich ihm vertrauen konnte. 

Raphael seufzte und nickte in eine Richtung, in welcher er dann ging. Ich sollte ihm folgen, weshalb ich mich kurz von Skylar verabschiedete, bevor ich mich in Bewegung setzte. Erst dachte ich, Raphael wollte hinein gehen, doch stattdessen verließen wir sein Grundstück. Ich hatte Mühe, mit ihm mitzuhalten. 

"Du solltest dich an die Regeln halten", begann er und ich ahnte, dass nun eine Predigt folgen würde. "Es gibt sie nicht ohne Grund. Diener und Sklaven sind verschiedene Gruppen, die nichts miteinander zutun haben sollten." Meinte er das ernst? Er war doch derjenige, der Cora und mich mit ihr in ein Zimmer steckte. Nicht, dass ich damit noch ein Problem hätte. 

"Trotzdem zahlt man für uns beide, oder?", entgegnete ich. "Ich meine, viele Erzengel halten sich doch nur Diener, weil ihre Kapazität an Sklaven aufgebraucht ist. Sie machen keine Arbeiten, die ein Sklave nicht auch machen könnte. Umgekehrt genauso." Ich wusste nicht, woher ich den Mut nahm, so mit ihm zu reden. Engel trauten sich schon selten genug, die Regeln anzuprangern. Aber Menschen, die sich nicht in diese Politik einzumischen hatten? Das gab es nie. Jedenfalls nicht öffentlich. 

Er sah zu mir herunter. "Wenn das so ist, dann könnte ich dir den Sklaventitel verleihen lassen. Dann würdest du sehen, dass es sehr wohl Unterschiede gibt." Ich seufzte, denn auf solche Gespräche ließ ich mich nicht gerne ein. Ich fürchtete mich dann immer, etwas falsches zu sagen. 

"Skylar ist ein nettes Mädchen. Sie verdient etwas Respekt und mehr freie Tage", meinte ich nun und Raphael blieb abrupt stehen, weshalb auch ich es tat. Dann sah er zu mir. Jetzt hatte ich ihn verärgert.

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