Kapitel 24

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Als ich später wach wurde, schien ich die einzige zu sein. Alle anderen schliefen noch auf ihren Matratzen, obwohl Daves Position seltsam aussah. Ich würde gar nicht erst versuchen, sie zu beschreiben, denn das würde mir nicht annähernd gelingen. 

Gerade als ich mich drehen wollte fiel mir auf, dass ich nicht nur mit einer Decke zugedeckt war. Nein, auch einer von Raphaels großen, weißen Flügeln lag über mir und schirmte mich etwas von dieser grausamen Welt ab. 

Ein Lächeln legte sich auf meine Lippen. Noch nie war ich den weichen Federn der Flügel so nah wie in diesem Moment. Engel mochten es nicht, wenn man sie berührte. Vor allem ungefragt. Doch gerade schlief Raphael, also warum es nicht versuchen?

Sanft legte ich meine linke Hand hinauf. Wow. Auch, wenn ich von Leuten hörte, die sie berührt hatten, kam keine Erzählung der Realität nah genug. Es war wundervoll. Langsam strich ich hinüber und fragte mich, ob er das spürte. 

Meine innere Frage bekam rasch eine Antwort, denn jemand hielt meine Hand fest. Ich sah zu Raphael. Doch er sah nicht wütend aus. Im Gegenteil. Er schien sogar, sich zu fürchten. Er litt, also nahm ich die Hand sofort weg. Daraufhin verschwand auch der Flügel und er setzte sich schnell auf. 

"Ist alles in Ordnung?", fragte ich leise und tat es ihm gleich. Noch immer war er alles andere als glücklich und ich begann mich zu fragen, weshalb er so sehr litt, wenn die Flügel berührt wurden. Die meisten Engel waren einfach verärgert, denn die Flügel waren eine sehr empfindliche Stelle. 

Er schüttelte den Kopf. Also wollte oder konnte er nicht darüber reden. "Bitte...bitte mach das nie wieder." Und in seiner Stimme war deutlich die Angst zu hören. Irgendetwas war geschehen. Und mein Bauchgefühl sagte mir, dass mir die Antwort darauf nicht gefallen würde, sollte ich sie je zu hören bekommen. 

Ich wusste nicht, was ich machen sollte, also nahm ich sein Gesicht in meine Hände. "Hey, ich werde nichts machen, was du nicht möchtest. Niemals." Diese Worte sprudelten nur so aus mir hinaus, doch sie waren ernst gemeint. Und ich sprach das nicht als Dienerin, sondern als eine Freundin. Denn so betrachtete ich Raphael ebenfalls; als einen Freund. 

Er legte eine Hand über meine und nickte leicht. Dann sah er mich erstmals wirklich an. Die andere Hand legte er an meine Wange und strich sanft mit dem Daumen hinüber. Ich schloss die Augen und genoss diesen Moment. Denn in wenigen Stunden war ich wieder die Dienerin, die Arbeiten im Haushalt erledigte. 

Ein Teil in mir hoffte, dass er mir noch näher kam. Vielleicht sogar, dass er mich küsste. Doch ich wusste, wie albern dieser Gedanke war. Kein Engel, vor allem kein Erzengel, würde sich dazu herablassen, einen Menschen zu küssen. Egal wie sehr ich es mir wünschte. Es waren Momente wie diese, in denen ich es hasste, kein Engel zu sein. 

* * *

Einige Stunden später waren wir wieder in dem Haus. Oder der Villa, wie man es auch bezeichnen mag. Und ich putzte. Okay, um ehrlich zu sein, saugte ich nur Staub. Das Haus war wie leer gefegt. Alle Engel waren draußen und halfen dabei, die Stadt aufzuräumen. Glas von eingeschlagenen Fenstern wegfegen. Die Menschen, die zurückgelassen worden und nun tot sind, auflesen. 

Auch Raphael und Raziel waren dabei. Doch mir wurde versichert, dass es nach dem Mittagessen sofort eine Trainingseinheit geben würde, denn das Training sei noch lange nicht beendet.

Als alle wiederkamen, hörte ich sie diskutieren. Und wie immer, lauschte ich. Nur dass Cora es dieses mal ebenfalls tat. "Raphael, lass mich dir helfen. Ich stelle dir Soldaten", sagte jemand und es klang stark nach Raziel. 

"Dann würdest du dich am Krieg beteiligen und dein Kontinent würde zu einem Angriffsziel werden. Das kann und werde ich nicht von dir verlangen", entgegnete Raphael. Er lehnte Raziels Hilfe ab? Aber wieso? Raziel war sein Bruder. Und beteiligt war er doch so oder so schon. Nur die offiziellen Kriegserklärungen fehlten noch. Michael sowie Gabriel hatten lediglich Raphael den Krieg erklärt.

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