- Kapitel 7 -

8.4K 278 122
                                    

Miguel
14:21 Uhr

"Miguel, kannst du dich ein bisschen beeilen?", hetzt mich meine Schwester, während ich genüsslich an der Zigarette ziehe.

"Wofür? Was hast du heute noch für einen Termin, außer schlafen zu gehen.", brumme ich genervt, weil sie mir schon den ganzen Morgen auf die Eier geht.
Nicht einmal in Ruhe rauchen darf ich.

"Ich bin eben noch verabredet.", zickt sie mich an und steigt wieder ins Auto.

Seufzend trete ich die Zigarette am Straßenrand aus und steige ebenfalls ins Auto. Warum Xavier sie heute nicht sehen darf und sie nicht selber auf die Insel fahren kann, ist mir ein Rätsel. Was ist das für ein komischer Brauch, dass man die Nacht vor der Hochzeit nicht mit seiner Verlobten verbringen soll?

Kompletter Bullshit.

"Wenn du Elya heiratest, wirst du das alles verstehen, das verspreche ich dir.", erklärt mir Sofia.

"Zum 200sten Mal. Ich werde Elya nicht heiraten, weil ich sie nämlich nur vögel. Ist das jetzt klar?", zische ich wütend, weil mir alle mit diesem Thema auf den Sack gehen.
Nur weil ich 33 bin, muss ich niemanden heiraten, geschweige denn eine Familie gründen.

"Okay, okay."
Sie hebt beschwichtigend die Hände und schaut dann aus dem Fenster.

"Du hättest Amara einfach nicht betrügen dürfen."

"Hältst du jetzt die Klappe?", brumme ich, weil sie mich so unfassbar wütend macht.

Ich stehe da, wie das letzte Arschloch, weil mir niemand glauben will. Ich hätte meine Hand an ihrem Kopf gehabt und so weiter und sofort.
Natürlich hatte ich meine Hand an dem Kopf der blonden Schlampe, aber nur um sie wegzudrücken, weil sie sich vor mich gekniet hat.

Und natürlich genau dann steht Amara im Club.

Und ihr blöder Bruder, hetzt sie sofort gegen mich auf, sodass ich nicht einmal mehr irgendwas erklären kann.
Seitdem liegt dieser beschissene Verlobungsring in meiner Schublade in Culiacan, den ich nicht wegschmeißen kann, weil ich es nicht übers Herz bringe.

Wie ein Feigling.

"Außerdem habe ich sie nicht betrogen.", schiebe ich hinterher, um mich tatsächlich zu rechtfertigen.
Ja ich war betrunken, aber das hätte ich nichtmal getan, wenn man mir k.o Tropfen gegeben hätte.

Himmel, ich wollte diese Frau heiraten.
Da lasse ich mir doch nicht von einer Nutte den Schwanz lutschen.

"Wie lange fahren wir noch?", übergeht sie meine Antwort gekonnt.
In ihren Augen bin ich Schuld, definitiv.

Wie lange hat sie nicht mit mir gesprochen?

3 Wochen?
Vielleicht auch 4.

Ich weiß es nicht mehr genau.

"30 Minuten, dann sind wir am Hafen.", gebe ich ihr eine Antwort, die sie eigentlich gar nicht verdient hat.
Als sie die Augen schließt, schaue ich kurz auf mein Handy.

Wenn sich in Kolumbien nichts neues ergibt und meine Anstrengungen sich nicht gelohnt haben, kann ich einpacken.
Man wird mich an jeder Grenze verhaften und zu Tode foltern, wenn ich nichts mehr in der Hand habe.

"Du solltest dich mit Amara zusammen tun.", spricht meine Schwester mit geschlossenen Augen.
Ich schnaufe.

Einen Schießdreck werde ich tun. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie einen Fehler macht und dann hole ich mir alles wieder, was mir gehört.

"Sie wird uns in den Ruin treiben.", hört Sofia nicht auf ihren Senf dazuzugeben.

"Du hast dich überhaupt nicht ums Geschäft zu kümmern. Das machen Xavier und ich.", will ich das Gespräch beenden, doch das interessiert sie scheinbar gar nicht.

"Anscheinend kümmert ihr euch nicht richtig."

"Machst du das mit Absicht? Mich immer wieder mit ihrem Namen zu nerven?", fauche ich und parke den Wagen vor dem Hafenbecken.
Ohne noch etwas hinzuzufügen, steige ich aus meinem Auto aus und knalle die Tür so heftig zu, dass ich mich selber fast erschrecke.

Hoffentlich ist diese Hochzeit schnell vorbei, sodass ich bald wieder zurück nach Culiacan fahren und mein Geschäft retten kann. Spätestens zu den Wahlen in Kolumbien muss ich wieder in der Heimat sein.

"Man Miguel, sei jetzt bitte nicht das ganze Wochenende über schlecht gelaunt.", murrt Sofia, die währenddessen aus dem Auto steigt und ihren Koffer annimmt, den ich ihr hinhalte.

Stillschweigend nehme ich meine Tasche und knöpfe mein Hemd weiter auf, weil es unfassbar heiß und feucht hier draußen ist.
Hoffentlich ist die Insel nach dem schweren Sturm nicht so stark beschädigt, dass die Hochzeit verschoben werden muss.

Das würde mir gerade noch fehlen.
Ich musste mir extra frei nehmen, obwohl ich so viel zu tun habe und sich die Briefe auf meinem Schreibtisch stapeln.

"Ich gebe mir Mühe.", gebe ich nach, weil sie mich immer noch eindringlich anschaut. Eigentlich war ich gut gelaunt, bis sie mir mit Amara oder meiner Hochzeit, die nicht stattfinden wird, angekommen ist.
Sie weiß genau, dass mir diese beiden Thema einfach nur derbe auf die Eier gehen, aber trotzdem fangen alle immer wieder damit an.

Was hätte ich denn damals tun sollen?
Wie hätte ich ihr das erklären sollen?

Niemand hat mir zugehört, wirklich niemand.
Ich hatte gar keine andere Wahl, als sie gehen zu lassen.

Und danach bin ich ja nicht einmal mehr an sie ran gekommen. Jasper hat alle Anrufe und Briefe von mir abgefangen. Bis heute hat sie kein Mal zurückgerufen.

Kein einziges Mal hat sie auf meine Anrufe reagiert.

Bis sie mir vor einem Jahr den Süden vor der Nase weggeschnappt hat.

La Reina de MexicoWhere stories live. Discover now