- Kapitel 58 -

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Amara

"Ich habe über Wochen die Strecke beobachten lassen. Eigentlich aus dem Grund, dass ich wissen wollte was du in den Favelas treibst. Und dann haben wir einen günstigen Zeitpunkt abgepasst und einen Lieferwagen überfallen.", erkläre ich.

Er zieht die Augenbrauen hoch.
"Verstehe ich das gerade richtig? Du hast da mitgemacht?"

"Warum fragst du? Ist das so abwegig?", runzle ich die Stirn.

Er nickt.
"Ja. Ehrlich gesagt ja. Ich kenne niemanden, der ein Kartell führt und dann auch noch selber Laster ausraubt."

Ich erwidere nichts, weil ich nicht weiß, was ich darauf überhaupt antworten soll. Ist das jetzt gut oder schlecht?
Zu dem Zeitpunkt waren viele meiner Leute in Bogota, mir blieb also gar nichts übrig als mit Pedro und Jasper den Laster selber zu überfallen.

"Warum hast du mir das nicht vorher gesagt?"

Ich seufze.
"Weil ich dachte, dass ich dich damit ran kriege. Ich wollte dich damit erpressen, wegen unseres Deals."

"Schlau.", nickt er anerkennend und zieht ein letztes Mal an seiner Zigarette, die er dann in den Aschenbecher wirft. Ich verfolge den aufsteigenden Rauch mit meinen Augen, bis er sich mit der Luft vermischt hat und nicht mehr zu erkennen ist.

"Glaubst du mir das?", wechsel ich das Thema.
Ich will nicht, dass er sauer auf mich ist. Ich habe nichts verwerfliches getan, ich habe ihm sogar noch geholfen einen Maulwurf in seinen eigenen Reihen aufzudecken.

"Ob ich dir das glaube?", fragt er mit hoher Stimme und schaut mich belustigt an.

"Miguel, du musst mir das glauben."

Er winkt ab.
"Ich muss gar nichts, außer-"

"-außer Sterben, ich weiß.", beende ich seinen Satz augenverdrehend.

"Du sollst deine Augen nicht verdrehen.", ermahnt er mich mit strengem Blick.

Komischerweise mag ich es, wenn er so bestimmend ist. Auch wenn ich mich nicht immer an seine Anweisungen halte, mag ich sie. Er kümmert sich und ist aufmerksam, er sorgt sich in gewisser Weise.

"Habe ich dir weh getan, als ich dich gegen das Auto gedrückt habe?", will er nun wissen. Ich habe nicht damit gerechnet, dass wir heute noch mal ein richtiges Gespräch führen können.

"Geht schon.", winke ich ab, doch er lässt nicht locker. Miguel greift nach meinem Handgelenk und zieht mich von der Bank hoch, um mich dann mit seinem Gewicht gegen den Tisch zu drücken. Vorsichtig zieht er meine Bluse aus der Hose und schaut sich die Stelle an, an welche er seine Waffe gedrückt hatte.

"Das wird einen Bluterguss geben.", stellt er seufzend fest und richtet dann meine Bluse wieder, bevor er mir eine Strähne hinters Ohr steckt.

"Ich hätte dir zu hören sollen.", fügt er an.

"Du konntest ja nicht wissen, was eigentlich da hinter gesteckt hatte. Und ich hätte es dir sagen müssen.", verteidige ich seine Reaktion. An seiner Stelle hätte ich genauso reagiert. Außerdem habe ich ihm damals auch nicht zugehört, also sind wir jetzt sowas wie quitt.

"Ich werde dich nicht mehr anpacken, versprochen.", beteuert er.

"Bitte nicht.", flüstere ich.

An seinem Blick erkenne ich, dass er versteht worauf ich hinaus will. Dann kann er sich ein Schmunzeln nicht mehr verkneifen.
"Also so gewaltsam, meine ich."

"Ich mag es eigentlich etwas fester.", grinse ich und komme mir sogleich blöd vor. Wir machen Spaß, das weiß ich, aber trotzdem ist es komisch sowas zu sagen.

"Ist das so?", spottet er und befeuchtet seine Unterlippe schnell. Als er sich noch etwas enger an mich drückt und ganz leicht meinen Hals küsst, spüre ich seine Erektion an meinem Bauch.

"Ich hätte gerne gesehen, wie du diesen Laster überfallen hast.", haucht er und verstärkt seinen Griff um meine Taille.

"Zu schade, dass du nicht dabei warst.", kichere ich und drücke ihn leicht weg.

"Tut mir Leid, dass ich es dir nicht gesagt habe und dich damit erpressen wollte. Wir finden bestimmt auch einen anderen Weg zusammen zu arbeiten, ohne das einer Einbuße erlebt.", entschuldige ich mich bei ihm.

"Mir tut es auch Leid. Ich hätte dich nicht so angehen dürfen.", flüstert er und küsst meine Stirn.

"Du hast mich gar nicht angeschrien.", erwidere ich leise und schaue zu ihm hoch.

Er lächelt.
"Damals, da hatte ich mir geschworen, dass du nie wieder Angst vor mir haben sollst. Und das Versprechen breche ich nicht, egal wie schrecklich die Situation wird."

"Was ist mit dem alten Miguel passiert?", frage ich belustigt und stolz zu gleich, während ich seinen Kopf in meine Hände nehme und ich eindringliche betrachte.

Lachend greift er nach meinen Handgelenken und küsst meine Handflächen.
"Ich sage Mira Bescheid, sie soll Abendessen machen. Und dann gucken wir einen Film. Ich brauche mal eine Pause."

Ich nicke zustimmend.
"In Ordnung.

"Amara.", hält er sich selber auf, nachdem er bereits zum Gehen angesetzt hat.
"Auch wenn es dir nicht gefallen wird. Du musst noch viel lernen und wir fangen morgen damit an."

"Was muss ich denn lernen?", frage ich neugierig.

"Grundlagen. Anderes Denken. Sicherheit. Egoismus.", nennt er mir ein paar Aspekte und lässt mich draußen sitzen. Ich schaue ihm hinterher, bis er verschwunden ist.

Egoismus.

Von wem könnte ich das besser lernen, als vom ihm?

La Reina de MexicoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt