- Kapitel 60 -

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Miguel

"Und jetzt die Waffe, Madame.", fordere ich sie mit ausgestreckter Hand aus. 

Ohne eine Widerrede zu geben, reicht sie mir die Waffe. Zufrieden ziehe ich sie auf die Beine, lasse sie jedoch nicht los. 
"Hast du gedacht, du könntest mich austricksen?"

Ich setze mich auf den Tisch und ziehe sie zwischen meine Beine. 
"Du machst mich so an, dios. Meine Hose ist schon wieder viel zu eng."

Ihr Blick ist rein. 
Unschuldig. 

Ihre Lippen rot.
Blutrot. 

"Dann solltest du sie dir einfach eine Nummer größer kaufen.", witzelt sie. Ich schaue kurz auf ihre vollen Lippen und will mich vorlehnen, um sie zu küssen, doch sie zieht ihren Kopf geschickt zur Seite. 

"Ich gehe meinen Koffer packen. In ein paar Stunden müssen wir los, oder?", spricht sie schmunzelnd. 

Belustig stoße ich Luft aus, weil sie mir ganz absichtlich einen Korb gegeben hat. 
"Sicher, mach das."

"Bis dann.", flötet sie und setzt zum gehen an. Kurz vor der Tür bleibt sie stehen und dreht sich noch einmal zu mir um.
"Wir waren doch fertig hier, oder?", vergewissert sie sich grinsend. 

Ich weiß, worauf sie hinaus will.
Und nein, Princesa. 
Eigentlich habe ich mit dir noch einiges vor. Aber heute bin ich gnädig, das kann warten. 

"Geh ruhig.", rufe ich ihr zu und schaue ihr mit verschränkten Armen hinterher, wie sie mich in dem Meetingraum zurücklässt und sich wahrscheinlich nur bestätigt fühlt. 


Amara

Senora Jimenez.

Amara Jimenez klingt viel schöner, pardon. 

Seine Worte spuken in meinem Kopf herum. Ich kann sie nicht einordnen. Ist da was wahres dran? Hat er die Absicht mich zu seiner Frau zu machen? Oder hat er das aus Ablenkung gesagt? Wollte er mich absichtlich verunsichern?

Gedankenverloren räume ich meine Sachen in meine Reisetasche und frische mein leichtes Make Up auf. 

Er hat mir früher immer gesagt, dass er nicht lügt. Und das ich ihm glauben könnte, wenn er mir etwas sagt. 
Aber das gerade war ja nur Mittel zum Zweck. Er wollte seine Waffe wieder und hat mich abgelenkt.

Mehr nicht. 

Und trotzdem scheuchen seine Worte die Schmetterlinge in meinem Bauch auf. Ich habe mir ds oft ausgemalt, früher. 
Wie er vielleicht wirklich für mich auf die Knie geht. Aber ich darf nicht vergessen, von wem ich hier spreche. 

Miguel Jimenez würde niemals für eine Frau auf die Knie gehen. 

Das würde ihn unterlegen aussehen lassen, verloren und klein. Das passt nicht zu seinem Egoismus. 
In drei Stunden will Miguel weiter nach Obregon, einer Stadt nördlich von Culiacan. Ich weiß aus verschiedenen Quellen, dass er dort weitere Clubs hat und sein Koks dort verpacken lässt. Von dort aus gehen die Drogen über Hermosillo nach Nogales, einer kleinen Stadt an der Grenze zu Arizona. 

Wenn wir fusionieren, gehört uns ganz Mexiko. Von Nord nach Süd und von Ost nach West. 

"Wir werden gleich noch einmal zu Richard fahren. Ich muss das klären, bevor wir weiter nach Amerika fahren.", erschreckt mich Miguel, als er mit Schwung die Tür öffnet und sich im Spiegel die Haare macht.

"Willst du ihn erschießen?", frage ich und trage etwas Lippenstift auf. 

Er zuckt mit den Schultern.
"Er soll den Club schließen, fürs Erste. Die Nutten setze ich auf die Straße und Aleksandra nehmen wir mit nach Amerika."

Ich halte in meiner Bewegung inne.
"Nein. Das tun wir nicht."

"Was tun wir nicht?"

"Aleksandra mit nach Amerika nehmen. Sie soll zusehen, wo sie bleibt. Diese Frau hat unsere Beziehung zerstört, mir das Herz gebrochen. Und du willst sie mitnehmen?", frage ich fassungslos und stütze mich auf dem Waschtisch auf. 

"Ich will sie zurück nach Los Angeles bringen."

"Gegenvorschlag: Du knallst sie gleich mit ab.", grinse ich falsch. 

Er schmunzelt.
"Beruhig dich, Tiger. Das war ein Spaß"

Augenverdrehend wende ich meinen Blick ab und wühle peinlich berührt in meiner Schminktasche.

"Ich werde mir auf dem Weg zum Club überlegen, was ich mit Richard und den Nutten machen. Einige kann ich sicherlich in anderen Clubs unter bringen, aber die drei, die in die Scheiße verwickelt waren, gehören eigentlich nur in die Hölle.", bringt er entspannt über die Lippen. 

Früher hätte ich mich unwohl gefühlt, wenn er so mit mir über seinen Beruf spricht. Heute ist es mir egal. Heute kann ich nachvollziehen, weil es jetzt auch meine Welt ist. 

"Die Entscheidung mit Aleksandra nehme ich dir gerne ab. Und wenn du dich nicht traust, verpasse ich ihr die Kugel.", brumme ich. 

"Du solltest auf deine Worte aufpassen. Warst heute schon ziemlich frech.", flüstert er, während er näher tritt und gedankenverloren mein Gesicht betrachtet.

"Wieso? Hast du nicht mehr, um mit mir mitzuhalten?", ärgere ich ihn weiter. 

Er befeuchtet seine Unterlippe und verkneift sich ein Grinsen. 

"Weißt du, ich habe so einiges, um mit dir mitzuhalten.", beginnt er und nimmt mein Kinn zwischen seine rauen Finger.
"Aber du möchtest besser nicht herausfinden, was das ist."

Es ist ein Spiel zwischen uns. 
Keiner nimmt das ernst, eher verkneift sich jeder ein Grinsen. Er ist belustigt. Ich ärgere ihn, er ärgert mich. 

Es nimmt den Ernst in dieser Situation.

"Du bist mutig, das gefällt mir.", fügt er an und küsst meine Lippen. Er ist anders, als die Männer, die ich kenne. Er ekelt sich nicht, vor dem Lippenstift. Er weigert sich nicht, mich zu küssen, weil da sonst etwas abfärben könnte. 

Der kleine, aber feine Unterschied ist, dass er reif ist. Er ist nicht nur erwachsen, sondern auch reif. Er hat Lebenserfahrung und legt auf die Dinge wert, auf die ich ebenfalls gelernt habe Wert zu legen. 

Er kümmert sich nicht um die nächste Version der Playstation oder um die nächste Limited Edition der Cola-Dosen vom Super Bowl. Diese Dinge sind für ihn nebensächlich, belanglos. 

Andere Männer in seinem Alter hingegen, treffen sich jeden Freitag Abend mit ihren Kumpels im Diner, saufen 6 Liter Bier und tragen Caro-Hemden. Sie haben zwar Kind und Familie, aber eigentlich sind sie dafür noch gar nicht reif. Sie lassen ihre Frau und Kind zurück, kümmern sich nur um sich selber.

Sie verhalten sich nicht wie ein Mann. 

Eher wie ein Kind. 

Wie ein unreifer Junge.

Sie kümmern sich nicht darum, was in einem Jahr ist. Sie merken nicht, dass es für ihr Leben überhaupt nicht ausschlaggebend ist, ob Tom Brady jetzt noch eine Saison länger bei Tampa Bay spielt, wechselt oder in Rente geht. 

Miguel kümmert sich um Dinge, die wichtig sind für sein Leben. 

Und das macht ihn reif. 

Ich will nicht behaupten, dass er sich nicht für Football oder Tom Brady interessiert. Aber er setzt seine Prioritäten anders, weil er wirklich weiß worauf es ankommt. 

Er ist der geborene Geschäftsmann und ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass jemand anderes besser zu mir passt. 

La Reina de MexicoWhere stories live. Discover now