- Kapitel 26 -

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Amara

Hilfesuchend schaue ich zu Pino und stelle mich dann vor Miguel, damit Jasper endlich die Waffe herunter nimmt.

"Das ist nicht dein Ernst.", flüstert Jasper.

"Das stimmt nicht, was er sagt.", flehe ich Jasper an.

Miguel stößt ein kehliges Lachen aus, bevor er seine Stimme erhebt.
"Stimmt. Zuerst hat sie mich gefickt, bevor sie sich anschließend von mir hat ficken lassen.", verbessert er sich und setzt sich auf den Tisch, um das Spektakel in Ruhe zu genießen.

"Wir haben uns Sorgen gemacht, Amara. Die ganze Nacht habe ich kein Auge zu getan, weil ich dachte, dass er dich jeden Moment töten könnte. Und du? Du schläfst mit ihm?", haucht Jasper fassungslos und nimmt enttäuscht die Waffe herunter.

Unfähig etwas zu sagen, beobachte ich, wie er die Waffe in seinen Hosenbund steckt und das Wohnzimmer verlässt.

"Fahr zu Hölle, Miguel.", zischt er im Vorbeigehen.

Als Miguel etwas erwidern will, drücke ich ihm schnell meine Hand auf den Mund.
"Halt einmal deine Klappe!", fauche ich.

"Ich schaue mal nach ihm.", mischt sich Pino zum ersten Mal ein.

Miguel entfernt währenddessen seelenruhig meine Hand von seinem Mund.

"Musste das sein?", frage ich wütend und schaue ihn mit zusammen gekniffenden Augen an.

"Er hat doch angefangen.", verteidigt sich Miguel und greift nach der Weinflasche. Ich beobachte ihn, wie er den dunkelroten Wein in zwei Gläser eingießt und mir eins reicht.

"Jetzt, wo die beiden weg sind, können wir ja da weitermachen, wo wir Samstag Nacht aufgehört haben.", ärgert er mich und stößt kurz gegen mein Weinglas, sodass mich das Klirren aus meinen Gedanken reißt.

"Vergiss es. Ich schaue jetzt nach meinem Bruder und du bleibst hier.", unterbreche ich seinen Flirt und trinke einen großen Schluck Rotwein, bevor ich das Wohnzimmer verlasse. Wieso kann er nicht ein einziges Mal seine Klappe halten?
Er ist hier zu Gast, aber er tut so, als würde ihm alles gehören.

Weil die Haustür offen steht und ich draußen meinen Bruder zusammen mit Pino sehe, gehe ich nach draußen

"Jasper, bitte beruhig dich und lass uns jetzt die Hochrechnungen schauen.", mische ich mich ein.
Pino sieht mich mitleidig an, während mein Bruder mich ignoriert und viel zu schnell an seiner Zigarette zieht.

"Das mit Miguel hatte rein gar nichts zu bedeuten. Das ist einfach eben so passiert, aber das ändert rein gar nichts an unsere Plänen. Ich behandle ihn deshalb nicht wie ein rohes Ei, oder was auch immer.", rechtfertige ich mich tatsächlich.

"Komm schon Jasper, wir können das auch morgen noch klären.", unterstützt mich Pino.

"Ich werde mit diesem Bastard kein Wort mehr reden. Wenn der mir einen Spruch drückt, dann knalle ich ihn ab.", zischt Jasper und wirft seine glühende Zigarette auf den Boden, die er dann kräftig ausdrückt.

"Ein Wort...", wiederholt er sich drohend und läuft an mir vorbei ins Haus.
Schnell folgen Pino und ich ihm, damit er bloß nicht mit Miguel alleine ist.

Miguel schaut überrascht, als mein Bruder zuerst das Wohnzimmer betritt.
"Na? Kindergarten zu Ende?"

"Miguel, du bist hier zu Gast. Vergiss das nicht.", weise ich ihn zurecht und fühle mich gleichzeitig wie eine Mutter, die ihre zwei streitenden Kinder versöhnen muss.
Während Pino den Fernseher einschaltet und sich neben meinen Bruder stellt, trinke ich den Rotwein in meiner Hand aus.

Miguel lehnt lässig am Esstisch und schaut mir belustigt zu. Nebenbei spielt er mit den grünen Weintrauben in seiner Hand.
"Ich dachte, du hättest es ihnen gesagt."

"Was soll ich ihnen gesagt haben? Das wir gevögelt haben?", frage ich flüsternd und schüttel fassungslos den Kopf.

Er zuckt mit den Schultern.
"Ja, habe gedacht, dass es dir etwas bedeutet hat."

Der Ton seiner Stimme lässt mich hellhörig werden, weshalb ich meinen Blick von dem leeren Weinglas hebe und versuche in sein Gesicht zu schauen, doch er wendet es rechtzeitig ab und schaut auf den laufenden Fernseher.

"Jetzt mach dich mal nicht lächer-"

"Du hättest das ganze wenigstens unkommentiert lassen können, anstatt zu deinem Bruder zu rennen und der ganzen Welt zu erzählen, dass es dir nichts bedeutet hat. Und wenn es unbedingt jeder wissen sollte, dass es dir nichts bedeutet hat, dann hättest du das nicht in meiner Anwesenheit klären müssen.", unterbricht er mich flüsternd und sieht irgendwie gekränkt aus.

Ich will etwas erwidern, doch kein Laut verlässt meine roten Lippen.

Miguel lacht enttäuscht.
"Besser, wenn du es dabei belässt."

Er drückt sich von der Tischkante ab, greift nach seinem Weinglas und geht zu Jasper und Pino herüber. Dann tut er etwas, was mir fast die Tränen in die Augen treibt. Er stellt sich neben meinen besten Freund und bietet sowohl Pino, als auch meinen Bruder eine Zigarette an. Er spricht nicht, aber es ist seine Art Frieden zu schließen. Zumindest für den Moment.

Jasper zögert, nimmt aber dann doch eine Zigarette aus der Schachtel und lässt sie sich sogar von Miguel anzünden. Noch bevor Jasper den ersten Rauch auspustet, gehen alle auf die Terrasse.
Er hat es geschafft, dass sich seit langem mal wieder mein schlechtes Gewissen meldet. Und as ausgerechnet, wegen ihm. Weil ich das Gefühl habe ihn tatsächlich gekränkt zu haben.

"Amara?"
Ich erschrecke, als Paola eine Hand auf meine Schulter legt.

"Paola. Entschuldige. Was ist denn?", frage ich ein wenig zu genervt.

"Ich wollte Sie nur fragen, ob Sie mir jetzt schon ein Taxi bestellen können.", fragt sie mich eingeschüchtert und nimmt ihre Hand von meiner Schulter.
Ich schaue noch einen Augenblick zu Miguel, der seinen Blick ebenfalls auf mich legt.

Er sieht friedlich aus. Und müde. Müde von den verbalen Kämpfen und den Kämpfen um die Existenz seiner Familie.

"Klar, einen Moment.", unterbreche ich den Blickkontakt zwischen Miguel und mir und ziehe mein Hand aus der schwarzen Stoffhose.
"Ich rufe kurz Carlo an, er wird in 5 Minuten hier sein und dich nach Oaxaca bringen.", teile ich Paola mit und wähle Carlos Nummer.

La Reina de MexicoWhere stories live. Discover now