- Kapitel 84 -

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Amara

"Und seine Neue?", kann ich das Thema nicht ruhen lassen.

"Elya?", lacht Xavier abwertend.
"Ablenkung."

Ich nicke.
"Sofia hatte mir erzählt, dass sein Vater wohl wollte, dass er sie heiratet."

"Ja, weil die Zeit rennt. Ein Boss ohne Frau geht nicht. Außerdem ist es äußerst komisch, wenn er jedes Mal mit einer anderen Frau irgendwo gesehen wird.", erklärt er mir.

"Vermutlich auch ziemlich anstrengend, immerhin geraten alle ins Visier seiner Feinde, oder?"

"Ja. Deshalb hat er dich auch selten mitgenommen.", erwidert Xavier.
"Das hatte nie etwas damit zu tun, dass er sich für die geschämt hat oder du ihm zur Last gefallen bist. Er wollte dich schützen, seit der erste Sekunde vor deiner High School."

"Da kannte er mich doch noch gar nicht richtig.", runzle ich die Stirn.

Xavier lacht.
"Und wie er dich kannte. Wir standen lange in deiner Straße, vor deiner Schule, vor dem Haus deines Freundes. Miguel wusste alles über dich, immerhin hast du gesehen, wie er jemanden auf offener Straße ermordet hat. Vom Zettel will ich gar nicht erst anfangen."

"Ihr habt mich beschattet? Also so richtig?", hake ich nach.
Natürlich ist mir der Van aufgefallen, aber trotzdem wusste ich nicht, dass sie mich wirklich 24/7 beschattet haben. Ich dachte, dass sie mal hin und wieder da gewesen sind.

"Zwischenzeitlich kannte ich dich besser als meine Frau.", lacht Xavier laut und fährt sich schmunzelnd durch den Nacken.

Seine Worte bringen auch mich zum Lachen.

"Konnte ja keiner ahnen, dass du ihm nicht mehr aus Kopf gehst.", fügt er an.

"Das war nicht mein Ziel.", grinse ich, während ich auf die Uhr schaue.

Xavier zuckt mit den Schultern.
"Irgendwie hatte ich das schon geahnt. Normalerweise habe ich die Leute nach dem zweiten Tag immer alleine beschatten müssen. Bei dir wollte er plötzlich immer mitkommen oder manchmal auch ganz alleine los."

Xaviers Worte schmeicheln mir in einem gewissen Umfang. Ich hatte Miguel also damals den Kopf verdreht, ohne dass ich irgendetwas besonderes gemacht habe.

"Als er mir dann sagte, dass ich Patricio 'ne Kugel verpassen sollte, weil er dir weh getan hat, wusste ich, dass du für ihn nicht nur eine Schwärmerei bist.", fügt er an.

"Patricio?", frage ich stirnrunzelnd.

Ja, ehm der Kerl, der dich bedroht hat, als du deine Mom, du weißt schon. Als du abgehauen bist, da ist doch dieser Typ zuerst gekommen, bevor Miguel-"

"Ja, Ja ich weiß schon. Wusste nicht, dass er Patricio heißt.", unterbreche ich ihn.

Xavier nickt.

"Den solltest du umbringen?"

"Ja, er hat sich wohl nicht an die Absprache gehalten und dich verletzt, oder? Zumindest hatte er mir das so gesagt.", zuckt er mit den Schultern.

Es ist interessant Dinge zu erfahren, die sich abgespielt habe, als Miguel und ich noch kein innigeres Verhältnis hatten. Niemals hätte ich gedacht, dass er damals schon so für mich empfunden hat.

Beziehungsweise, dass er mich anders behandelt hat.

"Das meinte sein Bruder also damit, als er meinte, dass Miguel freundlich zu mir sei. Ich habe das nie verstanden, weil ich unter Freundlichkeit etwas anderes verstehe, aber er meinte vermutlich die Art, wie er geschäftlich mit mir umgegangen ist.", kombiniere ich.

"Ja.", stimmt Xavier mir zu.
"Normalerweise hätte er dich nicht zu sich mitgenommen, ohne dich nachher zu töten. Aber das kam für ihn nach kurzer Zeit gar nicht mehr in Frage. Erst haben wir uns alle gewundert, aber dann wurde jedem in diesem Haus schnell klar, dass du die Frau bist, nach der er unfreiwillig gesucht hat."

"So, wir sind da.", unterbricht er unser Gespräch und steigt aus dem Wagen aus. Während er um den Wagen herumläuft, sammel ich meine Sachen ein und lasse mir von ihm aus dem Auto helfen.

"Ich habe die Anweisung Rio abzuknallen, sollte er dich an gewissen Stellen anfassen. Du sorgst dafür, dass er das weißt. Er soll nicht überrascht sein, wenn ihn eine Kugel trifft.", flüstert Xavier in mein Ohr, während er die Autotür hinter mir schließt.

Ich kneife die Augen zusammen, komme aber nicht mehr dazu, etwas zu erwidern. Viel zu schnell läuft Rio auf uns zu und mustert zuerst Xavier, dann mich.

"Grün steht dir ausgezeichnet, Princesa.", begrüßt er mich mit einem Handkuss und schenkt Xavier keine Beachtung.

"Senor.", räuspert sich Xavier und zieht alle Blicke auf sich.
"Wir sind rein geschäftlich hier, bitte unterlassen Sie derartige Gesten.", weißt er meinen Geschäftspartner zurecht.

Schmunzelnd schaue ich kurz auf den Boden, um mich wieder zu fangen. Xavier macht seinen Job ausgezeichnet, dass muss ich ihm lassen.

"Und Sie sind wer?", zickt Rio und verschränkt die Arme vor seiner Brust.

"Das tut hier nichts zur Sache, oder?"

Rio bleib diesmal stumm und widmet sich wieder mir.
"Komm, wir haben viel zu erledigen."

Rio bleibt stehen und lässt Xavier und mich vorgehen. Auch wenn er ein Gentleman ist, kommt er nicht an Miguel ran.

"Das könnte alles dir gehören, aber du willst ja Mexiko nicht verlassen.", wirft er mir vor, dass ich ihm einen Korb gegeben habe.

"Rio, wir hatten Sex. Mehr nicht.", knurre ich desinteressiert und laufe neben ihm her.

"Du hast hier gewohnt.", merkt er an.

"Für zwei Wochen, damit wir deinen Wahlkampf planen konnten!", werde ich laut und bleibe stehen.

"Hör auf, dir irgendetwas einzubilden. Ich habe dich beim Wahlkampf unterstützt, damit du gewinnst. Und damit ich bessere Chancen haben, mein Koks zu verkaufen. Ich bringe deine Wirtschaft ans laufen, sorge dafür dass die Arbeitslosigkeit sinkt und baue Kitas und Schulen. Also halt deine verdammte Klappe und provozier mich nicht!", zische ich.

Er kneift kurz die Augen zusammen, nickt aber dann.
"Sorry."

Genervt drehe ich mich von ihm weg und laufe die breite Treppe hoch zum Rathaus. Er soll bloß etwas dankbarer sein und nicht vergessen, wer hier wen in der Hand hat.

La Reina de MexicoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt