- Kapitel 28 -

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Amara

"Herzlichen Glückwunsch.", flüstert Miguel und denkt gar nicht daran, seine Hand von meinem Rücken zu nehmen. 

"Danke.", räuspere ich mich.

"Dann können wir ja jetzt gleich verhandeln.", schlägt er vor, nachdem er auf seine silberne Rolex geschaut hat. 
Und der Kerl soll pleite sein? Nie im Leben. 

"Heute noch? Oder willst du deinen Verlust erstmal verkraften? Immerhin haben deine Anstrengungen nichts gebracht.", drücke ich ihm den Spruch, auf den er nach eigenen Worten schon lange gewartet hat. 

Er beißt sich auf die Unterlippe, um sich ein Schmunzelnd zu verkneifen.
"Ich habe schon eine Idee, wie ich meinen Verlust verkraften kann.", flüstert er mir im Vorbeigehen ins Ohr und geht nach draußen, um sich eine Zigarette anzuzünden. 

Ich greife nach meinem Weinglas und gehe zu Jasper und Pino herüber.

"Du hast es geschafft.", grinst Jasper stolz und hält sein Glas hoch. 
Erleichtert stoße ich an und proste dann Pino zu. Zusammen nehmen wir alleine einen Schluck und lauschen dem Nachrichtensprecher im Hintergrund. 

Miguel hat mit Sicherheit noch einen Ass im Ärmel, aber das bleibt abzuwarten.

"Da haben sich deine Anstrengungen mit dem Politiker ja wohl doch gelohnt.", spielt Pino kichernd auf meine Affäre mit dem Wahlsieger an. 

"Das war der Plan.", zucke ich mit den Schultern und schaue zu Miguel, gerade von der Terrasse kommt. 

"Respekt. Und das ganz ohne seine Gegner aus dem Weg zu räumen.", merkt Miguel an. Seine linke Hand liegt tief in der Tasche der schwarze Anzughose, während er auf uns zu kommt. 

"Verhandeln wir?", fragt er nach und schaut uns erwartungsvoll an. 

"Amara verhandelt alleine.", erklärt ihm mein Bruder. 

"Hin und wieder ist Pino aber dabei.", räuspere ich mich und schaue meinen besten Freund auffordernd an. 
Ich habe kein Problem alleine zu verhandeln. Aber ich habe noch nie alleine mit Miguel verhandelt. 

Miguel schaut zwischen Pino und mir hin und her und bleibt letztendlich bei mir hängen.
"Verstehe."

Weil ich ihn nicht bestätigen will, in seiner Vermutung, dass ich Respekt vor seinen Verhandlungskünsten habe, trinke ich mein Weinglas leer und gehe an ihm vorbei.
"Komm, dann sind wir schneller fertig."

Ohne noch etwas zu erwidern, folgt er mir, nachdem ich eine Schale Oliven und Mozarella-Spieße gegriffen habe. 
Mir entgeht nicht, dass er nach der vollen Weinflasche auf dem Tisch greift. 

Ich werde die Verhandlung sicherlich nicht in meinem Büro führen. Wenn er eine Verhandlung will, dann soll er auch eine bekommen. 

Und Wein wird da sicherlich nicht getrunken. 

Mit Mühe versuche ich den Schlüssel aus meiner Hosentasche zu kriegen, doch scheitere. 

Miguel fackelt nicht lange und führt seine Hand extra langsam in meine Hosentasche und lässt sich die Gelegenheit nicht entgehen durch den dünnen Stoff der Hose meinen Oberschenkel zu berühren. 

Selbstsicher steckt er ihn ins Türschloss und hält mir die Tür zu meinem Verhandlungsraum auf. Als wäre es sein Raum, in den er mich da gerade einlädt.

"Du kannst hier vorne Platz nehmen.", nicke ich auf den Stuhl am Ende des langen Tisches. 

"Ich setze mich lieber neben dich, dann muss ich nicht so schreien.", lacht er und handelt absichtlich gegen meine Anweisung.
Schnaubend laufe ich am langen Tisch vorbei und stelle meine Sachen auf meinen Platz, während Miguel nicht weit entfernt vor mir Platz nimmt. Schweigend knipse ich die kleine Lampe in der Ecke an und beobachte Miguel, wie er auf seinem Handy herumtippt. 

Als ich mich hinsetze, lehnt er sich selbstsicher zurück.
"Ich will mit offenen Karten spielen, bevor wir verhandeln.", beginnt er und lässt mich nichts Gutes ahnen. 

"In der selben Zeit, in der wir hier sitzen und verhandeln, ist ein Militärkonvoi auf dem Weg nach Bogota. Er wird in einer Stunde in Bogota ankommen. Du hast also eine Stunde, um auf meine Forderungen zu hören oder es gibt noch heute Nacht einen Putsch. Was das bedeutet, kannst du dir ausmalen."

Ich greife nach meinem Handy, das vor mir auf dem Tisch liegt, doch Miguel hat seine Hand schon auf mein Handgelenk gelegt und übt einen so starken Druck aus, dass ich meine Hand nicht wegziehen kann. 

"Es wird niemand informiert, comprende?", flüstert er und lässt gleichzeitig seinen Blick über meine Lippen und meinen Hals wandern, bis er letztendlich an meinem Dekollete hängen bleibt. Dann nimmt er mir das Handy aus der Hand und schiebt es in seine Hosentasche, bevor er mein Handgelenk loslässt. 

"Mistkerl.", zische ich.

"Oh, wie bitte?", grinst er siegessicher und schüttet sich unbeeindruckt Wein in sein Glas. 

"Wenn dein Politiker-Freund heute noch friedlich schlafen will, solltest du deinen Worte zügeln.", warnt er mich und schiebt sein volles Weinglas in meine Richtung. 

"Auf gute Verhandlungen.", schmunzelt er, während sein Glas gegen meins stößt und ein leises Klirren im Raum erklingt. 
Nachdem er einen Schluck getrunken hat, zieht er einen kleinen Zettel hervor, den er auf dem Tisch ausbreitet und kurz durchließt. 

"Da es dir die Sprache verschlagen hat, fange ich an.", beginnt er. 
"Ich will meine Route nach Guatemala zurück."

"Niemals.", schüttel ich den Kopf. 

"Princesa, du hast zwar die Wahl gewonnen, aber trotzdem hab ich dich in der Hand. Überleg dir gut, was du tust, wenn du nicht untergehen willst.", droht er mir mit rauer Stimme und lehnt sich etwas zu mir vor. 
Er will mir eine Strähne aus dem Gesicht streichen, doch ich schlage wütend seine Hand weg, weshalb er leise lacht. 

Er nimmt mich nicht ernst, weil ich eine Frau bin und das ärgert mich am meisten.

"Sinaloa. Sinaloa hätte ich auch gerne zurück.", fährt er fort. 

"So läuft das nicht!", unterbreche ich seine Forderungen. 
"Ich habe mir die Routen und Bezirke geholt, weil ich es besser kann als du. Da kannst du nicht einfach kommen und denken, dass ich dir das so einfach gebe."

"Weil du es besser kannst, als ich?", wiederholt er meine Worte ungläubig.
"Amara, du bist ne Frau. Das die Männer dir jeden Wunsch erfüllen, ist ja wohl eindeutig."

"Eifersüchtig?", provoziere ich ihn und warte auf seine Reaktion. 

Er befeuchtet seine Unterlippe, bevor er mir antwortet.
"Darauf, dass die Schweine dich angepackt haben? Ja, tatsächlich."

"Wenn du darauf hinaus willst, dass ich die Routen nur bekommen habe, weil ich mich angeboten haben, muss ich dich enttäuschen. Das war reines Verhandlungsgeschick.", zische ich, weil er mich als Schlampe darstellt. 

"Ist das so? Von deinem Verhandlungsgeschick habe ich bis jetzt noch nicht viel mitbekommen.", macht er sich jetzt lustig und schaut auf den Timer auf seinem Iphone. 

"Noch 54 Minuten.", teilt er mit. 




La Reina de MexicoWhere stories live. Discover now