- Kapitel 36 -

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Amara
06:27 Uhr

"Mi Amor.", flüstert Miguel und küsst meine nackte Schulter. Seine linke Hand ruht währenddessen auf meiner Hüfte.

"Wie viel Uhr ist es?", frage ich verschlafen und öffne vorsichtig die Augen.

"Gleich halb sieben. Du musst aufstehen, um 8 Uhr werden wir abgeholt.", erklärt er mir und dreht mich zu sich um, sodass er mir ins Gesicht schauen kann.

"So früh?"

"Ja, ich habe gesagt, dass ich spätestens heute Nachmittag wieder in Culiacan bin. Der Flug dauert fast 4 Stunden.", gähnt er und steht aus dem Bett aus, um sich auf der kleinen Terrasse eine Zigarette anzuzünden.

Müde drücke ich mich hoch und schaue ihm einen Augenblick zu, bis ich ins Badezimmer gehe und mein Gesicht wasche. Duschen gehe ich einfach heute Abend, schließlich sind wir wahrscheinlich noch über 6 Stunden unterwegs.

Und das bei dieser Hitze da draußen.

"Du brauchst Sachen für circa eine Woche. Du musst aber nicht alles mitnehmen, wir können dir auch was kaufen.", unterbricht mich Miguel, der mittlerweile zwar seine Anzughose angezogen hat, sich für ein Hemd allerdings zu fein ist.

"Ja, ich dachte ich kaufe mir Amerika ein paar neue Sachen.", zucke ich mit den Schultern und trockne mein Gesicht ab.
"Bin kurz oben mich fertig machen."

"Alles klar.", ruft er mir hinterher, weil ich schon an ihm vorbei bin.

Ich fahre tatsächlich gleich mit Miguel mit. Zurück nach Culiacan und über die Grenze nach Amerika. Das letzte Mal als ich über die Grenze gefahren bin, war ich sowas wie Miguels Geisel. Das letzte Mal, als ich über die Grenze gefahren bin, hat sein Bruder mir danach belustigt gesagt, dass Miguel meine Mutter hat umbringen lassen.

Böse Erinnerung machen sich in mir breit, während ich die Treppen zu meinem Zimmer hochlaufe. Durch die großen Fenster scheinen die ersten Sonnenstrahlen und erhellen den breiten Flur.
Sollte ich jetzt wirklich mit ihm mitfahren?

Oder ist wieder ein fieser Streich von ihm, um mir zu beweisen, dass ich jung und unerfahren bin?

Gedankenverloren öffne ich die Tür zu meinem Zimmer und beginne direkt meine Kleidung in meine Reisetasche zu werfen. Ich kann mich schließlich noch immer umentscheiden, theoretisch kann ich auch noch am Flughafen umkehren. Und aus Culiacan komme ich auch weg, ich bin schließlich nicht mehr von Miguel abhängig und habe mein eigenes Geld und meine eigenen Leute.

Und den Deal habe ich auch noch nicht unterschrieben. Ich kann sein Kartell also immer noch jederzeit vernichten.

Nachdem ich meine Tasche fertig gepackt habe, nehme ich mir frische Unterwäsche, eine schwarze Anzughose und eine weiße Bluse aus dem Schrank, um mich im Badezimmer umzuziehen und etwas Make Up aufzutragen.

Während ich meine Augenbrauen mache, denke ich an die kleinen Sommersprossen, die meine Wangen und Nase schmücken. Früher habe ich sie gehasst, weil keiner sie hatte. Ich war immer die einzige mit Sommersprossen und sah deshalb immer anders aus. Meine Lehrer sagten mir, dass es ungewöhnlich ist, dass ich überhaupt welche habe.

Dann habe ich angefangen mich zu schämen.

Habe angefangen viel Make Up zu tragen, damit man sie nicht sieht.

Aber seitdem ich damals bei mir Miguel war und mich nicht mehr schminken konnte, weil ich schlichtweg keine Sachen hatte, stören sie mich nicht mehr. Im Gegenteil. Ich liebe es, wenn man sie sieht und sie erinnern mich an meine Mutter.

Sie erinnern mich an meine Mutter, die ich so sehr vermisse.

Es ist das einzige, was mir von ihr geblieben ist.

"Ich räche mich für dich, Mama.", flüstere ich mit geschlossenen Augen und erinnere mich an den Abend zurück, an dem ich sie das letzte Mal lebend gesehen habe. Am Tag darauf war sie tot und mein Bruder weg.

In den Kopf geschossen hatte man ihr, von hinten. Auf die hinterhältigste Art und Weise, die es gibt.
Man erschießt niemanden von hinten, aus dem einfachen Grund, dass es feige ist.

Ich weiß bis heute nicht, wer den Auftrag ausgeführt hat und meine Mutter erschossen hat. Aber das werde ich noch herausfinden und dann werde ich mich rächen.

Bevor ich mein Make Up einpacke, betrachte ich mich noch einmal zufrieden im Spiegel.

Ich putze einmal kurz durchs Waschbecken, weil ich es hasse mein Zimmer unaufgeräumt zu hinterlassen. Wenn ich wieder komme, soll es einfach ordentlich und sauber sein. Auch wenn Paola hier täglich putzt, will ich ihr nicht alles dreckig oder unaufgeräumt hinterlassen.

Stumm greife ich nach meiner Tasche und schlüpfe im Vorbeigehen in meiner schwarzen High Heel, dann mache ich mich auf den Weg nach unten zu Miguel. Er knöpft gerade sein Hemd zu, als ich ins Gästezimmer komme und schaut mich schmunzelnd an.

"Es ist erst kurz nach sieben, aber du siehst jetzt schon verboten gut aus."
Er lässt den letzten Knopf seines Hemds offen und kommt auf mich zu. Zuerst nimmt er mir meine Tasche ab, dann umfasst er mit beiden Hände meine Taille und zieht mich näher zu sich.

Mit einem leichten Lächeln betrachtet er mein Gesicht.
"Ich kann dich gar nicht so rausgehen lassen, ohne dass jeder guckt."

"Traut sich überhaupt jemand zu gucken, wenn du neben mir her läufst?", ärgere ich ihn und streiche sein Hemd glatt.

"Ich will es nicht hoffen, sonst wird es heute Tote geben.", flüstert er und lehnt sich leicht vor, sodass ich kurzzeitig seinen frischen Atem auf meinem Gesicht spüre.

"Du könntest dich zur Feier des Tages ja mal zurückhalten.", flüstere ich selbstsicher und lege meinen Kopf leicht in den Nacken, sodass ich ihm direkt ins Gesicht sehen kann.

"Könnte ich, ja. Aber nicht bei einer so hübschen Begleitung. Ich schwöre dir, sollte dich auch nur ein Bastard falsch angucken, dann gnade ihm Gott.", droht er und streicht mir eine Strähne hinters Ohr.

Auch wenn seine Worte eigentlich nicht zum Lachen sind, schmeicheln sie mir. Es fühlt sich an wie früher, als er mich um jeden Preis beschützen und von allem Unheil fern halten wollte.

La Reina de MexicoWhere stories live. Discover now