Kapitel 15

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Ungefähr eine Stunde stand ich unter der Dusche. Schrubbte mein eigenes Blut von mir ab, doch die meiste Zeit stand ich einfach nur so da, unter den heißen Wasserstrahlen und war so sehr in meinen Gedanken vertieft, dass ich gar nichts mehr um mich herum wahrnahm. Die Geräusche des Wassers, der aufsteigende Dampf, ich nahm nicht einmal meinen eigenen Körper wahr. Es war als würde ich neben mir stehen und dieses armselige Geschöpf betrachten, das mit ihren eigenen Leben viel zu überfordert war.

Gabriel hatte mich geküsst. Ich hatte ihn geküsst. Und zum Teufel, ich bereute es nicht einmal.

Der Kampf, meine geschärften Sinne und dann er. Dieser Kuss war der Höhepunkt dieser Nacht gewesen. In dem Moment als seine Lippen auf meine trafen fühlte ich mich so berauscht und frei. Frei von Verpflichtungen. Frei von sämtlichen Regeln. In diesen einen Moment gab es nur Gabriel und mich, und mir war es egal, dass die Welt um uns herum zu zerbrechen drohte.

Ich verstand es nicht. Gabriel hatte mich nicht zum ersten Mal geküsst. Doch bei den ersten beiden Malen hatte es sich zwar gut angefühlt – verdammt gut sogar – doch erst in diesen Augenblick merkte ich, dass etwas anders war. Ich war anders.

Lag es vielleicht daran, dass er mich geheilt hatte? Dass seine eigene Kraft durch mich hindurchgeflossen war?

Ich dachte an diese unglaubliche Wärme, die sich in meinem gesamten Körper ausgebreitet hatte, an diesen Schub an vollkommen neuer und frischer Energie. Doch jetzt, wenn ich mich daran zurückerinnerte, gab es da noch etwas. Etwas anderes...

Als sich seine Energie mit meiner eigenen vermischt hatte, fühlte ich mich plötzlich so, als würde ich ihn schon lange kennen. Als wäre ich ihm bereits irgendwo begegnet. Obwohl ich mich kein einziges Mal daran erinnern konnte, ihn schon mal irgendwo gesehen zu haben. Aber seine Macht fühlte sie so vertraut an und ich konnte nicht begreifen wieso.

Alles was mit Gabriel zu tun hatte, warf in mir nur noch mehr Fragen auf. Fragen, auf die mir keiner eine Antwort liefern konnte. Nicht einmal der Dämon selbst, der seine eigene Vergangenheit vergessen hatte. Ein Dämon der dazu in der Lage war solch eine Magie anzuwenden.

Schwer seufzend ließ ich meinen Kopf hängen. Wasser rann an meinem Hinterkopf und Nacken entlang, sodass meine klatschnassen Haare hinunter hingen und mir meine Sicht versperrten. Und obwohl ich mittlerweile das Wasser so heiß eingestellt hatte, wie es mir der Regler erlaubte, begann mein Körper zu zittern und zu frösteln.

Es war an der Zeit dieses bereits überflüssige duschen zu beenden.

Bereits früh am Morgen hatte ich Sebastian zu mir bestellt. Die restliche Nacht hatte ich kein einziges Auge zugetan und nachgedacht. So viel nachgedacht, dass ich glaubte mir würde der Kopf zerplatzen, wie ein Luftballon. Viel zu lange hatte ich darüber gegrübelt, wie ich dem Rat gegenübertreten konnte, um ihnen die Lage mit den Vampiren zu erklären. Nicht einmal inmitten einer Scharr Feindarmee zu stehen, jagte mir mehr Angst ein als ein Gespräch mit den Hohepriestern. Noch mehr Angst hatte ich davor, wie Sebastian auf meine Neuigkeiten reagieren würde.

Er wäre wütend. Ja, er würde rasend vor Zorn werden und mich vermutlich gleich mit seiner Engelsklinge einen Kopf kürzer machen. Aber ich hatte keine andere Wahl. Sebastian war meine einzige Chance meinen Plan durchzusetzen, ohne dabei drauf zu gehen.

»Also? Warum bin ich um sechs Uhr morgens wach?«, fragte er gähnend und setzte sich auf mein Bett.

Ich hingegen stand mitten im Raum, mit einem gewissen Abstand zu ihm und betrachtete sein erschöpftes Gesicht. Vielleicht war er noch zu müde, um mich gleich in die Hölle schicken zu können. Ich hoffte es so sehr.

Mir schlug das Herz bis zum Hals und ich konnte das Zittern meiner Hände nicht unterdrücken. Dann straffte ich die Schultern und holte tief Luft. »Ich muss dir etwas beichten.«

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