Kapitel 38

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Die nächsten Tage waren die reinste Hölle. Die alte Abigail kam in mein persönliches Gefängnis. Aber auch nur, um sich an diesen Anblick zu ergötzen. Bereits als ich ihr selbstgefälliges Grinsen sah, wollte ich ihr am liebsten den Kopf abreißen. Sie erfreute sich viel zu sehr über meine Lage und das rieb sie mir deutlich unter die Nase. Natürlich ging ich nicht auf ihre Provokationen ein, sondern ignorierte sie so gut ich konnte, während ich meinen Blick aus dem Fenster richtete. Dabei musste ich darauf achten, dieses nicht zu berühren, wenn ich keinen Stromschlag verpasst haben wollte.

Drei Mal am Tag kam jemand vorbei, um mir Essen zu bringen. Essen welches ich kaum anrührte. Ich besaß keinen Appetit, jedoch viel zu viele Sorgen, die ich nicht loswurde. Ich wollte auch niemanden sehen, bis auf Bas. Ein paar Mal war er zu mir gekommen, um mir ein wenig Gesellschaft zu leisten.

Er hatte versucht den Rat davon zu überzeugen, mich wieder freizulassen. Doch leider hielten sie an ihrem Urteil fest.

Am dritten Tag war er gegen Mittag zu mir gekommen. Er hatte sich auf die Couch gesetzt und mir einen neuen Zeichenblock gereicht.

>>Der Rat ahnt, dass ich mit in die Sache verwickelt war<<, hatte er gesagt. >>Sie haben mir verboten dich weiterhin zu besuchen.<<

Es war keine sonderlich schockierende Nachricht. Der Rat war nicht dumm. Sie wussten, dass Bas und ich uns gegenseitig treu waren. Es war mir sofort klar, dass sie es nicht lange zulassen würden. Und dennoch tat es weh.

Zwei weitere Tage vergingen und ich hielt es in diesem Zimmer nicht mehr aus. Es waren gerade mal fünf Tage und ich war kurz davor durchzudrehen. Wenn ich hier irgendwann rauskommen sollte, dann würde ich denjenigen, der mich in diese Scheiße geritten hatte, mit bloßen Händen auseinanderreißen.

Am sechsten Tag saß ich auf dem Bett, lehnte mit dem Rücken am Kopfende und kritzelte etwas in meinem Zeichenblock, als die Tür geöffnet wurde. Ich machte mir nicht mal die Mühe aufzusehen, denn die vertraute Anwesenheit sagte mir bereits alles.

Schweigend stand er einfach nur da, bis ich mich endlich dazu entschloss ihn anzusehen. Und das, was ich sah, gefiel mir nicht. Langsam legte ich den Block aufs Bett und stand auf. >>Was ist los?<<, fragte ich und ging auf ihn zu.

Sebastian fuhr sich mit der Hand durch die Haare und ich wusste gleich, dass es nichts Gutes sein konnte.

>>Bas. Rede mit mir. Was ist passiert?<< Ich ertrug diese Anspannung nicht.

Langsam hob er den Kopf und in seinen Augen lag Besorgnis und Trauer.

Oh Gott. Bitte nicht.

>>Sie... Sie haben ihn gefunden.<<

Schwankend – als hätte mich etwas getroffen – machte ich einen Schritt nach hinten und riss die Augen weit auf. Meine Brust fühlte sich an, als würde sie von innen von scharfen Krallen zerrissen werden.

>>Sie haben ihn in der Nacht oben auf der St. Pauls geschnappt.<<

Nein. Das konnte nicht sein. Gabriel war doch nicht einmal in der Stadt. Sie mussten den falschen haben. Doch Sebastians Blick sagte mir etwas ganz anderes.

Scheiße. Wieso war er wieder zurück? Und woher wusste der Orden das? Woher wussten sie, wo sie ihn suchen mussten?

Mir schwebte plötzlich etwas Grauenhaftes vor. John. Als ich ihn in die ganze Geschichte eingeweiht hatte... Die ganze Zeit über hatte ich geglaubt, dass es lediglich mit meiner Angst zu tun hatte, Gabriel durch die Wahrheit zu verlieren. Doch jetzt, beim näheren nachdenken...

Bitte lass es nicht wahr sein.

>>Hat... Hat Pater John es ihnen gesagt? Hat er ihnen gesagt, wo Gabriel war?<< Der Mann, der für mich, wie ein Vater war.

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