Kapitel 34

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Irgendwie hatte ich die nächsten Tage gut überstehen können. Ich traf mich mit meinen Freunden, erledigte die Aufgaben des Ordens und ging mit Bas auf die Jagd nach den Abtrünnigen, ohne mir diese merkwürdige Leere in mir anmerken zu lassen.

Nachdem ich Gabriel vor der Kathedrale einfach so zurückgelassen hatte, war ich zurück zum Anwesen gegangen. Aber ich hatte mich nicht in meinem Zimmer eingesperrt, sondern zog mich um und ging gleich darauf in die Trainingshallen. Es hatte eine ganze Nacht gedauert, ehe ich kraftlos auf dem Boden gesunken war und kaum noch Luft bekam. Schließlich war ich völlig ausgelaugt in meinem Bett versunken und hatte den halben Tag geschlafen.

Ich war nicht wütend. Jedenfalls nicht richtig. Die Wurt wurde mehr von Trauer und Schmerz überschattet. Dennoch konnte ich Gabriels Entscheidung verstehen. Ich meine, ich hätte es nicht anders gemacht. Wenn es um mein Leben, um meine Erinnerungen gehen würde, hätte ich ebenfalls alles getan, um sie wiederzuerlangen. Ja, ich hatte sehr lange darüber nachgedacht und es letztendlich begriffen.

Was die Sache natürlich nicht leichter machte. Gabriel war weg und ich wusste nicht, wann er wieder kommen würde. Ob er überhaupt wieder kommen würde. Letzteres war der einzige Hoffnungsschimmer, den ich noch besaß. Dass Gabriel zurückkommen würde. Zurück zu mir.

Das summende Geräusch meines Telefons ließ mich mit meinem erneuten Training stoppen.

Was denn jetzt?

Seufzend ging ich zu den Sitzbänken und schnappte mir mein Handtuch, um mir den Schweiß abzuwischen. Gleichzeitig griff ich nach dem Telefon, um die eingegangene Nachricht zu lesen.

Schwing deinen dürren Arsch heute Abend in den Club. Der Boss will dich sehen.

Diese verdammte Dämonenhure. Ich hoffte echt, dass ich nicht mehr lange mit diesem Miststück aushalten musste. Und dennoch...

Es war einige Zeit her, seit mich der Vampirfürst treffen wollte. Hatte er vielleicht eine weitere Spur? Obwohl, wenn er eine Spur zu den Abtrünnigen hätte, hätte mich der verdammte Sukkubus einfach losgeschickt. Es musste also etwas anderes sein.

Ich schickte ihr ein Einfaches Okay, gefolgt von einem Mittelfinger-Emoji und legte das Handy wieder zurück. Nach einem großen Schluck aus meiner Wasserflasche, packte ich meine Sachen zusammen. Das Training war für heute vorbei. Jetzt brauchte ich dringend eine Dusche.

***

Der Abend brach langsam an. Ich schickte Bas eine Nachricht, um ihm über das Treffen zu informieren. Keine Alleingänge mehr. Die letzte mörderische Aktion hatte mir bereits gereicht. Außerdem spürte ich erneut dieses bösartige Gefühl tief in meiner Magengegend. Eine Vorahnung. Und solange dieses Gefühl nicht wieder verschwunden war, wollte ich lieber auf Nummer sicher gehen.

Manchmal da wünschte ich mir irgendwelche Visionen zu haben, anstatt mich allein auf mein Bauchgefühl zu verlassen. Bilder. Konkrete Zeichen. Unwissenheit war nicht gerade mein liebstes Wort.

Punkt Acht klopfte es an meiner Tür. Fertig angezogen, schnappte ich mir meine Tasche und verließ mein Zimmer. Sebastian baute sich vor mir auf. Gefährlich und kampfbereit. Manchmal da bewunderte ich seinen Tatendrang.

Für einen Moment starrte er mich mit zusammengezogenen Augenbrauen an, doch ich ging gar nicht erst auf seine Versuche ein, etwas aus mir herausquetschen zu wollen.

Ich ging an ihm vorbei, wobei er mir gleich folgte. Mit Sebastian an meiner Seite wurde ich von den anderen nicht beachtet. Nicht einmal von diesen verlogenen Eric. Eine verdammt gute Technik, um mir die alte Abigail und ihren Schoßhund vom Leib zu halten.

Bas und ich ließen das Anwesen hinter uns und ich begann ihm endlich alles weitere zu erklären. >>Victor will über etwas sprechen. Persönlich. Ich weiß nicht, worum es geht, aber du musst mir mögliche Verfolger vom Hals halten.<<

>>Mir gefällt die Sache noch immer nicht. Es gefällt mir nicht, dass er dich alleine sprechen will. Und es gefällt mir nicht, dass ich nicht wissen darf, wo du dich befindest.<<

>>Ich weiß. Aber so ist die Abmachung. Ich will auf keinen Fall, dass das ganze schief geht. Der Blutsauger vertraut mir und ich will dieses Vertrauen nicht zerbrechen.<<

>>Ja, ja. Schon klar.<<

Ich schenkte ihm ein kleines Lächeln. >>Mach dir nichts draus. Wenn die Sache vorbei ist, dann werde ich sowieso nichts mehr mit ihm zu tun haben. Du weißt, dass es nur für kurze Zeit ist.<<

Er nickte und ich hoffte, dass ich ihn damit wenigstens etwas beruhigen konnte.

Meinen Anweisungen folgend, fuhr Bas durch die Straßen von London. Ich musste nur aufpassen, dass ich ihn nicht in die Nähe des Clubs brachte. Er durfte nichts davon erfahren. Dazu war er noch nicht bereit.

Geschöpfe des Himmels hatten in diesen selbst erschaffenen Paradies für Unterweltwesen, nichts zu suchen. Ganz besonders nicht, wenn sie dem Orden angehörten. Sebastian mit mir zu nehmen, würde eine viel zu große Aufruhr verursachen und den Frieden, der darin herrschte, nur zerstören. Ich liebte Bas über alles, doch ich konnte ihn dennoch nicht in diese Welt hineinlassen.

Bewusst ließ ich ihn einige Straßen vom Club entfernt parken. Von dort aus hätte er nicht wissen können, wohin ich eigentlich wollte.

Durchatmend, blieb ich einen Augenblick im Wagen sitzen. >>Es wird bestimmt nicht lange dauern<<, beruhigte ich ihn.

Sebastian drehte sich leicht zu mir herum und sah mich mit einem skeptischen Blick an, sagte dazu jedoch nichts.

>>Hör auf dir so viele Gedanken zu machen. Ich schaff das schon. Ich bin ein großes Mädchen<<, grinste ich.

Schwer seufzend rollte er mit den Augen und schüttelte den Kopf. >>Ist ja schon gut. Geh einfach, bevor ich es mir noch anders überlege.<<

Ich grinste breiter, öffnete schließlich die Autotür und schlüpfte aus dem Wagen. Draußen blieb ich noch kurz stehen und ließ meine Sinne spielen. Niemand verdächtiges zu spüren. Perfekt. Ich konnte los. Ohne noch mehr Zeit zu verschwenden, begann ich zu rennen.

Shadow Soul ✔️Where stories live. Discover now