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Ich blickte staunend um mich. Wir standen in einer großen Halle, in der alles in weiß gehalten war. Der Boden, die Wände, die Decke, alles im selben glänzenden Weiß. Den einzigen Kontrast bildeten einige weich aussehenden schwarzen Sessel, die um einen kleinen runden Tisch herum standen.

Linien an den Wänden deuteten Türen an, wohin sie führten, wusste ich nicht. Von der Mitte des Raums führte eine breite Treppe hoch in den ersten Stock. Von ebendieser Treppe kam in diesem Moment eine Frau herunterstolziert. Alpha, wie ich auf den ersten Blick feststellte. Die hellblonden Haare fielen ihr offen über die nackten Schultern, ein trägerloses weißes Kleid betonte die schlanke Figur. 

Ich zwang mich, sie nicht dafür zu verabscheuen, dass sie eine Alpha war.

"Hallo zusammen. Willkommen beim Test. Mein Name ist Crystal Pervaya, aber ihr könnt mich Crystal nennen." Sie lächelte.
"Wenn jemand von euch persönliche Sachen mitgenommen hat, bitte ich euch, diese jetzt abzugeben, denn ihr bekommt alles, was ihr braucht, von uns zur Verfügung gestellt." Sie sah uns der Reihe nach an.

Ein Junge trat vor und streckte Crystal seine abgewetzte Tasche entgegen. Der rote Stoff einer Socke schaute aus einem Loch am Boden heraus. Zwei Mädchen folgten ihm. Dann noch ein Junge. Auch wenn es keiner aussprach, ich wusste genau, dass diese vier schon ordentlich Minuspunkte gesammelt hatten - in dem Brief, den wir bekommen hatten, hatte deutlich gestanden, dass wir kein eigenes Gepäck mitbringen mussten.

Als keiner mehr Gepäck bei sich trug, erklärte Crystal: "Eure Zimmer befinden sich im ersten Stock." Sie zeigte auf die Treppe. "Die Tür, über der Gamma steht, ist für euch. Die ganz rechts. Sie öffnet sich automatisch. Hinter der Tür findet ihr einen Flur, die Türen darin führen zu euren Zimmern."

Ich verkniff mir einen sarkastischen Kommentar. Nur weil wir zur niedrigsten Klasse gehörten, hieß das nicht, dass wir schwer von Begriff waren und man uns alles genaustens erklären musste. Doch ich hielt mich zurück. Verhielt mich, wie eine Alpha es getan hätte.

"Eure Namen stehen an der Zimmertür, je vier von euch sind im selben Zimmer. Bitte kommt pünktlich um halb sieben Uhr in den Esssaal." Crystal zeigte auf die grösste Tür, rechts von uns. "Gut, ihr könnt gehen."

Sie ging mir jetzt schon auf die Nerven.

Mit den anderen Gammas ging ich die Treppe hoch. Oben an der Treppe befand sich eine Wand mit drei Türen. Über der ersten stand "Alpha", über der zweiten "Beta" und über der dritten "Gamma". Wie Crystal gesagt hatte. Die Tür öffnete sich automatisch, als ich darauf zuging, und ich betrat den Flur dahinter, der eine leichte Kurve nach rechts machte. Genau wie die Eingangshalle war er in weiss gehalten, doch der Boden war aus glänzendem Holz. Kunstholz bestimmt, seit 2130 wurden keine Bäume mehr gefällt.

An der vorletzten Tür an der Wand war ein Zettel angebracht, auf dem mein Name stand. Darunter standen drei weitere Namen: Lia, Savannah und Caitlyn.

"Lia, wir sind zusammen!", rief ich meiner besten Freundin entgegen, die einige Meter hinter mir den Flur entlangging. Die anderen beiden Mädchen kannte ich nicht. Wenn man zu arm war, um zur Schule zu gehen, lernte man nicht viele Leute kennen - Lia hatte ich zufällig beim Joggen auf der Strasse getroffen.

Gemeinsam betraten wir das uns zugeteilte Zimmer und verfielen gleichzeitig in ungläubiges Staunen. Es war grösser als mein Zimmer zu Hause und grösstenteils weiß. Es war so... sauber. Genau wie im Flur war der Boden aus Holz und in jeder Ecke stand ein weiss bezogenes Bett, an der hinteren Wand ein dunkler Schrank aus Kunstholz. Eine kleine Tür führte ins Bad.

"Wow", hauchte Lia. "Wie müssen die Zimmer der Alphas erst aussehen?"

Natürlich wussten wir beide, dass wir Gammas bestimmt auch hier am schlechtesten behandelt wurden, doch ausnahmsweise wollte ich mir keine Gedanken darüber machen. Beinahe ehrfürchtig strich ich über die weiche Bettdecke und zog die Hand ruckartig weg, als mir bewusst wurde, was ich da tat. Ich straffte die Schultern, richtete mich auf und lächelte in Richtung der oberen Zimmerecke, in der ich die Kamera vermutete. "Danke für das Zimmer", sagte ich zu den Leuten, die mir wahrscheinlich gerade zusahen. "Es ist schön."

Lia schaute mich zuerst irritiert an, doch im nächsten Moment begriff auch sie, dass wir hier bestimmt überwacht wurden. Schließlich zählten nicht nur die Tests, sondern auch unser Verhalten - zumindest hatte Joy das gesagt.

"Na ich hoffe, dass wenigstens im Bad keine Kameras sind", bemerkte meine beste Freundin trocken und verschwand in dem kleinen Badezimmer, das zu unserem Zimmer gehörte.

Kaum war meine beste Freundin weg, betraten die anderen beiden Mädchen das Zimmer. Der Kontrast zwischen den Beiden war erstaunlich; es kam nicht allzu oft vor, dass man Gammas traf, die nicht das typische Aussehen ihrer Klasse hatten. Aber zwei davon waren in unserem Zimmer gelandet.

Während die eine strahlende türkisfarbene Augen und lange, rotbraune Locken hatte und bestimmt einen Kopf größer als ich war, war die andere klein und hatte den Blick auf den Boden gerichtet; obwohl sie mit ihren kurzen, weißblonden Haaren beinahe wie eine Alpha aussah, fühlte sie sich sichtlich unwohl. Ihre Augen verbarg sie hinter einer ramponierten Sonnenbrille.

"Hey. Ich bin Savannah", stellte sich das Mädchen mit den roten Locken fröhlich vor und ließ sich auf das linke hintere Bett fallen. "Schön hier."

"Ich bin Mira und die auf dem Klo ist Lia." Ich zwang mich zu einem Lächeln. Natürlich wirken, ermahnte ich mich selbst in Gedanken. Und gleichzeitig freundlich. 

Das andere Mädchen setzte sich auf das Bett gegenüber von Savannah. "Hallo", sagte sie leise. Ihren Namen nannte sie mir nicht, doch der letzte Name, der an der Zimmertür noch übrig war, war Caitlyn, deshalb musste sie wohl so heißen.

Lia kam aus dem Bad und durchbrach die peinliche Stille. Sie warf einen flüchtigen Blick auf die Uhr an der Zimmerwand. "In zehn Minuten gibt es Essen. Wollt ihr euch nicht fertigmachen?"

Sie war bereits fertig geschminkt und umgezogen.

Schnell band ich meinen Pferdeschwanz neu und zog ein sauberes T-Shirt an. Grau. Dann gingen Lia, Savannah, Caitlyn und ich die Treppe runter in den Esssaal.


FakeWhere stories live. Discover now