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Da ich eh erst gegen Schluss drankommen würde, wollte ich in die Sporthalle gehen, die Lia und ich gestern entdeckt hatten, um zu trainieren. Früher hatte ich nur Sport gemacht weil ich sportlich sein musste um eine Alpha zu werden, doch inzwischen liebte ich es, joggen zu gehen oder mit meiner grossen Schwester Joy Fussball zu spielen. Na ja, zumindest wenn Joy mal Zeit hatte. Den grössten Teil des Tages arbeitete sie, um unsere kleine Familie über Wasser zu halten.

"Kommst du in die Sporthalle?", fragte ich Lia, als wir zusammen aus dem Esssaal gingen.

Sie verzog das Gesicht. "Vergiss es. Du weißt, dass ich Sport nicht ausstehen kann."

"Bitte?"

"Nein."

"Aber heute ist der Sporttest", versuchte ich, sie zu überreden, doch sie ließ sich nicht umstimmen.

Deanna und Savannah wollten auch nicht, Caitlyn war verschwunden.
Auch gut. Dann ging ich eben alleine.

Die kleine Sporthalle war leer, als ich in grauer Sportkleidung hineinkam. Also niemand, der mich beobachtete. Und niemand, der sich fragen konnte, warum ich beim Joggen eine Sonnenbrille trug.

Also begann ich, Runden zu laufen. Die Landschaft war nicht so abwechslungsreich wie beim Joggen auf der Straße, trotzdem merkte ich schon nach wenigen Schritten, wie ich in meinen gewohnten Rhythmus verfiel und die Anspannung langsam wich. Das gleichmäßige Klopfen meiner grauen Turnschuhe auf dem glänzenden Hallenboden vertrieb wenigstens für kurze Zeit die pessimistischen Gedanken.

Einzig die Sonnenbrille störte ein wenig, doch ich wollte sie nicht abnehmen.

Ich war erst wenige Runden gerannt, als ein Junge die Halle betrat und in mein Tempo einfiel. Schwarze Haare, grüne Augen - ich erkannte ihn. Jase, erinnerte ich mich. Der Alpha, der gar nicht wie ein Alpha aussah und der mir genau deswegen so sympathisch war.

"Hallo." Er grinste mich an und begann, neben mir her zu joggen. "Warum trägst du eine Sonnenbrille."

"Hallo", erwiderte ich. "Weil es hier drin hell ist."

Er zog die Augenbrauen hoch. "Wir wissen beide, dass es hier drin nicht besonders hell ist. Versteckst du etwas?"

Schnell schüttelte ich den Kopf. "Nein. Ich mag diese Sonnenbrille einfach."

Eine Weile joggten wir schweigend nebeneinander her, dann fragte er: "Willst du Musik hören?"

"Musik?", wiederholte ich erstaunt. Bei mir zu Hause gab es keine Musik. Ich hatte ein paar Mal welche gehört, wenn ich im Park gewesen war und in meiner Nähe Alphas rumgehangen hatten. Dann war ich immer näher herangegangen, fasziniert von den mir unbekannten Melodien und hatte versucht, sie so gut wie möglich in meinem Kopf zu speichern, bevor die Alphas mich wegjagten.

Jase zog ein kleines, flaches Gerät aus der Tasche seiner weissen Shorts.

"Ich bin übrigens Jase", sagte er beiläufig, als er zur Wand ging, eine kleine Klappe öffnete und das Gerät anschloss. Natürlich ließ ich mir nicht anmerken, dass ich seinen Namen bereits gewusst hatte. Er sollte nicht denken, dass ich ihn beobachtet hatte oder so was. Gut, ich hatte ihn beobachtet. Aber er hatte es hoffentlich nicht bemerkt.

"Mira", erwiderte ich und versuchte, nicht zu überrascht darüber zu wirken, dass ein Alpha mit mir sprach. Bestimmt gab es auch hier Kameras, die alles einfingen, was wir sagten.

Wenige Sekunden später erklang Musik aus versteckten Lautsprechern. Ich kannte das Lied nicht, aber das war keine große Überraschung.

Im Rhytmus des Songs joggten ich und Jase weiter. Beim zweiten Refrain begann ich, leise mitzusingen. Ich hatte immer gerne gesungen, auch wenn ich kaum Lieder kannte, und Crystal Pervaya (oder wer auch immer mich überwachte) freute sich bestimmt, dass ich so selbstbewusst war und in Gegenwart von Fremden singen konnte. Oder so.

Jase schaute mich überrascht an. "Du singst gut", meinte er und begann gleich darauf, selbst mitzusingen.

"Danke", sagte ich, glaubte aber nicht, dass er es hörte. Er sang laut und schief und brachte mich zum Lachen. Ich stimmte mit ein, so gut ich konnte, da ich nur einen Bruchteil der Worte überhaupt verstand.

And you know, we'll never be apart

Not by distance and neither by heart

My smile reflecting in your eyes

Yeah, what if we fly

Schön, wenn man so jemanden hatte, musste ich unwillkürlich denken. Jemand, mit dem man fliegen konnte.
Doch ich musste mich erstmal auf wichtigere Dinge konzentrieren. Darauf, eine Alpha zu werden, zum Beispiel. Und danach genug Geld zu verdienen, um die Medikamente für Mom bezahlen zu können.




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