4

11.3K 720 83
                                    

Wir sahen uns um. Der Esssaal war in denselben Farben gehalten wie die Eingangshalle und die Zimmer - nun ja, sofern man Weiß als Farbe bezeichnen wollte. Kugelförmige Lampen an der Decke tauchten den Raum in warmes Licht. Drei lange Tische standen in einer U-Formation um eine kleine Bühne, von der ich nicht wusste, wozu sie gut war.

Lia zeigte auf den Tisch ganz rechts, an dem schon einige Leute in grauen T-Shirts saßen. "Ich glaube, das ist der Tisch für die Gammas."

Wir setzten uns hin. Ein Bildschirm, auf dem eine Menukarte zu sehen war, war in den Tisch eingelassen.

"Ich glaube, wir dürfen uns was zu essen aussuchen." Lia zeigte auf einige Alphas am gegenüberliegenden Tisch, die schon assen. Ich schaute den Bildschirm an. Natürlich hatte ich keine Ahnung, wie er funktionierte. Hilflos schaute ich zu Savannah, die anscheinend schon wusste, wie man bestellte, denn sie tippte gezielt auf ihrem Bildschirm herum.

Als sie meinen Blick bemerkte, wischte sie von unten nach oben über meinen Bildschirm. "So kannst du schauen, was du alles bestellen kannst", erklärte sie. Ich las, kam kaum nach weil das Essen so schnell vorbeiflog. Huhn mit Nudeln und.... ...spiesse mit... Lasagne. Gemüseteller mit...
Mir lief das Wasser im Mund zusammen. Über die Hälfte der Gerichte kannte ich bisher nur aus den Werbespots, die immer auf den Holo-Screens auf der Strasse liefen.

Schliesslich entschied ich mich doch für etwas, was ich kannte: Einen Kartoffelauflauf mit Salat. Meine Mutter hatte das immer gekocht, bevor wir uns kein Gemüse mehr hatten leisten können.

Das Essen kam sofort. Über Schienen, die in der Mitte unserer Tische eingelassen waren, wurde es hineingefahren. Ich begann sofort, zu essen. Der Kartoffelauflauf schmeckte viel besser als der von meiner Mutter und die Portion war viel zu gross, als dass ich das jemals alles hätte essen können. Wie von selbst breitete sich ein Lächeln auf meinem Gesicht aus. Wenn das so weiterging, dann hatte ich mich umsonst vor dem Test gefürchtet.

Ich hatte gerade fertig gegessen und schob meinen noch halb vollen Teller gesättigt von mir, da kam Crystal Pervaya herein und betrat die kleine Bühne. Ach. Dazu war die also gut. Damit wir Crystal auch noch beim Essen ansehen mussten.

"Hallo zusammen. Ich hoffe, ihr habt alle eure Zimmer gefunden", sagte sie.

Nein, du hast es uns nicht genau genug erklärt, wir sind schließlich Gammas und komplett unfähig. Ich biss mir auf die Zunge, um die Worte nicht auszusprechen. Es war nichts, was eine Alpha gesagt hätte.

"Wie ihr sicherlich wisst, dauert der ganze Test vier Tage", sprach sie weiter. "Heute ist der erste Tag und es finden noch keine der kleineren Tests statt. Morgen werdet ihr um acht Uhr geweckt. Begebt euch dann bitte umgehend in den Esssaal, denn um viertel vor  neun werde ich erklären, welche Tests an diesem Tag dran sind. Nachtruhe ist um zehn. Wenn ihr mit essen fertig seid, könnt ihr jetzt gehen."

Sie verließ die Bühne wieder, unter dem Applaus des Alpha-Tischs. Einige Betas brachen in Gelächter über die Alphas aus, an unserem Tisch herrschte angespanntes Schweigen. Mit einem zuversichtlichen Lächeln auf den Lippen stand Lia auf und sah auf mich hinunter. "Kommst du?"

Ich nickte und zusammen verließen wir den Esssaal, um uns im Testgebäude umzusehen. Wenig überraschend war der größte Teil der Einrichtung in weiß gehalten und je länger ich hier war, desto schmutziger fühlte ich mich. Ich passte nicht hierher. Keine Gamma tat das. Außer vielleicht Savannah.

Trotzdem konnte ich nicht anders als zu staunen. Es  gab eine Sporthalle und einen Aufenthaltsraum mit einem Fernseher. Wir setzten uns vor den Fernseher, doch als ich Lia erwartungsvoll ansah, zuckte sie nur mit den Schultern. "Schau mich nicht so an. Unser Fernseher zu Hause ist etwa eine Milliarde Jahre älter als dieses Ding hier."

Also standen wir wieder auf und gingen weiter, immer darauf achtend, vor den Kameras, die uns von jeder Ecke des Gebäudes aus beobachteten, gut dazustehen. Ich mehr als Lia.

Um zehn lag ich schliesslich in meinem Bett, das viel weicher war als meines zu Hause. Ich versank beinahe in der Matratze und die Decke fühlte sich an, als würden Wolken mich umhüllen. Ich hatte geduscht und mich umgezogen und fühlte mich jetzt wenigstens ein klein bisschen weniger fehl am Platz.

Auch wenn ich erwartet hätte, dass ich noch stundenlang wachliege und mir Gedanken über den Test mache, war ich so müde, dass ich sofort einschlief.

FakeWhere stories live. Discover now