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Die Zeit verging überraschend schnell. Vielleicht lag es an Jase, mit dem ich mich die ganze Zeit unterhielt. Oder vielleicht war die Fahrt einfach kürzer, weil ich nicht nach Hause zurückkehrte. Stattdessen fuhren wir zum Wohnviertel der Alphas, wo bereits Häuser für uns bereitstanden.  Auch als Beta oder Gamma wurde einem ein Haus zur Verfügung gestellt, aber kleiner und anders eingerichtet. Außer natürlich man blieb in der Klasse, in die man hineingeboren war. Dann hatte man die Wahl. So wie meine Schwester Joy, die sich dafür entschieden hatte, bei meiner Mutter zu bleiben.

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Mein neues Haus war der Wahnsinn. Es war viel größer als das Haus meiner Familie, dabei würde ich hier ganz allein wohnen. Alles war sauber und glänzte, fertig eingerichtet mit Möbeln, die sicher so teuer waren, dass das Geld meine Familie ein Jahr lang hätte ernähren können.
Es gab sogar einen begehbaren Kleiderschrank mit einem riesigen Spiegel, gefüllt mit Kleidern. Nicht nur grau, sondern alle möglichen Farben. Eine Weile sah ich mich mit großen Augen um, dann fing ich mich wieder und schüttelte den Kopf über den ganzen Luxus. Mom und Joy lebten zusammen auf engstem Raum und mussten ihre zerschlissene Kleidung über Bettpfosten und Stühle hängen, da wir den Schrank letzten Winter zu Brennholz verarbeitet hatten. Und ich bekam für mich alleine einen begehbaren Kleiderschrank, in dem locker jemand hätte schlafen können.

Aber es hatte keinen Sinn, sich jetzt über das System aufzuregen. So ging ich nur durch das Haus, betrachtete die Ausstattung und war froh, dass ich eine Alpha war.

Auf dem großen Küchentisch aus Holz fand ich einen Brief.

Sehr geehrte Mira Haze

Herzlich willkommen in Ihrem neuen Haus.

Anbeiliegend finden sie das Geld, das sie für diesen Monat bekommen. Bitte gehen Sie sparsam damit um.

Ebenfalls in diesem Umschlag finden Sie eine Liste mit den Berufen, die Sie als Alpha erlernen können. Wir bitten Sie, sich bis Ende Monat für einen Beruf zu entscheiden. Wenn Sie wünschen, können wir Ihnen einen Spezialisten schicken, der Ihnen dabei hilft. Die Nummer finden Sie auf der Liste neben Ihrem Telefon. Ebenfalls senden wir Ihnen gerne weitere Informationen zu den Ihnen angemessenen Berufen zu.

Bitte benachrichtigen Sie uns, wenn Sie sich für einen Beruf entschieden haben. Weitere Informationen werden wir ihnen zusenden.
Mit freundlichen Grüssen
Die Regierung

Ich nahm das Geld aus dem Umschlag und staunte darüber, wie viel es war.
Völlig übertrieben. So viel konnte ich in einem Monat gar nicht ausgeben, selbst wenn ich es gewollt hätte.

Nachdem ich das Geld gezählt hatte, versuchte ich auszurechnen, wie viel ich wirklich brauchte. Das war schwer, weil ich nicht besonders gut in Mathe war.

Schließlich gab ich auf und legte ungefähr zwei Drittel des Gelds zur Seite. Als ich einen Umschlag, Papier und Stifte gefunden hatte, begann ich, einen Brief an meine Familie zu schreiben.

Liebe Mama und Joy
Ich hoffe, es get euch gut.
Ich bin hier in meinem neuen Haus. Nächsten Monat kan ich euch mer Geld schicken. Ich hoffe, das hier reicht für einen Artzt.
Liebe Grüse
Mira

Ich wusste, dass ich einige Fehler beim schreiben machte, doch ich war froh, dass meine Mutter mir überhaupt das Schreiben beigebracht hatte. Danach legte ich das Geld in den Umschlag. Es war ziemlich viel.

Es war ein gutes Gefühl, den Brief in den elektronischen Briefkasten vor meinem Haus zu legen. Mit einem leisen Surren verschwand er.

Ich drehte mich um und betrachtete das Haus, das mein neues Zuhause sein sollte. Ich war eine Alpha.

Ich war eine Alpha.


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