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"Mira! Du bist ja ganz blass!", begrüßte Gabriella mich. Sie schaute mich von oben bis unten an und trotz meiner angeblichen Blässe lächelte sie breit. "Du bist eine Alpha", stellte sie fest.

Ich zwang mich zu einem Lächeln, in Gedanken immer noch bei Jase. "Ja. Und ich kann mein Färbemittel bezahlen."

"Nein, das ist nicht nötig", widersprach sie. "Ich schenke es dir natürlich wie immer."

"Aber ich bin jetzt Alpha. Ich habe Geld!", protestierte ich und hielt ihr die Geldscheine entgegen, die ich mitgenommen hatte.

Gabriella wedelte mit den Händen. "Schick es deiner Familie. Ich habe genug. Und jetzt nimm das Mittel, keine Widerrede." Gabriella streckte mir drei Packungen mit blondem Färbemittel entgegen und nach kurzem Zögern nahm ich sie, steckte sie in meine Tasche und sah mich dann kurz um, ob jemand mich bemerkt hatte.
Außer mir waren nur noch wenige Personen im Laden, alle waren Betas.

Betas waren normalerweise die Einzigen, die ihre Haare färbten. Alphas verzichteten selten auf ihre blonden Haare, die schliesslich ein Kennzeichen ihrer Klasse waren. Und Gammas konnten es sich einfach nicht leisten.

"Ach und noch was." Ich hob meine Sonnenbrille. "Ich brauche eine neue Kontaktlinse."

Gabriellas Augen weiteten sich kaum merklich, dann nickte sie schnell. 

Erleichtert bedankte ich mich bei ihr, verließ den Laden und ging schnell und in gebückter Haltung nach Hause, in der Angst, erwischt zu werden. Nicht, dass irgendjemand auf die Idee gekommen wäre, meinen kaum sichtbaren braunen Haaransatz anzusehen, doch ich wollte lieber auf Nummer sicher gehen.

Kaum war ich zu Hause in Sicherheit, dachte ich wieder über Jase nach. Was war mit ihm passiert? Was hatte er getan? Hatte er irgendein Verbrechen begangen?

Oder - und das war meine schlimmste Vermutung - hatte er dasselbe getan wie ich? Hatte er sich auf den Test vorbereitet und trainiert? Wobei, seine schwarzen Haare und grünen Augen sprachen dagegen. Er sah überhaupt nicht wie ein Alpha aus.

Wäre mit mir dasselbe geschehen, hätte mich jemand auf dem Weg zu Gabriellas Laden erwischt?

An diesem Tag prüfte ich sicher noch zehn Mal den Sitz meiner Kontaktlinsen.

Meine richtige Augenfarbe hatte ich schon lange nicht mehr gesehen, doch ich hatte Angst, die Kontaktlinsen rauszunehmen. Vielleicht wurde ich auch hier überwacht.
Wenn ich so drüber nachdachte, war es schon gefährlich, mir die Haare zu färben.
Doch noch gefährlicher wäre es, sie nicht zu färben, entschied ich, nahm eine Packung Färbemittel und verschwand im Bad.

Kaum war der braune Ansatz weg, fühlte ich mich wieder ansatzweise sicher, doch ich fragte mich immer wieder, was mit Jase los war. Er hatte nett auf mich gewirkt, nicht wie jemand Kriminelles. Doch ich konnte mich auch irren. Wahrscheinlich hatte ich ihn völlig falsch eingeschätzt.

Egal, sagte ich mir. Ich konnte jetzt nicht rumsitzen und die ganze Zeit über ihn nachdenken.

Ich bestellte Pizza.

Ich aß die Hälfte davon.

Ich duschte erneut, um mir die Zeit zu vertreiben, und nahm mir vor, mir gleich am nächsten Tag ein Buch oder so was zu besorgen, damit ich mich beschäftigen konnte.

Ich scrollte die Liste mit den verfügbaren Ausbildungen durch, auch wenn ich schon lange wusste, dass ich Medizin studieren wollte.

Ich surfte im Internet und landete schließlich auf einer Seite mit sinnlosen Onlinespielen.

Ich spielte, bis meine Augenlider schwer wurden.

Ich ging ins Bett.

So verging der Rest des Tages. Am nächsten Morgen, nachdem ich schweißgebadet aus meinen Albträumen aufgewacht war, ging ich erstmal duschen. Zumindest wollte ich das. Denn kaum stand ich unter der Dusche und hatte das Wasser angestellt, klingelte es an der Tür.

"Wasser aus", befahl ich, stieg schnell aus der Dusche - wobei ich fast auf dem nassen Boden ausrutschte -, zog mich dann an, verhedderte mich beinahe in meinem Pulli, während ich die Treppe hinunterstolperte, und öffnete dann außer Atem und mit tropfenden Haaren die Tür.

Zwei Polizisten standen davor.

Nervös fuhr ich mir durch die frisch gefärbten blonden Haare. Sie hatten mich erwischt. Nach all meinen Bemühungen war ich tatsächlich aufgeflogen.

FakeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt