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Einige Tage verstrichen, einer nach dem anderen. Ich genoss die Eintönigkeit und die Langeweile, die das Leben bei den Rebellen mit sich brachte; nach all der Anspannung in den letzten Wochen waren sie eine willkommene Abwechslung. 

Mit den anderen Mädchen freundete ich mich schnell an. Wir sahen zusammen fern, kochten, hielten nach den Leuten von der Regierung und den anderen Rebellen Ausschau. Mit jedem Tag wuchs meine Dankbarkeit Jase gegenüber, doch bis ich dies zugeben konnte, dauerte es lange.

Jase. Mit jedem Tag, den wir zusammen verbrachten, kamen wir uns näher. Vielleicht habe ich mich damals schon ein wenig in ihn verliebt, ich weiß es nicht.

Doch es dauerte nicht lange, bis meine heile Welt in sich zusammenfiel wie das sprichwörtliche Kartenhaus.

Ich wurde von einem lauten Krachen geweckt. Auch um mich herum schreckten einige der Mädchen aus dem Schlaf. 

"Was war das?", flüsterte Elara.

"Es klang als hätte jemand die Tür eingetreten." June blieb so ruhig und gefasst wie immer, was vielleicht an ihrem fortgeschrittenen Alter lag - mit ihren vierzig Jahren lag sie gut zwei Jahrzehnte über dem Durchschnittsalter hier.

"Was machen wir denn jetzt? Und wer ist das überhaupt?" Felicitas brach beinahe in Panik aus. "Sind das die anderen Rebellen? Was machen wir jetzt."

Sydney stand auf. "Beruhigt euch", sagte sie. "Wir können uns wehren. Holt eure Waffen. Ich werde mich nicht kampflos ergeben."

Ich hatte sie noch nie so wütend gesehen. Dieses Mädchen war bereit, das zu verteidigen, wofür sie hart gearbeitet hatte. 

Zusammen mit den anderen stand ich auf, doch Sydney hielt mich zurück und drückte mir einen Dolch mit angelaufener Klinge in die Hand. "Hier", flüsterte sie mir zu. "Du musst dich verteidigen können."

Mir wurde beim Anblick der Waffe beinahe übel. Und ich hatte mich schon eingestellt, hier niemanden töten zu müssen! Wie man sich doch täuschen konnte. 

Alle zusammen kauerten wir im Dunkel unserer Schlafkammer. Ich konnte das stumme Weinen von einigen der jüngeren Mädchen hören und musste mich zwingen, bei dem Geräusch nicht selbst in Tränen auszubrechen. Niemand wagte es, sich zu bewegen. Jemand, der wohl die Luft angehalten hatte, stieß sie zischend wieder aus. 

Eine Weile lang herrschte Stille. 

Dann splitterte das Holz der Tür und die Stille wich Panik. 

Drei Männer in weißen Anzügen stürmten hinein, Pistolen erhoben. Für einen Moment hielt ich mich an der unsinnigen Hoffnung fest, dass wir uns immer noch alle ergeben konnten, dann fiel der erste Schuss. 

Alles lief wie in Zeitlupe ab. 

Felicitas' Augen wurden groß und sie presste sich die Hand auf die Brust. Dann fiel zehnjährige Mädchen auf den Boden, wo es reglos liegen blieb. 

Zeit, zu trauern, wurde uns keine gelassen. Die nächsten Schüsse fielen, einer nach dem anderen, und wenn manche von uns versuchten, sich zu wehren, lenkten sie den Lauf der Waffen damit nur unweigerlich auf sich. Ich blickte panisch um mich, konnte nicht mehr atmen, alles verschwamm. Gerade als ich mich fragte, warum man mich eigentlich nicht schon längst erschossen hatte, packte mich einer der Männer an der Schulter. 

"Mira Haze", sagte er. 

"In Person", erwiderte ich so kalt wie möglich. 

"Wir sind Ihnen unseren Dank schuldig."

Ich sollte erst später begreifen, was das bedeutete. 

Was vielleicht auch ganz gut so war, denn hätte ich es in diesem Moment getan, wäre ich wahrscheinlich auf der Stelle in Ohnmacht gefallen. 

FakeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt