Kapitel 12

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Langsam machte ich meine Augen auf, doch schloss sie direkt wieder als ich noch leicht verschwommen sah. Erneut versuchte ich sie aufzumachen und blinzelte einige male bis ich eine bessere Sicht zusehen bekam. Ich legte meine Hand an den Kopf und verzog leicht das Gesicht, denn ich hatte unerträgliche Kopfschmerzen. Verwirrt wanderten schließlich meine Augen durch die Gegend, denn ich war nicht bei mir Zuhause. Erschrocken blickte ich mich um, doch beruhigte mich wieder, da Liam vor mir auf einem Sessel saß und mich still beobachtete. Ich lag noch auf der Couch, weshalb ich mich vorsichtig aufrecht setzte und ihn erneut ansah, denn noch immer sagte er kein Wort.

"Was ist passiert?", wollte ich schließlich wissen.

"Du bist ohnmächtig geworden", erklärte er gelassen.

"Warum hast du mich nicht nach Hause gebracht? Naja, eigentlich ist es so besser, denn sonst hätte meine Oma einen Herzinfarkt bekommen", meinte ich und stand auf, doch als ich erneut schwankte, war Liam sofort auf den Beinen und deutete mir mich hinzusetzen.

"Bleib sitzen", befahl er streng und ich nickte nur stumm.

Es vergingen einige Sekunden, wobei es vollkommen still zwischen uns blieb und ich nicht so genau wusste, was ich machen sollte. Mein Blick blieb an der Uhr hängen und ich riss erschrocken die Augen auf, denn ich hatte die Schule vollkommen vergessen.

"Liam, wir müssen in die Schule!", machte ich es ihm klar, doch er machte keine Anstalten zugehen.

"Müssen wir nicht", meinte er kühl.

"Wie?", fragte ich verwirrt.

"Du gehst in diesem Zustand nicht", bestimmte er.

"Du bist nicht meine Oma", widersprach ich und wollte aufstehen, jedoch hielt er mich mit seinen nächsten Worten davon ab.

"Falls du aufstehst und durch diese Tür gehen solltest, werde ich dich wieder ins Haus rein tragen und dafür sorgen, dass du auch sitzen bleibst", drohte er mir und ich bewegte mich nicht mehr von der Stelle.

Da Liam wie immer nicht so sehr gesprächig war, lehnte ich mich zurück und sah mich in seinem Haus um, dabei fiel mir schon beim ersten Blick auf das es sehr schlicht gehalten wurde. Beim genauem betrachten, neigte ich den Kopf etwas zur Seite und verengte meine Augen, denn die Farben gefielen mir nicht. Es war fast nur nach schwarz oder grau eingerichtet und diese Farben waren zu dunkel für mich, daher standen sie nicht wirklich an erster Stelle bei mir.

Ich überlegte ein wenig und fand die Einrichtung eigentlich ganz nett, jedoch wäre ein helles grün, sowie ein helles grau viel schöner gewesen. Okay, so langsam kamen wieder unnötige Gedanken in meinem Kopf, aber daran war ganz allein dieser Junge Schuld, denn er redete mit mir gar nicht und es nervte. Außerdem bemerkte ich nun auch das er mich anstarrte, wobei ich ihn genauso ansah und nicht verstehen konnte, warum er das jedes mal machte.

"Liam", sagte ich lächelnd.

"Was?", fragte dieser leicht unhöflich.

"Ich habe Hunger", gestand ich, weshalb er auf Kommando auf stand und in einem anderen Raum verschwand.

"Und mich lässt er einfach hier", murmelte ich genervt und rollte mit den Augen.

Da Mr Black sich nicht im Zimmer befand, wollte ich aufstehen und das tat ich auch. Leise verließ ich das Wohnzimmer und direkt vor mir stand die Tür, der Küche offen, wo sich auch Liam befand. Ich näherte mich zu ihm und setzte mich auf einen der Stühle am Tisch, dabei beobachtete ich ihn still. Mir war bewusst, dass er mich schon längst bemerkt hatte, jedoch interessierte es ihn anscheinend nicht so sehr, denn er schnitt seelenruhig die Tomaten weiter und würdigte mir keines Blickes.

"Habe ich nicht gesagt, dass du sitzen bleiben sollst?", fragte er plötzlich und ich blieb für einen Moment leise.

"Alleine ist mir langweilig", antwortete ich schließlich und dazu sagte er nichts.

Ehrlich gesagt, machte es keinen Unterschied, ob ich im Wohnzimmer alleine saß oder mit ihm in der Küche war, denn Liam redete nicht gerne und wenn er sprach, dann wollte er nur das ich ging oder da blieb. Tag zu Tag machte er mich neugieriger und am liebsten hätte ich ihm alle Fragen gestellt, die mich schon so lange beschäftigten, aber es würde einfach nichts bringen.

Nachdem er fertig war, saßen wir uns gegenüber und er hatte uns beiden ein Omelett gemacht, was unfassbar lecker aussah. Sofort begann ich zu essen und vergaß alles um mich, denn Liam konnte das wirklich gut und ich fragte mich, woher er das konnte.

"Warum kannst du das? Ich kann sowas gar nicht", sprach ich mit vollem Mund und blickte zu ihm hoch, dabei erstarrte ich.

Entweder hatte ich es mir bloß eingebildet oder Liam Black hatte gerade wirklich geschmunzelt. Er hatte jetzt nicht so richtig gelächelt, aber ich konnte seine Mundwinkel leicht nach oben gehen sehen und genau das brachte mich zum Lächeln. Leider verschwand es so schnell wie es auch kam, weshalb ich weiter aß und so tat als ob ich nichts gesehen hätte. So gerne würde ich ihn einfach nur mal Lächeln sehen, doch auch mit dieser kleinen Bewegung hatte er mir gezeigt, dass er noch Gefühle hatte und das zu wissen, war einfach schön.

Als wir fertig mit dem Essen waren, wollte ich ihm noch beim aufräumen helfen, jedoch hatte er mir es strengstens verboten, weshalb ich seiner Anweisung folgte.

"Liam, wo ist das Badezimmer?", wollte ich schließlich wissen, da ich mir die Hände waschen wollte.

"Geradeaus weitergehen und erste Tür rechts", antwortete er und ich nickte nur.

Ich stand auf und ging den Flur entlang, dabei blieb ich im Gang stehen, denn mir fiel ein Bild ins Auge, was ich mir genauer ansehen wollte. Es war in einem Bilderrahmen schön drin und stand im Flur auf der Kommode. Zwei kleine Jungs konnte ich darauf erkennen, doch da es etwas dunkel im Flur war, wollte ich es in die Hand nehmen, um es besser zusehen.

Bevor ich jedoch danach greifen konnte, packte plötzlich Liam mein Handgelenk und erschrocken blickte ich zu ihm hoch. Sein Gesichtsausdruck war wütend und als er das Bild auf die Kommode knallte, sodass ich es nicht mehr ansehen konnte, zuckte ich zusammen. Sein Griff, um mein Handgelenk wurde fester, doch er tat mir nicht weh. Erneut sah ich ihm schließlich in die Augen und konnte seine Wut nicht verstehen.

"Nie wieder wirst du etwas in diesem Haus anfassen", befahl er und ließ mich wieder los.

"Es tut mir leid", murmelte ich nur und schnappte mir schleunigst meine Tasche im Wohnzimmer.

Ohne Liam zu beachten verließ ich sein Haus und da er noch immer im Flur stand und sich nicht von der Stelle rührte, interessierte es ihn anscheinend wenig. Als ich die Tür hinter mir schloss, hörte ich ihn aufgebracht schreien und wie anschließend etwas auf dem Boden fiel.

Die AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt