Kapitel 20

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Es war über eine Stunde vergangen und ich wartete mit Levin. Nachdem Liam seine Hand in die Autoscheibe geschlagen hatte, war nichts mehr außer Blut zusehen. Er war kaum noch bei Bewusstsein, weshalb ihn Levin sofort ins Krankenhaus fahren wollte und ich mitgegangen war. Draußen vor dem Operationssaal mussten wir warten und es herrschte eine Stille, die niemand von uns beiden unterbrach.

Der Mann, den Liam angeschrien hatte, war wie in einen Schock gefallen und konnte in dem Moment rein gar nichts tun, außer zu schauen. Irgendwie hatte ich eine Vermutung im Kopf, wer es sein könnte, aber trotzdem passten die Puzzleteile doch nicht so genau. Ich hatte Angst um Liam und wollte seine Wut verstehen, ich wollte wissen, warum dieser Mann ihn so aus der Fassung gebracht hatte.

"Keine Angst, ihm passiert schon nichts", beruhigte mich Levin und er selbst sah vollkommen aufgelöst aus.

"Kann ich dich etwas fragen?", wollte ich zuerst seine Bestätigung, worauf er nur leicht nickte.

"Wer war...dieser Mann?", war meine Frage, weshalb er mir in die Augen blickte und für einige Sekunden still blieb.

"Unser Vater", antwortete er kühl und starrte wieder ins Leere.

Ich lag mit meiner Vermutung doch richtig, aber trotzdem war ich etwas überrascht. Es musste also etwas schlimmes zwischen Liam und seinem Vater passiert sein, denn eine andere Erklärung gab es für seine Reaktion nicht. Mir war bewusst, dass Liam ein sichtlich aggressiver Junge war und er auch seine Wut manchmal nicht unter Kontrolle hatte wie es mir Hope erzählt hatte, aber zum ersten mal hatte ich ihn so gesehen. In dem Augenblick, als er vor seinem Vater stand, hatten seine Augen einen so großen Hass ausgestrahlt, dass ich regelrecht Angst bekommen hatte. Sekunde zu Sekunde wurde er wütender und am Ende war er durchgedreht.

Was konnte nur passiert sein?

Diese Frage stellte ich Levin aber nicht, denn es war etwas unter ihnen, also es ging nur der Familie Black etwas an. Ich hatte kein Recht diese Frage zustellen, auch wenn es mich sehr neugierig machte. Am besten hielt ich mich da einfach nur zurück, aber eigentlich sollte ich auch hier gar nicht sein.

Aria Evans gehörte nämlich nicht in das Leben von Liam Black.

Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als ich das vibrieren meines Handys spürte. Schnell nahm ich es aus meiner Hosentasche raus und verengte die Augen bei den vielen Nachrichten. Einige waren von Hope, da sie wissen wollte wie es mir ging oder ob mir wieder schwindelig geworden war. Die anderen fast bis zu 50 Nachrichten waren nur von Jack, weshalb ich ihn anrief und mich etwas von Levin entfernte.

"Sag mir bitte, dass ich mich einfach nur versehen habe!", schrie er schon fast in den Hörer.

"Was meinst du?", fragte ich verwirrt.

"Bist du wirklich in das Auto von Black eingestiegen?", wollte er wissen und ich blieb leise.

"Aria!", schrie er und ich zuckte für einen Moment zusammen.

"Wo bist du verdammt?", war er wütend und ich schnaubte erschöpft.

"Im Krankenhaus", antwortete ich.

"Was?! Warum?!", wurde er direkt besorgt.

"Mir geht es gut. Ich bin wegen Liam hier", beruhigte ich ihn.

"Wie?", fragte er verständnislos.

"Jack, ich lege jetzt auf und erkläre dir alles, wenn ich zu Hause bin", versprach ich ihm.

"Du machst mich fertig", sagte er und ich lächelte ein wenig.

"Dir geht es aber wirklich gut?", wollte er nochmal wissen.

"Ja, Jack. Bis später", verabschiedete ich mich und legte somit auf.

Ich setzte mich wieder neben Levin, der seinen Kopf erschöpft an die Wand gelehnt hatte und die Augen geschlossen hielt. Mein Blick blieb an der Tür hängen, wo Liam drinnen war. Verleugnen tat ich nicht das ich um ihn Angst hatte, aber innerlich verdrängte ich noch was stärkeres. Jedes mal, wenn ich merkte, dass es ihm nicht gut ging, bildete sich in mir eine Besorgnis und ein gewisser Schmerz machte sich bemerkbar. Gerade jetzt war ich ruhig, aber eigentlich fühlte ich mich nicht so.

"Du stellst keine Fragen", sprach Levin plötzlich, weswegen ich ihn leicht verwirrt von der Seite ansah.

"Bist du nicht neugierig, warum das Liam getan hat?", fragte er und richtete seine Augen auf mich.

"Ich bin neugierig, aber es geht mich nichts an", meinte ich, worauf er mich etwas überrascht ansah.

"Aria, warum bist du hier?", wollte er schließlich wissen, weshalb ich für einen Moment nichts sagte.

"Stimmt, was mache ich denn hier? Ich sollte nicht hier sein", murmelte ich und wollte gehen, aber Levin hielt mich am Handgelenk fest, sodass ich stehenbleiben musste.

"Desto mehr du dich von ihm entfernst, desto mehr kommst du ihm näher", sagte er und ließ mich los, worauf ich ihn nur verzweifelt ansah.

"Ich denke, dass es besser wäre, wenn du hier bleibst, denn du bist wahrscheinlich die einzige Person bei der er ruhig bleiben würde, wenn er wieder bei Bewusstsein ist", lächelte er ganz leicht.

Nach einer kurzen Weile war die Operation zu Ende und der Arzt hatte uns mitgeteilt, dass alles gut verlaufen wäre und es keine Schäden bleiben würden. Es war sehr knapp gewesen und er hatte reines Glück gehabt, dass nichts all zu schlimmes passiert war. Nun wurde er in ein Zimmer gebracht und schlief noch, weshalb ich mit Levin vor der Tür saß um ihn nicht zu stören.

Ein paar Minuten später waren auch voller Eile Jayden und Hunter hier. Als Levin auf Liam's Handy gesehen hatte, waren viele Nachrichten von den Jungs zusehen, die sich anscheinend Sorgen gemacht hatten, weil er sich nicht gemeldet hatte. Aus diesem Grund hatte Levin Hunter angerufen und sie ins Krankenhaus hergerufen. Die beiden blieben schließlich außer Puste vor uns stehen und sahen uns fragend an. Genau von dieser Situation konnte man auch sehen, dass Liam für die Jungs wichtig war. Ich kannte alle nicht so gut, aber wenn man sie alle zusammen ansah, waren sie wie chaotische Brüder.

"Was ist passiert?", wollte Hunter direkt wissen.

"Mr Black ist passiert", erklärte Levin kurz und knapp, worauf die Jungs nichts mehr sagten, denn anscheinend wussten sie das Thema mit dem Vater.

Kurze Zeit später teilte uns eine Krankenschwester mit das Liam aufgewacht wäre und wir ihn sehen dürften. Als erstes wollte nur Levin alleine zu seinem Bruder rein, weshalb ich mit den Jungs draußen vor der Tür wartete. Es dauerte aber nicht lange und schon kam er wieder raus, worauf ich auf stand, da ich Liam genauso sehen wollte.

"Jungs, geht doch mal zu ihm rein", bat Levin die beiden, weswegen sie auch stumm seiner Anweisung folgten.

"Ihm geht es gut", sprach er nun zu mir.

"Ist etwas anderes?", wollte ich schließlich wissen, da er mich unsicher ansah.

"Nein, was sollte denn sein?", lachte er, doch er log.

"Warum habe ich dann das Gefühl, das du mich nicht rein lassen möchtest?", fragte ich, da er mir wortörtlich den Weg versperrte.

"Aria", begann er, aber wusste nicht wie er weiter reden sollte, jedoch verstand ich ihn schon.

"Er will mich nicht sehen oder?", stellte ich ihm schließlich die Frage, weshalb er nichts sagte und es sich somit bestätigte.

"Ist okay", lächelte ich traurig.

"Er ist...", wollte er sagen, aber ich unterbrach ihn direkt.

"Wirklich...es ist in Ordnung. Ich sollte lieber gehen", meinte ich, worauf er nichts mehr sagte und ich verschwand.

Das hatte ich nämlich verdient.

Die AugenWhere stories live. Discover now