Kapitel 31

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Mein Herz war für einen Moment stehengeblieben und ich konnte mich nicht von der Stelle bewegen. Langsam schüttelte ich meinen Kopf und ging ein paar Schritte vor, doch blieb erneut stehen, denn ich traute mich nicht weiterzugehen. Am Ende riss ich mich aber zusammen und rannte anschließend zur Haustür, dabei klopfte und klingelte ich mehrmals bis sie aufgemacht wurde.

"Liam!", schrie ich mehrmals und nach wenigen Sekunden machte mir Levin die Tür auf.

"Aria?!", hörte ich plötzlich Jack nach mir rufen, der mich aus dem Fenster beobachtete, jedoch ignorierte ich ihn und blickte wieder zu Levin.

"W-Wo ist Liam?", fragte ich, jedoch sagte dieser kein Wort.

Ich hielt es schließlich nicht mehr aus und ging an ihm vorbei. Sofort platzte ich ins Wohnzimmer und blieb erschrocken stehen. Liam's Vater saß mit Tränen in den Augen auf dem Boden und vor ihm lag eine Waffe. Meine Augen wanderten zu Liam, der einfach nur im Raum stand und ins Leere starrte. Eine Erleichterung machte sich in mir breit, denn ihm ging es gut. Aus diesem Grund näherte ich mich zu ihm und umarmte ihn vorsichtig.

"Ich hatte solche Angst", flüsterte ich, sodass es nur er hören konnte.

Als Liam noch immer nicht auf mich reagierte, löste ich mich von ihm komplett und schaute ihm ins Gesicht, aber er blickte weiterhin ins Leere. Genau als ich etwas sagen wollte, sah er mich plötzlich an und nahm mich am Handgelenk. Er zog mich hinter sich her, bevor ich überhaupt verstehen konnte, was los war. Vor der Haustür ließ er meine Hand los und schloss diese direkt zu, weshalb ich verwirrt dagegen klopfte, da er mich wirklich hier draußen stehen ließ.

"Liam, mach die Tür auf!", schrie ich, doch ein lauter Schrei von ihm brachte mich zum Schweigen.

"Ahh!", brüllte er mehrmals hintereinander und ich hörte wie er gegen etwas schlug.

"Liam! Liam, hör auf! Liam!", konnte ich nun die panische Stimme von Levin hören und vor Angst verlor ich einige Tränen.

"Aria!", rief Jack erneut und diesmal kam er auf mich zu.

"Was ist los?", fragte er verwirrt, aber ich konnte gerade nichts erklären.

Auf einmal ging die Tür auf und als ich Liam sah, hielt ich mir vor Schreck die Hände an den Mund. Beide seiner Fäusten waren blutig aufgeschlagen und als ob das nicht reichen würde, hatte er sich den Kopf an die Wand geschlagen, sodass man noch das Blut an der Flurwand sehen konnte. Ich schaute ihm in die Augen, aber sofort drehte er seinen Kopf weg und ging zum Auto, eher wurde er von Levin gezwungen. Sofort wollte ich den beiden hinterher folgen, aber Jack hielt mich am Arm fest.

"Bitte", flüsterte ich, worauf er nach kurzer Überlegung mich wieder losließ.

"Levin, ich fahre mit", sagte ich und stieg hinten im Auto ein.

Beide der Jungs waren still und sagten kein einziges Wort. Liam war auch viel zu ruhig und zeigte keinerlei Emotionen mehr, was mir nur noch mehr Angst machte. Ich wusste nicht, was er hatte, ich wusste nicht, was ihn bedrückte, ich wusste nicht, warum er so ausgerastet war, ich wusste einfach gar nichts und das zerfraß mich innerlich auf, denn ich wollte ihm helfen, aber ich konnte nicht.

Im Krankenhaus angekommen, saßen Levin und ich vor dem Behandlungszimmer auf einer Bank. Liam wurde von einer Krankenschwester behandelt. Noch immer herrschte eine gewisse Stille bis ich einen Blick auf mir spürte. Ich sah zu Levin rüber, der mich anstarrte, besser gesagt meine Kette, die mir Liam geschenkt hatte.

"Hat er sie dir geschenkt?", wollte er wissen, worauf ich nur stumm nickte und er zum Lächeln begann.

"Es gehörte unserer Mutter", sprach er und bei seinen Worten blieb mir fast der Mund offen.

Er hatte mir wirklich die Kette von seiner Mutter geschenkt?

"Sie hatte es nie von ihrem Hals abgenommen", redete er weiter und ich konnte Tränen in seinen Augen erkennen.

"An einem Tag war ich alleine draußen im Garten. Ich spielte Fußball und war in dem Moment glücklich. Durch das ganze Spielen, bekam ich Durst, weshalb ich nach meiner Mutter geschrien hatte, ob sie mir ein Glas Wasser geben könnte. Nichts kam von ihr. Zuerst hatte ich es ignoriert, aber dann wurde ich neugierig. Ich war ins Haus reingegangen und suchte in der Küche nach ihr, aber da war sie nicht. Danach bin ich ins Wohnzimmer gegangen, aber dort war sie auch nicht. Zuletzt bin ich die Treppen hoch gegangen und hab die Tür ihres Schlafzimmers aufgemacht. Zuerst sah ich Liam am Boden sitzen, weswegen ich zu ihm ging, doch dann sah ich meine Mutter. S-Sie...Sie hängte...an der...an der D-Decke runter. Liam sprang vom Boden auf und zeigte mir glücklich die Kette von meiner Mutter, dabei sagte er, das Mama jetzt ein Engel wäre", erzählte Levin und dabei hatte er Tränen sowie ich verloren.

"Liam, war erst fünf als sich meine Mutter vor seinen Augen umgebracht hat", flüsterte er und blickte dabei zu mir.

Meine Augen wurden größer und ich konnte nicht glauben, was er mir da gerade erzählt hatte. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, weshalb ich vor Schock auch leise war. Wie konnte Liam mit sowas nur leben? Ich konnte mir noch nicht einmal vorstellen wie sie sich sowas anfühlte. Als mir etwas einfiel, legte ich verzweifelt meine Hand die Stirn. An dem Tag, wo ich Liam den Tod meines Vater's gebeichtet hatte, sagte ich zu ihm, dass er so ein Gefühl nicht verstehen könnte, doch ihm war das schlimmere passiert. Ich schämte mich für diese Worte und hätte am liebsten die Zeit zurückgedreht.

"Hast du ihr auch erzählt, warum sie sich umgebracht hat?", fragte plötzlich Liam, der die ganze Zeit am Türrahmen stand, aber wir es nicht bemerkt hatten.

"Du meintest ja, dass ich froh sein sollte, weil ich einen Vater habe, der lebt. Aber genau dieser Dreckskerl ist für den Tod meiner Mutter verantwortlich!", schrie er aufgebracht und bebte regelrecht vor Wut.

"Gerade eben noch hatte er von mir verlangt ihm eine Kugel in den Kopf zu jagen!", wurde er immer wütender.

"Dieser...Mistkerl hat mein Leben zerstört...", brüllte er, doch bevor er weiter sprechen konnte, umarmte ich ihn ganz fest und zum ersten Mal konnte ich ihn weinen hören.

Die AugenWhere stories live. Discover now