Kapitel 48

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Langsam machte ich meine Augen auf, doch schloss sie direkt wieder, da mich die Helligkeit im Zimmer blendete. Ich verengte verwirrt meine Augenbrauen, als ich an meiner Hand ein Gewicht spürte. Ich blinzelte einige Male bis ich sie schließlich aufbekam und neben mich blickte. Liam. Er saß auf dem Boden neben meinem Bett, dabei hielt er meine Hand. Sein Kopf lang ebenso auf meiner Hand und er war eingeschlafen. Ein kleines Lächeln legte sich an meine Lippen und eine einsame Träne rollte über meine Wange.

Am Ende begann ich leise zu weinen. Verzweifelt legte ich meine andere Hand vor den Mund, sodass ich ihn nicht weckte. Ich drehte meinen Kopf weg und konnte ihn nicht mehr ansehen. Mein Herz zerbrach einfach bei seinem Anblick. Nach alldem, was ich ihm gesagt hatte, war er da und ließ mich nicht los. Trotzdem sollte er nicht hier sein, denn er sollte sich das nicht selbst antun. Vielleicht würde ich bald nicht mehr hier sein. Würde er damit leben können? Allgemein verstand ich nicht, warum er sich das selbst noch antat. Ich gab ihm nichts außer Schmerz und Trauer.

Ich merkte wie er sich langsam bewegte, weswegen ich aufhörte zu weinen und meine Tränen schleunigst wegwischte. Vorsichtig drehte ich mich wieder zu ihm, der seine Augen geöffnet hatte und den Kopf nun hob, um mich anzusehen. Seine Augen strahlten irgendwas aus, was ich nicht deuten konnte. Allerdings konnte ich nie seine Gefühle und Gedanken einschätzen. Er war wie eine geheimnisvolle Kiste. Weiterhin starrte er mich an, als ob er irgendwas verstehen wollte.

"Hast du geweint?", fragte er leicht verwirrt und zog seine Hand weg, wobei die Wärme von ihm sofort verschwand.

"N-Nein", antwortete ich mit brüchiger Stimme.

"Ich weiß, dass du lügst. Außerdem tut es mir Leid, das ich hier eingeschlafen bin. Ich wollte das nicht", murmelte er und stand vom Boden auf.

"Ich gehe lieber", meinte er.

"Liam", begann ich und er blickte zu mir.

"Bleib hier, bitte", verlangte ich, worauf er stumm nickte und unbeholfen neben mir stand.

Das Lächeln kam wieder zurück und ich streckte meine Hand nach ihm aus. Für ein paar Sekunden starrte er sie einfach nur an, jedoch riss er sich wieder zusammen und griff danach. Ich zog ihn ein wenig näher zu mir, sodass er sich neben mir aufs Bett setzen sollte. Gedankenverloren war sein Blick ins Leere gerichtet. Er merkte noch nicht einmal wie ich seine Hand wieder losließ.

"Warum hast du mir nichts gesagt?", unterbrach ich die Stille, jedoch sah er mich trotzdem nicht an.

"N-Nicht...du, sondern...er war es", flüsterte ich und meine Augen begannen zu brennen, aber ich wollte jetzt nicht nochmal weinen.

"Trotzdem bin ich schuld", murmelte er und ich blickte ihn fassungslos an.

"Nein, bist du nicht", meinte ich und er sah mich plötzlich an, dabei zeigte er so viel Reue in seinen Augen, weshalb ich das Bedürfnis hatte ihn zu umarmen.

"Ich hätte ihn überreden können nicht in dieses Haus reinzugehen, aber ich habe nichts getan. Außerdem bin ich wie ein Feigling abgehauen", sagte er und war auf sich selbst wütend.

"Du hättest ihm nicht mehr helfen können", flüsterte ich traurig.

"Aria, sei nicht so ruhig. Du musst mich anschreien, du musst auf mich wütend sein, du musst mich hassen und nicht...so sein", war er verzweifelt, weshalb ich nach seiner Hand fasste.

"Hör auf damit, Liam", bat ich ihn, da ich es nicht ertrug ihn so zusehen.

"Ich hasse mich dafür, dass ich dir das angetan habe", sprach er und ich versuchte mich langsam zu richten, was ich nur mit seiner Hilfe schaffte.

Anschließend schlang ich meine Arme um seinen Hals und drückte ihn fest an mich, auch wenn es unglaublich weh tat, hielt ich die Schmerzen für ihn aus. Er brauchte mich gerade. Meine Umarmung kam plötzlich, weshalb er leicht verwirrt war und zuerst nicht reagierte. Am Ende legte er genauso seine Hände an meinen Rücken und erwiderte es schließlich ohne mir dabei wehzutun. Tränen liefen über meine Wange, die ich nicht mehr zurückhalten konnte.

Als ich mich von ihm ein wenig löste, nahm ich sein Gesicht zwischen meine Hände und blickte ihm tief in die Augen, womit ich ihn gefangen hielt. Seine blauen Augen bohrten sich in meine und ich konnte nicht aufhören sie zu bewundern. Er hatte einfach unglaublich schöne Augen. Diese Augen. Wie ein wertvoller Kristall. Kalt, aber wo auch genauso viel Liebe steckte. Ich lächelte ihn in Tränen an und lehnte anschließend meine Stirn gegen seine. Wir schlossen beide die Augen, wobei er genauso seine Hände an meine legte. Ich merkte wie er sich unsicher war, aber trotzdem ließ er es zu, denn ich wusste ganz genau, dass ich ihn mit meinen Berührungen schwach bekam.

"Es tut mir Leid", flüsterte ich traurig, weshalb er sich von mir ein bisschen löste, sodass er mich ansehen konnte.

"Wofür entschuldigst du dich?", war er verwirrt.

"Das ich dich, als einen...Mörder bezeichnet habe", antwortete ich und schämte mich noch immer dafür.

"Verzeihst du mir?", fragte ich und er sah mich mit ungläubigen Augen an.

"Du bist unglaublich", murmelte er und ich verstand nicht wie er es meinte, weswegen ich ihn verunsichert anblickte.

Die Antwort gab er mir jedoch mit einem Kuss, der sehr unerwartet kam. Es war nur ganz leicht und als er sich es wieder anders überlegte, wollte er sich entfernen, jedoch reagierte ich schneller und drückte meine Lippen gegen seine. Zuerst tat er nichts, doch dann löste er sich aus seiner Starre und erwiderte meinen Kuss. Er legte seine Hand an meine Wange und mit der anderen zog er mich näher an sich, dabei achtete er darauf mir nicht wehzutun. Mitten im Kuss merkte ich wie sehr ich ihn vermisst hatte und ein weiteres Mal wurde mir bewusst, dass ich mich in diesen Jungen verliebt hatte.

"A-Aria...ich-", wollte er sagen, doch unterbrach sich selbst, aber ich wusste, was er mir sagen wollte, worauf ich nur lächelte.

"Ich dich auch", hauchte ich gegen seine Lippen und entlockte ihm somit ein Schmunzeln.

Die AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt